Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts

Fachinformation - geschrieben am 19.03.2024 - 15:19

Das Bundesministerium der Justiz hat Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts vorgelegt. Ziel der Reform ist es, bestehende Benachteiligungen z.B. gleichgeschlechtlicher Familien zu beseitigen. Kinder, die in eine Partnerschaft zweier Frauen hineingeboren werden, sollen nicht schlechter gestellt werden als Kinder, die in eine Partnerschaft einer Frau und einem Mann hineingeboren werden.

Es geht auch darum, das Recht an die gelebte Wirklichkeit anzupassen, Familien und Kindern Rechtssicherheit zu geben und Gleichberechtigung für alle Familienformen umzusetzen. Das Bundesministerium der Justiz betont dabei, dass das Wohl des Kindes bei allen Überlegungen im Vordergrund steht.

Zu den Eckpunkten wurden zahlreiche Stellungnahmen veröffentlicht. Unten im Downloadbereich finden Sie die Stellungnahme des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zu den Eckpunkten. Der Deutsche Verein begrüßt, dass das BMJ zunächst ein Eckpunktepapier vorlegt, zu dem die Verbände Stellung nehmen können.

Zusammenfassung der Eckpunkte zum Abstammungsrecht:

Worum geht es?
Das Abstammungsrecht bestimmt, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind. Es soll in verschiedener Hinsicht fortentwickelt werden: Kinder- und Elterninteressen werden dabei gleichermaßen in den Blick genommen.

Warum ist die Reform notwendig?
Das Familienleben ist heute vielfältiger als noch vor einigen Jahrzehnten. Das geltende Abstammungsrecht ist darauf nicht gut eingestellt. Es hinkt der Lebensrealität vieler Menschen hinterher. So behandelt das geltende Abstammungsrecht verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Ehen noch immer unterschiedlich – ohne dass es dafür eine überzeugende Rechtfertigung gibt.
Auch fehlen passende Rechtsregeln für den Umgang mit privaten Samenspenden. Darüber hinaus macht es das geltende Recht dem Kind zum Teil unnötig schwer, sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu verwirklichen. Und in manchen Fällen ist auch die Rechtsposition des leiblichen Vaters, der rechtlicher Vater des Kindes werden möchte, zu schwach ausgestaltet.
 

Bewährte Grundsätze des geltenden Rechts bleiben erhalten:

Zwei-Eltern-Prinzip: Auch künftig soll ein Kind nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben können.

Mutterschaft der Geburtsmutter: Die Frau, die das Kind geboren hat, soll auch künftig stets rechtliche Mutter des Kindes sein.

Wege zur Vaterschaft: Rechtlicher Vater soll auch künftig sein, (1) wer bei Geburt mit der Mutter verheiratet ist, (2) wer die Vaterschaft anerkennt oder (3) wessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist.

Die wichtigsten geplanten Neuerungen

Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren:

Wenn ein Kind in eine Partnerschaft zweier Frauen geboren wird, soll die Partnerin der Frau, die das Kind geboren hat, auch ohne Adoptionsverfahren Mutter des Kinds werden können. Für sie soll insoweit das Gleiche gelten wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren für den männlichen Partner. Derzeit gilt: Rechtliche Mutter des Kindes ist zunächst nur die Frau, die das Kind geboren
hat. Will ihre Partnerin auch rechtliche Mutter des Kindes werden, muss sie das Kind adoptieren. Dieser Umweg über das Adoptionsrecht setzt eine Eignungsprüfung im privaten Umfeld der Adoptivmutter voraus, hat eine längere Rechtsunsicherheit zur Folge und ist für die Betroffenen kostenintensiv und mühevoll. Künftig soll gelten: Mutter des Kindes soll neben der Frau, die das Kind geboren hat, auch die Frau sein, (1) die im Zeitpunkt der Geburt mit der Geburtsmutter verheiratet ist oder (2) die die Mutterschaft anerkennt.

