Paritätischer Regionalverbund Südbaden fordert mehr öffentliche Aufmerksamkeit für unsichtbare Erkrankungen und Behinderungen
Freiburg i.Br./Bad Krozingen 18.10.2024 Schätzungsweise siebzig bis achtzig Prozent aller Beeinträchtigungen sind nicht sichtbar oder sofort erkennbar. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von körperlichen und geistigen Erkrankungen wie Legasthenie, Autismus, Tinnitus, chronische Schmerzen, Depressionen, Traumata, Angstzustände, Migräne aber auch Autoimmunerkrankungen oder Erkrankungen der Sinnesorgane. Zum Tag für Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen (20.10.) fordert der Paritätische Regionalverbund Südbaden mehr öffentliche Aufmerksamkeit, eine verstärkte Sensibilität und ein wachsendes Bewusstsein für Menschen mit einer unsichtbaren Behinderung oder Erkrankung in unserer Gesellschaft.
„Menschen mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung, die äußerlich nicht sofort erkennbar ist, stoßen häufig auf Unverständnis, was ihre Beeinträchtigungen betrifft. Es ist an der Zeit, dass die Betroffenen in gleicher Weise ernst genommen und mehr Verständnis für ihre Bedarfe entwickelt werden“, betont Annika Beutel, Leiterin des Paritätischen Regionalverbunds Südbaden. Ein konkretes Beispiel liefert Fabian Hatwagner, Vorsitzender von Barrierefreie Kommunikation e. V: "Gehörlose Menschen kommen oft in Bedrängnis, weil sie nicht reagieren. Sei es auf Ansprache von Hinten, auf Hupen oder Fahrradklingeln. Sie erleben dann oft Unverständnis und Angriffe".
Es brauche laut Beutel auch gesellschaftlich ein stärkeres Bewusstsein darüber, vor welchen Herausforderungen diese Menschen tagtäglich stehen und mehr Rücksichtnahme und Verständnis im Umgang. „Häufig werden sie mit Vorurteilen gegenüber ihrer Beeinträchtigung konfrontiert. Nur durch Empathie und Offenheit können wir ein besseres Miteinander schaffen, in dem jeder Mensch, unabhängig von seinen individuellen Bedürfnissen, die Unterstützung und Akzeptanz erhält, die er verdient. Das würde den Einzelnen auch ermutigen, offen mit seinen Beeinträchtigungen umzugehen und sich nicht mehr ständig rechtfertigen und erklären zu müssen. Bei den Bemühungen um Inklusion und Barrierefreiheit müssen die Belange dieser Menschen noch viel mehr zu berücksichtigen. Dazu benötigen sie auch politisch eine Stimme, indem sie beispielsweise in Entscheidungsgremien vertreten sind“, so Beutel.
„Die Anzahl von Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigung nimmt ständig zu. Das wird an den vielen Neugründungen von Selbsthilfegruppen für nicht sichtbare Erkrankungen wie Autismus, ADHS, Hochsensibilität, ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome), Post-COVID, Depression, Lupus, Posttraumatische Belastungsstörung oder Hashimoto-Thyreoiditis deutlich. Als Selbsthilfebüro ist es uns wichtig, speziell diese Gruppen sichtbar zu machen und auf die besonderen Erkrankungen aufmerksam zu machen und dafür zu sensibilisieren“, erklärt Sonja Sobotta, Mitarbeiterin des Selbsthilfebüros Freiburg/ Breisgau-Hochschwarzwald des Paritätischen Südbaden. “Die Betroffenen erleben oft Stress, es kommt schneller zu Missverständnissen, den Menschen wird nicht geglaubt und sie müssen sich ständig rechtfertigen und erklären, was sehr anstrengend sein kann. Es ist gesellschaftlich wichtig, auch hier Zusammenhalt zu zeigen und Betroffenen das Gefühl geben dass sie nicht alleine sind und dass sie ernst genommen werden“, so Sobotta.
„Brauchen wir als Gesellschaft das Streben nach schneller, höher, weiter?“, gibt Norbert Köthnig, Geschäftsführer der Lebenshilfe Breisgau und Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Kreisverbands Emmendingen, zu bedenken. Im Cap Markt Bad Krozingen wird es am Samstag, 19.10.2024 die sogenannte „Stille Stunde“ – eine spezielle Einkaufszeit ohne sensorische Reize - zu Gunsten des Tags der unsichtbaren Beeinträchtigungen geben. In der Zeit von 15-17 Uhr wird die Musik ausgestellt und auf laute Durchsagen verzichtet, um eine möglichst ruhige Einkaufsatmosphäre anzubieten. „Für Menschen im Autismus-Spektrum, hochsensible Personen und Menschen mit Nervenkrankheiten aber auch vielen anderen Menschen mit Problemen mit Reizüberflutung kann eine 'Stille Stunde' eine willkommene Erleichterung sein", so Köthnig. Die Cap Märkte hätten sich als erstes Unternehmen in Deutschland dazu entschlossen, mit der wöchentlichen Stillen Stunde an allen Standorten flächendeckend zu handeln und ein Zeichen für Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen zu setzen, um mehr Inklusion und gleichzeitig entspanntes Einkaufen zu ermöglichen.
Pressekontakt:
Annika Beutel, Paritätische Regionalleitung Südbaden, beutel@paritaet-bw.de, Mobil: 0176 56923801
Fabian Hatwagner, Vorstandsvorsitzender Barrierefreie Kommunikation e. V., f.hatwagner@bfk.one
Sonja Sobotta, Paritätisches Selbsthilfebüro Freiburg/Breisgau-Hochschwarzwald, sobotta@paritaet-bw.de
Norbert Köthnig, Geschäftsführer der Lebenshilfe Breisgau und Vorsitzender des Paritätischen Kreisverbands Emmendingen, koethnig@lebenshilfe-breisgau.de