Extreme Hitze bedroht zunehmend die Gesundheit von Menschen weltweit. Auch hierzulande nehmen Hitzewellen zu und führen zu einer erhöhten Krankheitslast sowie zu vermehrten hitzebedingten Todesfällen. Todesfälle, die durch verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen vermeidbar wären. Das Bewusstsein für die Gefahr von Hitze nimmt in Deutschland zu, dennoch bedarf es mehr Aufklärung sowie Handlungen auf politischer Ebene.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht den Klimawandel als die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit und unterstreicht vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit der Umsetzung des Ziels des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (Fact sheet: Climate change and health).
Hitze: Eine Gefahr für die Natur und die Gesellschaft
Hinsichtlich der im Zuge des anthropogenen Klimawandels verstärkt auftretenden Extremwetterereignisse, stellen insbesondere Hitzewellen eine Herausforderung für die Natur und die Gesundheit der Menschen dar. In Deutschland wurde in den Jahren 2003, 2015, 2018 und 2022 die meisten heißen Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius verzeichnet. Laut dem Deutschen Wetterdienst wird sich der Trend aufgrund der globalen Erwärmung auch in Deutschland fortsetzen und die Anzahl an Hitzewellen steigen.
Die Brisanz der steten Erwärmung zeigt sich angesichts des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Zunahme der Zahl älterer Menschen und somit der Risikogruppe für hitzebedingte Erkrankungen in Deutschland in besonderem Maße. Die Fähigkeit zur Selbstkühlung durch Schwitzen nimmt mit steigendem Alter ab, gleichzeitig verringert sich das Durstempfinden. Dies führt dazu, dass sich an heißen Tagen der Körper auf ein gefährliches Niveau erhitzen kann. Doch nicht nur ältere Menschen zählen zu den Risikogruppen. Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, Wohnungslose, ältere und alleinlebende Menschen, Säuglinge und Kleinkinder, Personen die im Freien körperlich arbeiten sowie armutsbetroffene Menschen sind von langanhaltenden hohen Temperaturen über 30 Grad Celsius ebenfalls stärker gefährdet und schutzbedürftig.
Auch das Gesundheitswesen ist an Hitzetagen stark gefordert, Krankenhauseinweisungen nehmen zu und das bereits durch die unzulänglichen Arbeitsbedingungen und knappe personelle Kapazitäten belastete Personal im ambulanten als auch im stationären Bereich sieht sich einer Doppelbelastung ausgesetzt – es spürt die Auswirkungen der Hitze unmittelbar am eigenen Körper und muss gleichzeitig die Patient*innen vor Hitzebelastungen schützen. Das Personal in Einrichtungen der Pflege, der Kindertagesbetreuung, der Eingliederungshilfe und Rehabilitation erlebt Jahr für Jahr die Auswirkungen von Hitze im Arbeitsalltag und setzt unter den gegebenen Umständen an heißen Tagen vielfältige Maßnahmen zum Schutze der Patient*innen und Klient*innen durch. Die Versorgung mit ausreichend Flüssigkeit, Verdunklung von Aufenthaltsräumen und Überprüfung der Medikation zählen beispielsweise zu Standardaktivitäten der Pflege in Hitzeperioden. Um soziale Einrichtungen bei zukünftigen Hitzewellen zu unterstützen, bedarf es der Bereitstellung von festen Ansprechpersonen auf kommunaler Ebene bei Notfallsituationen sowie ausreichender finanzieller Mittel, um investive Maßnahmen im Bereich des Hitzeschutzes tätigen zu können. Ferner sind Arbeitsschutzmaßnahmen für Mitarbeitende bei Hitzeperioden gezielt in den Blick zu nehmen.
