Ein geschützter Ort für queere junge Menschen

Fachinformation - geschrieben am 28.03.2024 - 11:48

Geschlechtssensibles Arbeiten in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wichtiger denn je!

In Zeiten eines politischen und gesellschaftlichen Diskurses, der sich immer weiter nach rechts verschiebt und immer weniger Toleranz aufzeigt, ist es unabdingbar, dass sich Fachkräfte der Sozialen Arbeit klar für eine offene, solidarische und inklusive Gesellschaft einsetzen. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit als Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe kann mithilfe des geschlechtersensiblen Ansatzes einen wesentlichen Beitrag hierfür leisten.

 

Kinder und Jugendliche durchlaufen in dieser Altersspanne wichtige Entwicklungsphasen, in denen sie sehr beeinflussbar sind und sich gleichzeitig ihre Identität formt. Im SGB VIII wird an verschiedenen Stellen betont, dass junge Menschen ein Recht auf die freie Entwicklung der Persönlichkeit sowie auf Selbstbestimmung haben – die Förderung dieses Anspruchs obliegt nicht zuletzt den pädagogischen Fachkräften. Indem Angebote und Räume der Kinder- und Jugendarbeit offen gestaltet werden, können sich Kinder und Jugendliche frei und fernab von Rollenklischees ausprobieren und entfalten. Gleichzeitig wird queeren jungen Menschen ein geschützter Ort zur Verfügung gestellt.

 

Was kann eine geschlechtersensible Haltung bewirken? Anhand folgender fünf Schlagworte werden die Bedeutung und Wirkungsweise aufgeführt:

Empowerment                                                                                                 

Werden die Interessen und Bedürfnisse von jungen Menschen ernst genommen, trägt das zu einem positiven Selbstbild bei. Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung werden gestärkt. Kinder und Jugendliche werden darin ermutigt, eigene Entscheidungen zu treffen und erleben sich selbstwirksam.

Sensibilisierung für Stereotypen                                                                           

Eine geschlechtersensible Haltung hinterfragt traditionelle Rollenbilder. Kindern und Jugendlichen wird hierdurch die Möglichkeit gegeben, sich mit den eigenen Stereotypen auseinanderzusetzen und diese mit Hilfe pädagogischer Fachkräfte kritisch zu reflektieren. Das kann zu mehr Toleranz und Offenheit beitragen.

Identitätsbildung                                                                            

In Kindheit und Jugend entwickeln Menschen ihre (Geschlechts-) Identität. Geschlechtersensible Soziale Arbeit ermöglicht ihnen ein vielfältiges Verständnis von Geschlecht jenseits von stereotypen Rollenbildern. Dadurch werden sie ermutigt ihre Identität frei von Rollenerwartungen zu wählen und sich nicht einschränken zu lassen.

Prävention                                                                                                       

Die Sensibilisierung von jungen Menschen hilft dabei, Vorurteile und Barrieren zu identifizieren und abzubauen. Mehr Toleranz beugt Diskriminierung sowie physischer und psychischer Gewalt vor.

Intersektionalität                                                                                 

Die Kategorie Geschlecht und damit einhergehende Rollenerwartungen stehen in Wechselwirkung zu weiteren Kategorien wie Klasse, Behinderung, Religion oder Sexualität. Daraus können sich komplexe Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen ergeben. Geschlechtersensible Soziale Arbeit berücksichtigt diese Tatsache, wodurch Fachkräfte die Lebenswelten umfassend betrachten und dadurch besser auf die individuellen Bedürfnisse eingehen können.

 

Insgesamt fördert eine geschlechtersensible Haltung der Fachkräfte junge Menschen darin, soziale Ungleichheitsstrukturen und einengende Normvorstellungen zu hinterfragen. Kinder und Jugendliche können ihre Identität frei entfalten, wenn Angebote der Kinder- und Jugendhilfe frei von der Reproduktion von Stereotypen sind. Ein Mehr an gelebter Toleranz bei jungen Menschen trägt auch zu einem Mehr an einer toleranten und vielfältigen Gesellschaft bei.

Nicht nur die Einrichtungen der Sozialen Arbeit und somit die der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sind gefragt, einen Beitrag zu einem diskriminierungsfreien gesellschaftlichen Diskurs zu leisten. Auch die politischen Rahmenbedingungen hierfür müssen geschaffen werden und erhalten bleiben.

Der Paritätische Baden-Württemberg setzen sich für Offenheit und Vielfältigkeit ein. Um die Mitgliedsorganisationen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit darin zu unterstützen, haben wir wichtige Informationen rund um das Thema auf unserer Homepage zusammengestellt und werden diese kontinuierlich ergänzen bzw. aktualisieren. Wir bieten zudem Beratung zu geschlechtersensiblem Arbeiten in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit an.

 

 

Zahlen und Fakten

Eine Studie zum Pride Month 2023 hat ergeben, dass sich 22 Prozent der Generation Z (ab Jahrgang 1997) auf dem Spektrum LGBTQIA+ einordnen (Quelle: „LGBT+ Pride 2023“ Ipsos Global Advisor-Studie 2023). Davon hat mehr als jeder zweite junge Mensch nicht-körperliche sexualisierte Gewalt in Form von sexuellen Kommentaren, Beleidigungen oder Gesten erlebt. Von negativen Bezeichnungen mit sexuellem Bezug haben 38 Prozent der Mädchen und 52 Prozent der Jungen berichtet. Knapp die Hälfte der nicht-heterosexuellen Mädchen und fast jeder dritte nicht-heterosexuelle Junge wurde im Internet sexuell bedrängt oder belästigt 

(Quelle: Datensatz „Jugendsexualität“ BZgA, 2019).

 

 

Beitrag aus ParitätInform 4/2023

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