Auch die Kommunalpolitik hat einen Bildungsauftrag

Fachinformation - geschrieben am 21.03.2024 - 18:13
Zwei lächelnde Kinder vor einer Kreidetafel

Bildung ist ein wichtiges immaterielles Gut, das wesentlich zur sozialen Teilhabe in der Gesellschaft beiträgt. Bildung beschränkt sich nicht auf schulische Bildung. Bildung und Lernen finden lebenslang und an allen Orten statt. Ganzheitliche Bildung zielt nicht nur auf die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten ab, sondern berücksichtigt auch emotionale, soziale und kreative Aspekte und bezieht alle Lebensphasen und Zielgruppen mit ein. Die moderne Gesellschaft verlangt zunehmend vielfältige Kompetenzen, die nicht allein durch schulische Bildung vermittelt werden können. Insbesondere in den frühen Lebensphasen von null bis sechs Jahren werden wichtige Grundlagen für die Entwicklung individueller Begabungen sowie sozial-emotionaler und kooperativer Fähigkeiten gelegt.

 

Sozioökonomische und migrationsbedingte Ungleichheiten

In Baden-Württemberg sind laut Bildungsbericht 2022¹ herkunftsbedingte Unterschiede, insbesondere bei Personen mit Migrationshintergrund, nach wie vor bedeutsam für den Bildungserfolg. Sozioökonomische und migrationsbedingte Ungleichheiten verstärken sich im Laufe der Schulzeit weiter. Faktoren wie soziale Schicht, Bildungsherkunft, Geschlecht und Migrationshintergrund sind somit entscheidend für den Bildungserfolg. Laut dem IQB-Bildungstrend 2022² ist der sozioökonomische Status des Elternhauses immer wichtiger für die erreichten Kompetenzen der Schüler*innen.

 

25 % aller Schüler*innen sind sozial benachteiligt. 42 % der Schüler*innen haben einen Migrationshintergrund.

 

Da Schule mehr ist als Wissensvermittlung, da Lernen und Bildung nicht auf den Ort Schule beschränkt sind, ist Bildungspolitik nicht allein Aufgabe der Länder und des Bundes. Auch die Kommunalpolitik hat einen Bildungsauftrag. Im Hinblick auf die Kommunalwahlen 2024 ist es wichtig zu fragen, was die Entscheidungsträger*innen in den Kommunen und Landkreisen tun können, um Chancengerechtigkeit zu schaffen und Bildungserfolg für alle zu erreichen.

 

Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung

Ab 2026 wird schrittweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Grundschulkinder eingeführt. Der Rechtsanspruch ist im Achten Sozialgesetzbuch geregelt und umfasst eine Betreuung von acht Stunden an allen Werktagen. Dieser gilt auch in den Ferien, wobei die Länder eine Schließzeit von bis zu vier Wochen festlegen können. In Baden-Württemberg gibt es aktuell drei verschiedene Möglichkeiten der Ganztagsbetreuung an Grundschulen: Ganztagsgrundschulen nach § 4a SchG, Horte an der Schule und flexible Betreuungsangebote in kommunaler oder freier Trägerschaft.

 

Eine gute Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder muss mehrere wichtige Kriterien erfüllen: Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder, Kinderschutz, Partizipation der Kinder, Bildung, Inhalte und Aktivitäten, Kooperation und Vernetzung im Sozialraum, personelle Ausstattung, soziales Miteinander, individuelle Zeitgestaltung, Bewegung, Ruhephasen, pädagogisch gestaltete Mahlzeiten und geeignete Rahmenbedingungen für das Lernen. Die Erfüllung dieser Kriterien trägt dazu bei, eine qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder zu gewährleisten, die die Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder unterstützt.

 

Bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung klafft in Baden-Württemberg trotz des bereits erfolgten Ausbaus¹ der Plätze noch eine große Lücke zwischen Bedarf und Angebot. Eine große Herausforderung wird hier der Fachkräftemangel sein – denn ohne pädagogische Fachkräfte ist ein qualitativ hochwertiger Ganztag, in dem das Kind und der Kinderschutz im Mittelpunkt stehen, nicht umsetzbar.

 

Ausbau und Finanzierung der Schulsozialarbeit – auch für Schulen in freier Trägerschaft

Schulsozialarbeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Chancengerechtigkeit im Schulsystem. Sie unterstützt Schüler*innen bei der Bewältigung individueller Herausforderungen, stärkt ihre sozialen Kompetenzen und trägt zur Schaffung eines positiven Lernumfeldes bei. Durch gezielte Maßnahmen können soziale Ungleichheiten und Benachteiligungen ausgeglichen werden. Schulsozialarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit, indem sie frühzeitig interveniert, individuelle Förderung anbietet, präventive Programme entwickelt und vernetzt im Sozialraum agiert. Durch eine gut ausgebaute Schulsozialarbeit können soziale Benachteiligungen und Ungleichheiten im Schulsystem abgebaut werden, so dass alle Schüler*innen gleiche Bildungschancen erhalten und ihre Potenziale voll entfalten können.

 

Inklusive Bildung muss vor Ort umgesetzt werden

Zwar werden heute mehr Kinder mit Behinderungen an allgemeinbildenden Schulen unterrichtet als noch vor zehn Jahren, doch ist die Exklusionsquote in Baden-Württemberg nach wie vor die Höchste im Bundesvergleich³ und die Inklusionsquote niedriger als im Bundesdurchschnitt. Inklusive Bildung muss vor Ort umgesetzt und die Rahmenbedingungen müssen angepasst werden, um mehr Barrierefreiheit im Bildungssystem zu gewährleisten. Dazu gehören Maßnahmen wie barrierefreie Schulgebäude und Verbesserungen bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen für Schulbegleitung und Assistenz. Die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Schülern ist für das Gelingen von Inklusion unerlässlich.

 

Kommunalpolitik soll dazu beitragen, gleiche Bildungschancen zu schaffen. Dazu muss die Kommune niedrigschwellige Bildungsangebote bereitstellen, damit auch Menschen, die bisher aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder ihres sozioökonomischen Status einen erschwerten Zugang zu Bildung hatten, diesen Zugang erhalten.

 

Der Paritätische fordert

  • Umsetzung einer qualitativ hochwertigen Ganztagsbetreuung im Rahmen des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter
  • Ausbau und Finanzierung der Schulsozialarbeit – auch für Schulen in freier Trägerschaft
  • Inklusive Bildungsangebote in Bildungseinrichtungen ermöglichen
  • Regionale Schulentwicklung in Verbindung mit Jugendhilfeplanung ausbauen und weiterentwickeln
  • Bildungsgerechtigkeit in allen Bildungseinrichtungen herstellen

 

¹ https://ibbw-bw.de/site/pbs-bw-km-root/get/documents_E-2047455401/KULTU…

² https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2022/Bericht/

³ https://rackles.com/wp-content/uploads/2022/05/Inklusionsstudie-Rackles…

 

 

Beitrag aus ParitätInform 01/2024

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