Systematischer Hitzeschutz auf allen Ebenen
Um die Bevölkerung und vor allem vulnerable Personengruppen zu schützen, bedarf es bundesweiter Koordinierungsstellen und Hitzeaktionspläne auf Landes- und kommunaler Ebene. Städte heizen sich aufgrund der höheren Bebauungsdichte und einer Vielzahl an versiegelten Flächen sowie geringerer Grünflächen im Sommer stärker auf und speichern die Wärme länger, sodass die Temperaturen auch nachts weniger stark abfallen als in ländlichen Gegenden (Wärmeinseleffekt). Daher werden insbesondere in Städten Hitzeschutzkonzepte zum Schutze der Einwohner*innen benötigt.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen legte im Januar 2023 ein Gutachten zur "Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen" vor, in dem der Rat anmahnt, dass Hitzeschutzmaßnahmen gesetzlich verankert werden sollten. Weiter führt er aus, dass durch wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen zukünftigen extremen Hitzeereignissen entgegengewirkt werden sollte – eine entsprechende Förderung von Projekten zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks im Gesundheitsbereich wird empfohlen.
Handlungsempfehlungen zur Erstellung von Hitzeaktionsplänen
Mit Blick auf den Hitzerekordsommer von 2003 formulierte die Weltgesundheitsorganisation 2008 einen Leitfaden zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen. Um sich gegen zukünftige Hitzeereignisse besser zu wappnen und den Empfehlungen der WHO nachzukommen, veröffentlichte die Bund/Länder Ad-Hoc Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ (GAK) 2017 Empfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit.
Die Handlungsempfehlungen fußen auf acht Kernelementen: (1) zentrale Koordinierung und interdisziplinäre Zusammenarbeit, (2) Nutzung eines Hitzewarnsystems, (3) Information und Kommunikation, (4) Reduzierung von Hitze in Innenräumen, (5) besondere Beachtung von Risikogruppen, (6) Vorbereitung der Gesundheits- und Sozialsysteme, (7) langfristige Stadtplanung und Bauwesen sowie (8) Monitoring und Evaluation der Maßnahmen.
Die GAK empfiehlt die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle in jedem Bundesland. Diese koordiniert die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den relevanten behördlichen und gesundheitlichen Einrichtungen vor und während einer Hitzeperiode. Als Ausgangspunkt für die Initiierung von Hitzeschutzaktivitäten wird das Hitzewarnsystems des Deutschen Wetterdienstes (DWD) empfohlen. Dieses nimmt eine Differenzierung in zwei Warnstufen vor. Bei der ersten Warnstufe liegt die gefühlte Temperatur über zwei Tage in Folge bei über 32 Grad Celsius und eine nächtliche Abkühlung erfolgt lediglich in einem geringfügigen Maß. Wird diese ausgerufen, sollen die entsprechenden Maßnahmen über die im Hitzeaktionsplan definierte Kommunikationskaskade an die Akteure vor Ort kommuniziert und umgesetzt werden. Bei der zweiten Warnstufe liegt die gefühlte Temperatur über 38 Grad Celsius am frühen Nachmittag – eine entsprechende Warnung über die Gefahren und Empfehlungen zum Umgang mit der großen Hitzebelastung sollte bei dieser Warnstufe über Massenmedien, wie Rundfunk und Fernsehen, herausgeben werden. In Bezug auf langfristige Hitzeschutzinvestitionen werden Maßnahmen im Bereich der Stadtplanung beschrieben. Zudem sieht die GAK vor, ein Monitoring und eine Evaluation der Hitzeschutzmaßnahmen vorzunehmen, um auf der Grundlage von erhobenen Daten Anpassungen und Weiterentwicklungen des Hitzeaktionsplans und der darin formulierten Maßnahmen vornehmen zu können.
Umsetzung von Hitzeaktionspläne in Deutschland
Das Thema Hitze gewinnt zusehends an Aufmerksamkeit. So geht Hessen mit einem bereits etablierten Hitzeaktionsplan voran. Auch das Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin, bei dem auch der Paritätische Landesverband Berlin vertreten ist, ergreift Initiative, um zu sensibilisieren und entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Weitere Hitzeaktionspläne und Initiativen im Themenfeld sind auf den Themenseiten Klima-Mensch-Gesundheit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung abgebildet.
