Karriere in der Pflege ist für alle möglich

Fachinformation - geschrieben am 14.02.2022 - 15:52

Sieglinde Zwick: Von der ungelernten Pflegekraft zur Pflegedienstleitung

Als ich in die Pflege kam, war ich bereits 28 Jahre alt. Ich entschied mich bewusst für die Arbeit in einem Pflegeheim, dachte aber zunächst, dass ich mehr in der Küche eingesetzt werden würde oder in der Betreuung der Bewohnenden. Im Gegenteil, ich wurde sofort auf Station eingearbeitet. In der ersten Zeit als ungelernte Pflegehelferin war jeder Tag eine Offenbarung. So wurde mir das Kompressionswickeln und Insulinspitzen schnell beigebracht. In den 90er-Jahren war das für eine ungelernte Helferin noch möglich.

Als ungelernte Pflegehelferin war ich untergeordnet und musste nach den Anweisungen der einjährig ausgebildeten Altenpflegehelfenden und Pflegefachkräfte arbeiten. Ich bemerkte, dass ich schnell lernte und eine gute Auffassungsgabe hatte. Ich lauschte den Gesprächen der Pflegeschüler, die über Ausbildungsinhalte sprachen. Das fand ich interessant und manch Pflegefachliches kannte ich mit Beginn der Ausbildung schon recht gut, einfach, weil ich den Kollegen Löcher in den Bauch gefragt hatte.

Ich arbeitete aus familiären Gründen in Teilzeit, hauptsächlich Frühschicht und manchmal auch Nachtschicht. Mein damaliger Chef war sehr familienfreundlich und ich konnte meine Arbeitszeiten gut an meine familiäre Situation anpassen. Mit den Jahren wurde ich aber unzufrieden, da die übergeordneten Fachkräfte immer jünger wurden und ich immer älter. Es fiel mir zunehmend schwer, mich unterzuordnen und auf Anweisung zu arbeiten. Ich dachte nach und entschied, dass eine berufliche Veränderung angesagt war.

Also wechselte ich in eine Wohngruppe für junge körperbehinderte Menschen. Meine Kolleg*innen waren Sozialpädagog*innen, Heilerziehungspfleger*innen, Fachpfleger*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Heilpädagog*innen. Die Sichtweise dieser Berufsgruppen war eine völlig andere als die von Pflegekräften. Das war für mich sehr interessant.

Die Arbeitszeiten waren relativ flexibel und ich konnte als Nachtbereitschaft arbeiten. Da schlief ich im Nachtbereitschaftszimmer und konnte mich morgens einigermaßen ausgeschlafen um meine Kinder kümmern. Die Arbeit am Wochenende kam mir ebenfalls sehr entgegen, da für mich die Betreuung meiner Kinder leichter zu organisieren war.

Neue Sichtweisen mit der Ausbildung zur Altenpflegerin

Aber trotzdem: es wurde mir wieder schnell langweilig. Genau in dieser Zeit schlug mir meine damalige Chefin vor, eine Ausbildung zur Altenpflegerin zu machen. Das Ansinnen ehrte mich zwar, aber ich hatte doch Zweifel, ob ich das in meinem Alter und mit meinem Bildungsniveau noch schaffen würde. Ich war inzwischen 43 Jahre alt und musste mich um meine Familie mit zwei Kindern kümmern. Ich lehnte ab.

Doch die Kollegen und meine Chefin bearbeiteten mich so lange, bis ich ja sagte. Mit viel Angst, Herzklopfen und Zweifel, ob das die richtige Entscheidung sei, sagte ich zu und meldete mich bei der Altenpflegeschule an. Mein Be- trieb hatte mir jede Unterstützung zugesagt, gerade wegen meiner Kinder. Aber schon nach einem Jahr Ausbildung stellte ich fest, dass die Inhalte der Ausbildung nicht ganz zu meinem Arbeitsplatz passten. Ich wollte wechseln und kam so zum Paritätischen Pflegedienst Heilbronn. Für den, in der Ausbildung geforderten Einsatz in einem anderen Versorgungsbereich, konnte ich in der angegliederten Tagespflege arbeiten. Ich war total begeistert. Vor allem der Umgang mit Schüler*innen gefiel mir dort sehr gut. Es herrschte eine Atmosphäre der Wertschätzung.

