Das Konzept einer Auszubildendenwohngruppe als zentraler Lernort
Die Pflege befindet sich gegenwärtig, mit der Einführung des neuen Pflegeberufegesetzes (PflBG), in einem enormen Wandlungsprozess. Ein zentraler Aspekt dieses Prozesses ist das veränderte Berufsverständnis und die damit einhergehende Veränderung des Berufs- und Aufgabenprofils der Pflege. Die großen sozialpolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten (und auch der vergangenen) Jahre machen deutlich, dass sich der ohnehin bereits vorherrschende Fachkräftemangel in der Pflege perspektivisch noch verschärfen wird.
Der Ausbildungswohnbereich
Zur Sicherstellung der Umsetzung der neuen Ausbildungs- vorgaben wurde im „Seniorenzentrum An der Elz gGmbH“, einer Tochtergesellschaft der Dreisam Sozialmedizinische Pflegebetriebe gGmbH Freiburg, ein Auszubildendenwohnbereich geschaffen, der einerseits mit den Zielen der Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG) konform geht und andererseits einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsentwicklung der Ausbildung zukünftiger Pflegefachpersonen beitragen kann. Auf diesem Auszubildendenwohnbereich werden bis zu 25 Auszubildende gleichzeitig eingesetzt. Sie werden kontinuierlich von einem Team aus sechs Praxisanleitenden sowie einer pädagogischen Leitung betreut.
PFLEGE IST KEINE SACKGASSE
weil sie sich ständig weiterentwickelt. Es gibt immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse und ich stelle mich als Praxisanleitende auch auf jeden neuen Auszubildenden und Mitarbeitenden neu ein. Es macht Spaß, deren individuelle Entwicklung mitzubekommen und zu sehen, wie sie persönlich und auch in ihrer Professionalität wachsen.
Widerspruch zwischen Theorie und Praxis überwinden
Die generalistische Ausbildung und der vom Gesetzgeber geforderte Situationsbezug erfordern mehr denn je die Anwendung von exemplarischem Lernen. Dies spiegelt sich merklich in den Konstruktionsprinzipien der Rahmenlehrpläne wider. Die Abstimmung der Rahmenlehrpläne und der betriebsinternen Rahmenausbildungspläne aufeinander wird im PflBG und in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV) gefordert. Sie stellt eine Bedingung für den Erfolg der Ausbildung im Betrieb dar. Es wird deutlich, dass sich Auszubildende mehr denn je mit umfassenden Handlungen auseinandersetzen müssen. Dazu zählen Aufgabenkomplexe wie Beratung, Anleitung, Evaluation und Qualitätsentwicklung in der Pflege sowie Kooperation und Koordination zwischen den Berufsgruppen. Ebenso gehören die Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs, die Planung, die Organisation, die Durchführung und die Dokumentation zu den Tätigkeiten, die nach dem Abschluss zur Pflegefachperson beherrscht und eigenverantwortlich durchgeführt werden können.
Diese Ziele der gesetzlichen Vorgaben stehen allerdings in einer gewissen Diskrepanz zur erlebten Realität der Lernenden in der praktischen Ausbildung. Die Lernenden berichten häufig von der Durchführung einzelner Pflegetätigkeiten, anstatt einer umfassenden Handlung. Im Lernen als aktiv Handelnde in realen beruflichen Situationen, begleitet von Praxisanleitenden und anderen Fachkräften, können die Auszubildenden den oftmals erlebten Widerspruch zwischen Theorie und Praxis überwinden.
PFLEGE IST KEINE SACKGASSE
das habe ich sogar jetzt schon erkannt. Ich habe früh gemerkt, dass ich eine recht soziale Ader habe. Ich möchte die Menschen gerne fördern und in ihren jeweiligen Lebenssituationen begleiten. An der Pflege finde ich besonders schön, dass sie absolut abwechslungsreich ist und ich so viele Einblicke in unterschiedliche Lebenswege bekomme.
Ganzheitliches und handlungsorientiertes Lernen
Die Zielsetzung des Wohnbereiches liegt darin, die Auszubildenden durch ganzheitliches und handlungsorientiertes Lernen und Anleiten in der Entwicklung ihrer beruflichen Handlungskompetenz zu unterstützen und zu fördern. Die Lernenden sollen in Realsituationen in einem geschützten Rahmen eigenständig die Verantwortung für die Planung, Organisation und Durchführung der Pflege- und Wohnbereichsprozesse übernehmen. Die Komplexität und die Ausweitung der Eigenverantwortlichkeit wachsen mit dem Fortschreiten des Ausbildungsstandes. Durch den Einsatz gezielter Pädagogik werden die Auszubildenden von Praxisanleitenden, Mitarbeitenden und Lehrenden des Wohnbereiches unterstützt, die durch veränderte Rollenanforderungen, verstärkte Interaktion und Kommunikation sowie intensivierte Teamarbeit verstärkten Herausforderungen zu bewältigen. Dabei erfahren sie eine hohe Partizipation an Entscheidungsprozessen, eine gesteigerte Autonomie bezüglich der Gestaltung ihrer eigenen Lernprozesse sowie die schrittweise Identifikation mit der Profession Pflege. Infolge der intensivierten Partizipation am gesamten Pflegeprozess lernen die Auszubildenden das gesamte Spektrum der Interdisziplinarität des Arbeitsfeldes, aber auch die unterschiedlichen Weiterentwicklungschancen innerhalb der eigenen Profession kennen. Auf diese Weise werden den Auszubildenden schon frühzeitig interessante Berufsperspektiven eröffnet, die optimaler Weise zu einem dauerhaften Verbleib im Beruf Pflege führen.
PFLEGE IST KEINE SACKGASSE
sondern eine Straße mit vielen Abzweigungen. Während meiner Ausbildung habe ich mich für die Abzweigung „Wundexperte“ entschieden. Durch diese Weiterbildung konnte ich mein neu erlerntes Wissen für Obdachlose und Suchterkrankte in Freiburg einsetzen und gründete das „PIOS“-Projekt (Pflegerische Initiative zur Versorgung von Obdachlosen und Suchterkrankten).
…und wie geht es weiter?
Zu den wichtigen Rahmenbedingungen der Auszubildendenwohngruppe zählt u.a. die vorzuhaltende Personalbemessung, die als Hürde bei der Umsetzung identifiziert werden konnte. Durch die Einführung eines eigenen Ausbildungsgewerkes, das die konkreten Gesamtkosten der Ausbildung transparent darstellt, kann bereits ein Jahr nach der Implementation ein Defizit beziffert werden. Es zeichnet sich ab, dass das politische Versprechen einer Kostenneutralität der Ausbildung, soll sie denn qualitativ hochwertig sein, nicht erreicht werden kann. Hieraus ergibt sich der Folgeauftrag, diese Fakten bei den zuständigen Stellen zu präsentieren und für künftige Vereinbarungen über die vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg zu verhandelnden Pauschalbudgets aufzubereiten und eine entsprechend auskömmliche Forderung zu initiieren.
Im Kontext der Organisationsentwicklung und vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Pflegefachkräftemangels bietet die generalistische Pflegeausbildung gute Lösungsansätze. Die Aufgabe besteht nun darin, die beteiligten Akteure der Ausbildung an einen Tisch zu bringen, die Hürden und Umsetzungsproblematiken zu identifizieren und konstruktive sowie zukunftsweisende Steuerungsstrategien zu erarbeiten.