Pflegefamilien sind für unbegleitete minderjährige Ausländer wichtig

Ein Mann, eine Frau und ein junger mann stehen nebeneinander

30.10.2025 Bodenseekreis In Baden-Württemberg leben ca. 4.700 unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) (Stichtag 30.06.2025). In Pflegefamilien waren im Jahr 2023 ca. 300 der jungen Geflüchteten untergebracht (Quelle: KVJS-Landesjugendamt). Pflegefamilien geben diesen Kindern und Jugendlichen ein Zuhause, Schutz und Geborgenheit und helfen dabei, dass die jungen Menschen schneller bei uns ankommen. Durch das familiäre Umfeld können sie die deutsche Sprache schneller erlernen und finden Unterstützung beim Einstieg in Schule und Beruf. 

„Jugendliche, die alleine auf sich gestellt ohne elterliche Begleitung aus einem fremden Land nach oft langer, beschwerlicher Fluchtzeit zu uns kommen, sind häufig innerlich stark verunsichert, zeigen Erschöpfungssymptome und benötigen Zeit, sich auf die Gegebenheiten im neuen Land und die Menschen einzulassen. Eine Pflegefamilie muss sich den Anforderungen eines Stabilisierungsprozesses gewachsen fühlen, Geduld haben, um Vertrauen wachsen lassen zu können, sowie kulturelle und zwischenmenschliche Abgleichungsabstimmungen auffangen können“, betont Werner Nuber, stellv. Geschäftsführer von Arkade e.V.. Um dies gelingend gestaltet zu bekommen, benötigten Gast-/Pflegefamilien und die unbegleiteten minderjährigen Ausländer eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung. Und was man nicht vergessen dürfe: Integration ist keine Einbahnstraße. Sie gelinge nur, wenn auch die Gesellschaft bereit sei, Raum zu geben. „Gast-/Pflegefamilien nehmen dabei eine ganz besondere Rolle ein – sie leben Integration jeden Tag, ganz praktisch und auf eine Weise, die im Alltag oft unsichtbar bleibt“, so Nuber. 

„Wenn eine Gastfamilie einen jungen Menschen bei sich aufnimmt, der aus einer ganz anderen Lebensrealität kommt, bedeutet dies für alle Beteiligten eine große Veränderung. Es sind im Grunde zwei Familien, zwei Welten, die da Stück für Stück zusammenwachsen – und das gelingt nicht ohne Reibung. Genau da sehe ich meine Aufgabe: zu begleiten, zu vermitteln, zu moderieren, wenn es schwierig wird, und zu helfen, dass man sich gegenseitig versteht. Es geht für mich immer darum, die Perspektiven aller im Blick zu behalten – die des Jugendlichen genauso wie die der Familie. Ich erlebe oft, dass gerade diese Offenheit, dieses gemeinsame Lernen voneinander, zu einer unglaublichen Bereicherung für beide Seiten wird. In diesem Fall war die Passung einfach besonders gut, man hat richtig gespürt, wie Vertrauen und Zugehörigkeit gewachsen sind“, sagt Daniela Hänle-Kroh, Mitarbeiterin bei Arkade e.V. und Begleitung der Familie Gerdes.

„Wir sind Pflegeeltern. Wir möchten den Jugendlichen Halt und Sicherheit und das Gefühl der Liebe geben. Unsere Intention ist es, dass unsere Kinder sich wohlfühlen und Fehler machen dürfen, an denen sie wachsen und Selbsterfahrung machen können. In Zusammenarbeit mit Arkade Jumega durften auch wir in den vielen Jahren wachsen und lernen. Das größte Geschenk ist es, wenn die Kinder erwachsen werden und glücklich sind“, betonen die Pflegeeltern Cornelia und Hans-Peter Gerdes.

„Unbegleitete minderjährige Ausländer, kurz UMA, sind Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach Deutschland fliehen mussten. Sie sind besonders verletzlich und brauchen deshalb Schutz, verlässliche Unterstützung und vor allem brauchen sie eine Zukunftsperspektive. Zu dieser gehören sichere Bleibeperspektiven, die Stabilität, Planbarkeit und gute Zugänge zu Schule und Arbeit erlauben. Eine große Chance liegt hier in der familiären Unterbringung bei Gast- oder Pflegefamilien. Diese bieten jungen Menschen Geborgenheit, Struktur und Förderung“, betont Katerina Peros-Selim, Referentin für Migration beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte erneut ausgesetzt habe, werde die Aufnahme in einer Pflegefamilie noch relevanter. Junge Geflüchtete erlebten ohnehin die die Aussetzung des Familiennachzugs als politische Abweisung, als tiefe Erfahrung von Verlassenheit, Perspektivlosigkeit und Ohnmacht, verbunden mit einer großen Angst, ihre engsten Angehörigen nicht zeitnah oder gar jemals wiederzusehen. Für Pflegefamilien und pädagogische Fachkräfte bedeutete es eine zusätzliche Herausforderung, die jungen Menschen unter diesen Umständen aufzufangen und Hoffnung auf eine sichere Zukunft zu geben, so Peros-Selim.  

Pressekontakt: Arkade e.V., Werner Nuber, stellv. Geschäftsführer, Tel.: 0160 90561552, E-Mail: Werner.Nuber@arkade-ev.dewww.arkade-ev.dewww.jumega.dewww.jumega-rv.de 

Hintergrundinformationen:

Junge Menschen in Gastfamilien - JuMeGa® - ARKADE e.V. 

Junge Menschen in Gastfamilien – JuMeGa® – vermittelt Jugendliche mit verschiedensten psychischen Belastungen in Gastfamilien. Die Jugendlichen und ihre Gastfamilien werden intensiv von einem Team pädagogischer Fachkräfte begleitet. Angesprochen sind junge Menschen, die in einer Jugendhilfemaßnahme gescheitert sind, deren leibliche Eltern mit der Erziehungsaufgabe nachhaltig überfordert sind, die von seelischer Behinderung bedroht oder betroffen sind und unter diesen Belastungen leiden.
Die konkreten Probleme und Belastungen der jungen Menschen können sehr vielfältig sein: Ängste, Probleme in sozialen Beziehungen, Verwahrlosungstendenzen, Schulverweigerung, depressive und selbstzerstörerische Tendenzen, Essstörungen, psychotische Störungen, Erfahrung mit Suchtmitteln und sonstige Besonderheiten. Weitere Infos unter www.arkade-ev.de

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg ist einer der sechs anerkannten Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Er ist konfessionell, weltanschaulich und parteipolitisch unabhängig. Er steht für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe und wendet sich gegen jegliche Form sozialer Ausgrenzung. Ihm sind in Baden-Württemberg über 940 selbständige Mitgliedsorganisationen mit insgesamt rund 2000 sozialen Diensten und Einrichtungen angeschlossen sowie rund 50.000 freiwillig Engagierte und 80.000 Hauptamtliche. Weitere Infos unter www.paritaet-bw.de