Beziehungsgewalt beenden

Fachinformation - geschrieben am 27.06.2023 - 10:03
Kopf eines traurigen Mannes mit Mütze

Gespräch zwischen Armin Krohe-Amann (AKA) von Pfundzkerle e.V. https://www.pfunzkerle.org/ und Kai Kabs-Ballbach (KKB), LAG-Jungen* und Männer*arbeit Baden-Württemberg

Die Statistiken bei Beziehungsgewalt, vor allem in heteronormativ[3] geprägten Beziehungen, sind eindeutig und erschreckend: Männer* sind auf Täter*­ und Frauen* auf Opfer*­Seite überrepräsentiert. Bei allen Formen körperlicher und sexualisierter Gewalt bis hin zu Mord. Wissenschaftliche Untersuchungen schließen biologische Ursachen aus. Wie kann also diese Ungleichheit auf männlicher* Seite mit den bekannten verheerenden Folgen effektiv und konstruktiv bearbeitet werden? Welche Rolle spielt in diesem Kontext Männer*arbeit? Wie kön­nen und sollen Frauen und Mädchen vor Gewalt durch Jungen* und Männer*arbeit geschützt werden?

KKB: Kann eine Männer*- und Jungen*arbeit dazu beitragen, dass Gewalt verhindert wird?

AKA: In Form von Täter*arbeit sehr wohl. Der Verein PfunzKerle bietet seit ca. 20 Jahren für mehrere Landkreise Ge- walt-Sensibilisierungs-Training[4] (GST) an. Ziel des Trainings ist es, Angst- und Gewaltverhältnisse in Beziehung unnötig zu machen und der (Ex-)Partner*in gegenüber nicht mehr gewalttätig zu sein. Dieser Aspekt ist im Landesaktionsplans Baden-Württemberg gegen Gewalt an Frauen vorgesehen. Wir machen dies gemäß der Qualitätsstandards der BAG Täterarbeit gegen häusliche Gewalt [5] Konkret heißt das: Acht Männer* nehmen an einem GST[6] in fünf bis sieben Einzelgesprächen und Gruppentrainingseinheiten mit 24 Sitzungen mit zwei qualifizierten Trainern* teil. Dabei kooperieren wir mit Frauen helfen Frauen Tübingen[7] Unsere Haltung ist dabei: Wir verurteilen die Tat, nicht die Person: Die Männer müssen sich den durch sie zu verantworteten Gewalttaten stellen: Schilderung der Vorfälle/Gewalttaten, Darstellung der persönlichen Situation und Aufarbeitung des Weges, wie es dazu kam und Erstellung eines Weges, wie sie persönlich Gewalt zukünftig vermeiden wollen. Durch die Gruppe erfahren sie über das durch Gewalt verursachte Leid, sie machen die Erfahrung, mit dem problematisch-gewalttätigen Handeln nicht allein zu sein. Sie müssen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und sich mit unserer Unterstützung ein alternatives Handeln erarbeiten. Dies gelingt häufig mit Erfolg.

KKB: Wird dies auch für Minderjährige in der Jungen*arbeit angeboten? Das im Geschlechterkonstrukt enthaltene gewaltaffine Handeln kann ja schon sehr früh nahegelegt werden.

AKA: Nicht in dieser Form. Wir veranstalten gemeinsam mit TIMA[8] Trainings zur Vermeidung von Partnerschaftsgewalt für überwiegend männliche*, aber auch weibliche* Jugendliche an Schulen[9] Dabei wird Positives erarbeitet: Welche Wünsche und Hoffnungen habe ich in Liebesbeziehungen oder in einer Liebesgeschichte. Es wird aber auch schwieriges und negatives sichtbar: Wo sind Warnzeichen für Gewalt zu erkennen, wo sind deutliche Stopp-Signale zu setzen, wo wird Gewalt bereits ausgeübt. Zentral ist die eigene Verantwortung: Du bist dafür verantwortlich, dass du niemandem weh tust und nicht gewalttätig wirst. Teilweise kennen die Jugendlichen Beziehungsgewalt und die Hintergrundthemen durch die Eltern. In der Regel stehen die Jugendlichen aber damit allein und kennen niemanden, bei dem sie sich Hilfe holen können. Eben auch, wie Jungen* Opfer von Gewalt werden, also selbst unter häuslicher oder sexualisierter Gewalt leiden: Wie hole ich mir Unterstützung, auch wenn das Stereotyp dies eher nicht vorsieht.

 

  1. www.pfunzkerle.de
  2. www.lag-jungenarbeit.de
  3. Queere Beziehungen wurden wenig untersucht. Aber auch hier scheint Beziehungsgewalt keine Seltenheit zu sein. Vgl. https://www.proutatwork.de/haeusliche-gewalt/
  4. GST = Antigewalttraining mit dem Schwerpunkt auf Sensi- bilisierung hinsichtlich Gewalt für Erwachsene
  5. www.bag-taeterarbeit.de
  6. GST = Gewaltsensibilisierungstrainings als Auflage der Staatsanwaltschaft oder als Selbstmelder
  7. www.agit-tuebingen.de/
  8. www.tima-ev.de/aktuelles/herzklopfen-fortbildung
  9. ca. 40 Workshops/Jahr im LK Tübingen

 

Beitrag aus PARITÄTinform 1/2023

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