Perspektiven für Freiwillige: Engagement zukunftsfähig machen

Fachinformation - geschrieben am 11.01.2024 - 10:03
zwei Frauen halten sich die Hände in einem Supermarkt

Freiwilliges Engagement bereichert, fördert die Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Eine KiTa gründen, Jugendliche mit Behinderung beim Ausflug begleiten, den Tourenplan für den Bürgerbus erstellen, mit Senior*innen einkaufen gehen oder eine Mitgliederversammlung leiten: Freiwilliges Engagement hat viele Facetten. Ohne die Menschen, die Zeit investieren und ihre Fähigkeiten einbringen, wäre unsere Welt ärmer. Die Freiwilligen betonen ihrerseits, dass Engagement ihr Leben bereichert. Soweit so gut? Keineswegs. Das freiwillige Engagement muss sich verändern, damit es für die Zukunft gut gerüstet ist.

Soziale Organisationen, die mit Freiwilligen arbeiten, erweitern ihre begrenzten Ressourcen, ergänzen ihre Angebote und erzielen eine breitere Wirkung. Viele gesellschaftliche Herausforderungen lassen sich nur mit Hilfe von Engagierten bewältigen. Ein Beispiel hierfür ist die schnelle Hilfe, die Ehrenamtliche sofort nach dem Beginn des Ukrainekriegs für viele Geflüchtete leisteten.

Die Bereitschaft der Menschen, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, stärkt aber nicht nur den sozialen Sektor. Untersuchungen zeigen, dass das freiwillige Engagement das Gemeinschaftsgefühl fördert.[1] Personen, die soziale Aufgaben übernehmen, fühlen sich eher mit ihren Mitmenschen verbunden. Freiwilliges Engagement fördert die Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.[2] Es ist eine wichtige Grundlage für eine funktionierende Demokratie.

 

Großes kreatives Potenzial

Die Freiwilligen bringen eine breite Palette an Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen in die soziale Arbeit ein. Sie gehören unterschiedlichen Altersstufen, Berufen und Gruppen an. Durch ihre Vielfalt, ihre persönlichen Netzwerke und ihre Arbeit mit den Nutzer*innen sind sie Quellen für innovative Ideen, die erforderlich sind, um soziale Programme weiterzuentwickeln. Wie groß das kreative Potenzial im Engagement ist, haben die Preisträger des Innovationswettbewerbs #PariEngage eindrucksvoll demonstriert.

Junge Freiwilligendienstleistende lernen den Wert sozialer Arbeit kennen. Ihre positiven Erfahrungen führen dazu, dass sich etwa 70 Prozent dieser Menschen nach dem Dienst vorstellen können, in der Sozialen Arbeit oder im Gesundheitswesen zu arbeiten. Freiwilliges Engagement ist also wichtig, um Arbeitskräfte für die Sozialwirtschaft zu gewinnen

Die Freiwilligen profitieren ihrerseits vom Engagement. Viele von ihnen verwirklichen eigene Ideale, indem sie etwas Sinnvolles tun und die Gesellschaft mitgestalten. Sie knüpfen Kontakte oder haben einfach Spaß. Zahlreiche Engagierte erwerben neue Kompetenzen oder setzen biografische Ziele um. Ihr Verständnis für die Bedürfnisse anderer Menschen und gesellschaftliche Fragestellungen wächst.

Freiwilliges Engagement

Tätigkeit für andere, die nicht Erwerbszwecken dient, die in einem organisierten Rahmen ausgeführt und das mit gewisser Regelmäßigkeit ausgeübt wird. Es ist damit abgegrenzt von Tätigkeiten, für die mehr als eine Aufwandsentschädigung oder ein geringes Honorar gezahlt wird und die einen rein privaten Charakter haben.[17]

Engagement verändert sich

Dennoch ist nicht alles Gold, was glänzt. Der zeitliche Umfang des Engagements nimmt tendenziell ab, da die Zeitbudgets wegen beruflicher und persönlicher Verpflichtungen limitiert sind. Die Pandemie war für viele Freiwillige ein Anlass, um ihr Ehrenamt aufzugeben. Freiwilliges Engagement findet noch immer am häufigsten in klassischen Strukturen wie in Vereinen statt.[3] Die Zahl der Vereinsgründungen ist aber rückläufig.[4] Jüngere Menschen setzen sich eher für Initiativen ein, die zeitlich begrenzt sind. Gemeinschaftsgefühl allein reicht vielen heute nicht mehr als Mission, die Menschen möchten die Gesellschaft mitgestalten.[5] Zudem verändern sich die Engagementfelder, es zeigen sich Rückgänge in den relativen Anteilen sozialer Dienste.[6]

Gerade jüngere Menschen suchen ihr Engagement vermehrt über digitale Medien oder engagieren sich digital.[7] Das Nachsehen haben viele etablierte Organisationen, denen es immer schwerer fällt, Freiwillige für dauerhafte und verbindliche Engagements zu gewinnen.[8] Gleichzeitig sinkt wegen der überbordenden Bürokratie die Bereitschaft, Leitungs- und Vorstandsfunktionen zu übernehmen.[9] So belegte eine Studie, dass sich ein typischer mittelgroßer Verein im Jahr 42 Tage bzw. 5,4 Stunden pro Woche mit der Erfüllung bürokratischer Vorgaben beschäftigt.[10[ Megatrends wie die digitale Transformation, der Klimawandel, die Pluralisierung der Lebensstile und der demografische Wandel machen vor dem freiwilligen Engagement nicht halt.