Der Unterricht in der Schule eröffnete mir ganz neue Sicht- weisen. Nach über zwölf Jahren ungelernter Pflegetätigkeit konnte ich viel Erfahrung in den Unterricht einbringen. Meist war ich gedanklich schon einen Schritt voraus, während ich mir einen Lerninhalt einprägte. Trotzdem blieb die Angst, die Herausforderung nicht zu meistern, zu scheitern und mich übernommen zu haben. Auch Schuldgefühle gegenüber meinen Kindern waren mein stetiger Begleiter. Die Betreuung der Kinder war natürlich schwierig, aber wo ein Wille war, war auch immer ein Weg. Meine Kinder sind heute sehr stolz auf mich.

Lehrbuch mit Brille

Heute ist es mir vor allem wichtig, den Mitarbeitenden die Möglichkeiten der Weiterentwicklung zu bieten. 

Sieglinde Zwick, Pflegedienstleitung

Mein Gerontologielehrer gab mir das Selbstvertrauen, um durchzuhalten

An der Altenpflegeschule gab es sehr gute Lehrerkräfte, die meine Lust zum Lernen und mein Selbstvertrauen steigern konnten. Mein Mentor, ein Gerontologielehrer, hat mir die Anerkennung gegeben, die ich brauchte, um an mich zu glauben und nicht aufzugeben. Er hat mich in vielen Bereichen gefördert und vorangebracht. Zusammen mit meinen Mitschüler*innen konnte ich einmal sogar einen Projektpreis gewinnen. Den Ausbildungsabschluss machte ich als Jahrgangsbeste.

Nun stand mir die Welt offen und ich hatte Lust, verschiedenes auszuprobieren. So konnte ich Erfahrung in der Suchtkrankenhilfe sammeln, wo ich drei Jahre beschäftigt war. Als Dozentin in der Erwachsenenbildung zur Berufsförderung im Bereich Pflege waren mir vor allem die Frauen mit schwierigen Rahmenbedingungen ein Anliegen. Manche von ihnen konnte ich für die Pflege begeistern, was mir eine Riesenfreude war. Aus der Tätigkeit als Dozentin bot man mir eine Stelle als Ausbilderin an einer Privatschule an. Ich konnte der Herausforderung nicht widerstehen, stellte aber fest, dass ich, um eine gute Lehrerin zu werden, eine lange Ausbildungszeit hätte absolvieren müssen. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich diese Herausforderung annehmen sollte.

Neue Perspektiven: Ausbildung zur Pflegedienstleitung

Da begegnete mir der Geschäftsführer des PARITÄTISCHEN in Heilbronn. Da ich beim PARITÄTISCHEN am Wochenende gelegentlich arbeitete, erfuhr ich, dass eine Nachfolge für eine Pflegedienstleitungsstelle (PDL) gesucht wurde. Man machte mir das Angebot, die Ausbildung zur PDL zu fördern, damit ich die Nachfolge antreten könne. Ich erkannte die Chance, die sich mir bot, und nahm das Angebot an. Die Weiterbildung bedeutete nochmal zwei Jahre Schule, die ich ebenfalls mit Auszeichnung abschließen konnte. Man gab mir viel Freiraum, mich als PDL zu entwickeln. So konnte ich langsam der Leitungsaufgabe zuwachsen.

Schon steht wieder eine neue große Herausforderung an. Infolge der steigenden Nachfrage und dem gleichzeitig gravieren- dem Personalmangel arbeite ich daran, ungelernte Pflegekräfte zu qualifizieren. Doch das ist eine neue Geschichte …

Beitrag aus PARITÄTinform 4/2021

Wichtige Werkzeuge

Artikel merken