Spero heißt Hoffnung

Fachinformation - geschrieben am 05.02.2024 - 09:18

Sucht ist eine Krankheit – Süchtige werden stigmatisiert

Sie hat bei der Elternselbsthilfe Suchtgefährdeter und Suchtkranker Hilfe gefunden. Nun gibt sie diese in der Baden-Württembergischen Landesvereinigung weiter: Heike Mohrmann engagiert sich als Erste Vorsitzende.

 

„Auf Youtube! Wir sind alle stolz wie Bolle.“ Heike Mohrmann erzählt von der Doku-Serie „Einsicht durch Zweisicht – Perspektiven verknüpfen“. Dort berichten fünf Konsument*innen und sechs Eltern über selbst- und fremdverletzendes Konsumverhalten im Familiensystem. Die biografischen Lichter sollen Verständnis schaffen, Stigmatisierungen abbauen und gesellschaftliche, ganzheitliche Veränderungen initiieren. Auch Heike Mohrmann, Erste Vorsitzende der Baden-Württembergische Landesvereinigung der Elternselbsthilfe Suchtgefährdeter und Suchtkranker e.V., und ihr Ehemann sind dabei. Der Film ist Teil des Projekts Spero, also „Hoffnung“, welches Mohrmann und weitere Frauen aus vier Elternkreisen – 16 gibt es im Land – 2018 aus der Taufe hoben.

 

Das Projekt bringt Angehörige und ehemalige Konsumenten zusammen

„Wir wollten verschiedene Blickwinkel zeigen“, so Mohrmann.

„Mein Mann und ich fuhren dafür zu Paul Lücke.“ Lücke hatte 2012 mit Sick alias Andre Welter an dessen autobiografischen Internet-Serie „Shore, Stein, Papier“ zu arbeiten begonnen. Sick berichtet darin über seine Drogensucht, Strafen, Haft, zunächst vergebliche Entzugsversuche, seinen Sieg über die Sucht. Das wurde mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Auch ein Buch entstand: Sicks „Shore, Stein, Papier – Mein Leben zwischen Heroin & Haft!“ schaffte es 2016 auf die Spiegel-Bestseller Liste. Lücke und er gründeten den Verein Stigma, um gegen Vorurteile anzugehen.

„Süchtige werden stigmatisiert, Sucht ist eine Krankheit“, so Mohrmann. „Man muss den Menschen sehen, mit Emotionen, Motiven und Identitäten, Ängste nehmen, Austausch ermöglichen.“

 

Das geschieht bei Spero: Neben der Serie für die sozialen Medien und einer Broschüre, bringt das Projekt Angehörige und ehemalige Konsumenten zusammen. „Wenn ich vor einer Schulklasse als Mutter stehe, dann gähnen die. Aber wenn da Sick kommt, der konsumiert hat, im Knast war, der ihre Sprache spricht, der Rap macht, dem hören die Kids zu!“ Und er kam auch zu den Eltern. „Konsumierende müssen erfahren, wie es uns Eltern geht – und wir, wie es Konsumierenden geht.“ Damit schloss sich für Mohrmann ein Kreis: Ihr Sohn, der 2015 an einer Überdosis starb, hatte sie auf Sick aufmerksam gemacht.

 

Aus dem Hilfe suchen wurde bald Hilfe geben

Ein Jahr zuvor hatten sie und ihr Mann wegen der Sucht des Sohnes zur Elternselbsthilfe Waiblingen gefunden. „Wir wussten nicht mehr weiter.“ Aus dem Hilfe suchen wurde bald Hilfe geben. Mohrmann besuchte Seminare übernahm Gruppen, kam in den Vorstand. Unterstützt werden Angehörige auf vielen Ebenen, mental und geistig sowie inhaltlich über alle Aspekte der Sucht. Die einem nähmen was, um „gut drauf zu sein“, andere verdrängen, fliehen oder suchen „Sicherheit, Geborgenheit, Sinn, Liebe“. „Jede Droge, jeder Fall ist anders, Schuldzuweisungen oder -gefühle bringen nichts“, so Mohrmann.

 

Mit Inge Schmidtke-Tiefenbach hat sie auch eine Trauer AG gegründet, um Eltern in der schweren Zeit Kraft und Halt bieten. Wichtig sei zuzuhören und Gefühle zuzulassen in den Gruppen. Warum sie sich engagiert? „Man trifft tolle Menschen, wir weinen, wir lachen miteinander. Man erlebt wahn- sinnige Wertschätzung von allen, von Eltern, Engagierten, Gremien. So haben wir noch ein Band mit unserem Sohn, können über die Gespräche neue Erinnerungen schaffen.“

 

 

 

Beitrag aus Paritätinform 04/2023

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