Elternschaftsvereinbarungen:

Vor Zeugung eines Kindes soll vereinbart werden können, wer neben der Frau, die das Kind geboren hat, Vater oder Mutter eines Kindes werden soll. Dadurch soll insbesondere auch bei privaten Samenspenden (sog. Becherspenden) frühzeitig eine rechtssichere Eltern-Kind-Zuordnung ermöglicht werden. Durch die Vereinbarung sollen die Beteiligten vorab verbindlich bestimmen können, ob der leibliche Vater oder der Partner/die Partnerin der Geburtsmutter rechtlicher Elternteil des Kindes werden soll. Die Vereinbarung soll eine öffentliche Beurkundung voraussetzen; das entspricht ihrer Bedeutung für Eltern und Kind. Sie kann mit einer Vereinbarung über Sorge und Umgang verknüpft werden; das ermöglicht etwa dem leiblichen Vater, an der Erziehung des Kindes teilzuhaben, ohne selbst rechtlicher Vater zu sein.

Stärkung der Rechtsposition des leiblichen Vaters:

Ein leiblicher Vater, der als rechtlicher Vater Verantwortung für sein Kind übernehmen will, soll in seiner Rechtsposition gestärkt werden. (1) Solange ein gerichtliches Verfahren läuft, in dem ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können (Sperrwirkung eines anhängigen Feststellungsverfahrens).
(2) Wer glaubt, leiblicher Vater zu sein, soll die Vaterschaft eines anderen Mannes künftig auch anfechten können, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem anderen Mann besteht: Anders als derzeit soll eine sozial-familiäre Beziehung die Anfechtung nicht kategorisch ausschließen. Vielmehr soll das Gericht in so einem Fall künftig im Einzelfall prüfen, ob das Interesse an der Anfechtung der Vaterschaft das Interesse an dem Fortbestand der bisherigen Vaterschaft überwiegt. Im Zweifel hat der Bestand der bestehenden und gelebten Vater-Kind-Beziehung Vorrang.
(3) Erwartet eine verheiratete Frau ein Kind von einem anderen Mann als ihrem Ehemann (z.B. von ihrem neuen Lebensgefährten), soll der andere Mann künftig rechtlicher Vater werden können, wenn die Mutter und ihr Ehemann einverstanden sind: Der leibliche Vater soll die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter und ihres Ehemannes bis spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennen können, ohne dass ein Anfechtungsverfahren durchzuführen ist. Anders als nach geltendem Recht soll es dazu nicht mehr zwingend einer Scheidung bedürfen.

Stärkung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung:

Kinder sollen es künftig einfacher haben, ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu verwirklichen. (1) Es soll ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren eingeführt werden: Künftig
soll es möglich sein, durch gerichtlichen Beschluss feststellen zu lassen, ob eine Person leiblicher Vater (oder leibliche Mutter) eines Kindes ist – ohne dass sich zugleich die rechtliche Elternschaft ändert; das Verfahren wird gleichrangig neben den Statusverfahren (Anfechtung bzw. Feststellung der rechtlichen Vaterschaft) zugänglich sein. Ein Kind kann so feststellen lassen, ob es leiblich von einem bestimmen Mann abstammt, ohne dafür die rechtliche Bindung zu seinem rechtlichen Vater kappen zu müssen. (2) Das Samenspenderregister soll ausgebaut werden zu einem allgemeinen Spenderregister: Neben offiziellen Samenspenden (also Samenspenden aus einer Samenbank) sollen dort auch private Samenspenden und Embryonenspenden erfasst werden können.

Wie geht es weiter:

Das Eckpunktepapier wird als Eckpunktepapier des BMJ öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Auf der Grundlage der Rückmeldungen wird das BMJ einen Gesetzentwurf erarbeiten und im ersten Halbjahr 2024 vorlegen.

Quelle: Bundesministerium für Justiz

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