Mit den Erfahrungen der extremen Hitzeereignisse der letzten Jahre wird das Bewusstsein für einen dringenden Handlungsbedarf zwar geschärft und dieser zuletzt auch öffentlich und politisch zunehmend wahrgenommen, dennoch ist ein starker Entwicklungsbedarf im Kontext Hitzeschutz zu verzeichnen. Der 2021 veröffentlichte Lancet Countdown Policy Brief für Deutschland bringt hervor, dass trotz der weiten Verbreitung des Wissens über die Handlungsempfehlungen zur Entwicklung von Hitzeaktionsplänen der GAK eine geringfügige Umsetzung zu beklagen ist und bemängelt, dass zentrale gesundheitliche Akteure nur unzureichend in die Entwicklung von kommunalen Hitzeaktionsplänen einbezogen werden. Überdies wird in dem Review die schleppende Reduktion des CO2-Fußabdrucks des deutschen Gesundheitssektors kritisiert.
Für eine sozial-ökologische Zukunft
Der PARITÄTISCHE möchte seine Mitglieder bei der Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen unterstützen und mahnt gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen an, für Klimagerechtigkeit zu sorgen und neben Maßnahmen zum Klimaschutz ebenfalls Vorhaben zur Klimaanpassung zu fördern.
Ziel einer sozial-ökologischen Wende ist es, allen Menschen in Deutschland ein klimafreundliches und gesundheitsförderndes Leben zu ermöglichen sowie soziale Ungleichheit abzubauen.
- Investitionsbedarfe aufgrund von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen werden steigen und müssen durch soziale, solidarische und gerechte haushalts- und steuerpolitische Maßnahmen gefördert werden.
- Die politischen Rahmenbedingungen sollten so gesetzt werden, dass gemeinnützige soziale Organisationen in die Lage versetzt werden, entsprechende Maßnahmen umsetzen zu können.
- Hierfür braucht es unbürokratische und zuverlässige Förderprogramme mit möglichst geringen Eigenanteilen.
- Darüber hinaus sollten Ausgaben für Klimaschutz- und Klimaanpassung sowie für ökologisch geschultes Personal über die Regelfinanzierung abgedeckt werden.
Des Weiteren fordert der Paritätische in seiner Grundsatzposition für eine sozial-ökologische Zukunft, dass die Armuts- und Sozialpolitik so ausgestaltet wird, dass alle Menschen in Deutschland sich vor den Auswirkungen des Klimawandels ausreichend schützen können.
Ferner sollen in der Bildungspolitik Kenntnisse zum Klimaschutz und zur Stärkung der Resilienz der Gesellschaft gegenüber Klimafolgen vermittelt werden.
Der Deutsche PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband und seine Mitgliedsorganisationen setzen sich für eine ökologische nachhaltige Gesellschaft ein und tätigen bereits wichtige Schritte zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung.
Beispielsweise führt der PARIRÄRISCHE das Projekt "Klimaschutz in der Sozialen Arbeit stärken" durch. Im Rahmen des dreijährigen Projekts begleitet der Paritätische 67 Mitgliedsorganisationen mit jeweils einer Einrichtung dabei, ihren CO2-Fußabdruck zu analysieren, Möglichkeiten des betriebsinternen Klimaschutzes zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Projekt wird in Baden-Württemberg ermöglicht durch die Förderung der GlücksSpirale.
Außerdem möchte der Paritätische in dem von der Glückspirale geförderten Kurzprojekt „Klima und Gesundheit: Hitzeschutz in sozialen Einrichtungen und Diensten stärken“ einen Beitrag zur Stärkung des Hitzeschutzes leisten und Mitgliedsorganisationen für die Thematik sensibilisieren sowie Wege aufzeigen, wie in unterschiedlichen Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege Risikominderungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden können. Auch sollen Vernetzungsmöglichkeiten im Rahmen des Projekts entstehen und weitere Handlungsbedarfe in den jeweiligen Handlungsfeldern identifiziert werden.