 

Attraktivität erhöhen und bürokratische Hürden abbauen

Der Gesetzgeber muss eine funktionierende Infrastruktur mit verlässlichen Rahmenbedingungen für klassisches und modernes, digitales Engagement schaffen.[11] Erforderlich ist es, die Innovationsfähigkeit zu stärken.[12] Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden, um Ressourcen für die soziale Arbeit freizusetzen; zudem braucht es professionelle Unterstützung bei der Bewältigung der gesetzlichen Vorschriften.[13] Engagement darf in Zeiten des Fachkräftemangels und der Belastung öffentlicher Haushalte nicht als Erfüllungsgehilfe missbraucht werden.[14] Wichtig sind die Sozialverbände, die Freiwillige unterstützen, begleiten, (fort-)bilden und ihnen eine Stimme geben.

Soziale Organisationen müssen erkennen, dass die Arbeit mit Freiwilligen nicht nebenbei erledigt werden kann. Ohne Ressourcen und „Kümmerer“, die mit den Freiwilligen partnerschaftlich zusammenarbeiten, geht es nicht. Engagementangebote sind attraktiv, wenn sie auf die Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten der Engagierten zugeschnitten sind. Anreize können helfen, die Freiwilligen zu binden. Es zahlt sich aus, die nächste Generation frühzeitig ins Boot zu holen, zu qualifizieren und beispielsweise mit Mentoringkonzepten auf die Übernahme der Verantwortung im Vorstand vorzubereiten.[15] Alles in allem ist ein systematisches Freiwilligenmanagement ein Schlüssel, um die Arbeit mit Freiwilligen zu stärken. Zudem sollte sich das Engagement mit den Megatrends befassen und Kompetenzen aufbauen, um seine Zukunft aktiv zu gestalten.[16]

Wenn alle Stakeholder an einem Strang ziehen, machen sie nicht nur das freiwillige Engagement fit für die nächsten Jahre, sondern fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

 

 

 

  1. Vgl. Bliestle, Hamra, Roß, Saile: Forschungsbericht „Fit für die Zukunft?“, Stuttgart 2023, S. 29
  2. Vgl. ebd., S. 61
  3. Vgl. https://www.ziviz.de/sites/ziv/ files/ziviz-survey_2023_laenderbe- richt_baden-wuerttemberg.pdf, S. 10
  4. Vgl. https://www.ziviz.de/sites/ziv/ files/ziviz-survey_2023_trendbericht. pdf, S. 8, Abruf 20.11.2023
  5. Vgl. https://www.ziviz.de/sites/ziv/ files/ziviz-survey_2023_trendbericht. pdf, S. 13, Abruf 20.11.2023
  6. Vgl. https://digital.zlb.de/viewer/api/ v1/records/35081812/files/images/ ziviz-survey_2023_trendbericht.pdf/ full.pdf S. 11, Abruf 20.11.23
  7. Vgl. https://www.bmfsfj.de/resource/ blob/156432/c022434af92b104 4dbf45647556b834d/dritter- engagementbericht-zentrale- ergebnisse-monitor-data.pdf, S. 12,
    Abruf 20.11.23
  8. Vgl. https://www.ziviz.de/sites/ziv/ files/ziviz-survey_2023_laenderbe- richt_baden-wuerttemberg.pdf, S. 24
    Abruf 20.11.2023
  9. vgl. DZA; Freiwilliges Engagement in Deutschland, Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019
  10. vgl. https://www.baden-wuert- temberg.de/fileadmin/redaktion/ dateien/PDF/191204_NKR_BW_Ent- buerokratisierung_bei_Vereinen_und_ Ehrenamt.pdf, S. 8, Abruf 23.11.2023
  11. Vgl. https://www.der-paritaetische. de/alle-meldungen/paritaetischen- forderungen-an-eine-zukunftswei- sende-engagementstrategie-des- bundes/, Abruf 28.11.2023
  12. Vgl. https://www.der-paritaetische. de/alle-meldungen/paritaetischen- forderungen-an-eine-zukunftswei- sende-engagementstrategie-des- bundes/, Abruf 28.11.2023
  13. Vgl. Bliestle, Hamra, Roß, Saile: Forschungsbericht „Fit für die Zukunft?“, Stuttgart 2023, S. 61
  14. Vgl. https://www.der-paritaetische. de/alle-meldungen/paritaetischen- forderungen-an-eine-zukunftswei- sende-engagementstrategie-des- bundes/, Abruf 28.11.2023
  15. Vgl. Dr. Birthe Tahmaz, Zivilgesell- schaft in Zahlen ZIVIZ, Auswirkun- gen der Coronakrise untermauern Dringlichkeit Nachhaltiger Nach- wuchsstrategien, Abschließende Ergebnisse des Engagement-Baro- meters zur Coronakrise, Ausgabe 06,
    15. November 2021, S 1
  16. Vgl. https://www.ziviz.de/medien/ zivilgesellschaftliches-engagement- im-jahr-2031, Abruf 28.11.2023
  17. In Anlehnung an Broschüre Freiwilligenmanagement

 

 

Beitrag aus Paritätinform 4/2023

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