Stuttgart 11.08.2025 Ein ständig steigender Bedarf an Angeboten für Kinder und Jugendliche, aber zu wenig finanzielle Fördermittel: Das ist die Lage der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg. Anlässlich des Internationalen Tags der Jugend (12.08.) fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg und Jugendhilfeeinrichtungen eine sichere, auskömmliche und flächendeckende Finanzierung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die drastische Unterfinanzierung führe dazu, Angebote einzuschränken und Elternbeiträge zu erhöhen. Das treffe genau die jungen Menschen besonders hart, die im Alltag ohnehin wenig Unterstützung erfahren und sich in Jugendhäusern und –treffs, auf Aktivspielplätzen oder Jugendfarmen frei und selbstbestimmt entfalten und Kompetenzen zur Persönlichkeitsentwicklung erwerben könnten, so die Verbände.
Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg fordert:
„Die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit bieten jungen Menschen - abseits von Schule und Elternhaus - vielfältige Möglichkeiten, Spaß zu haben, mitzureden und zu erfahren, wie es ist, Verantwortung zu übernehmen. Sie lernen dort, unterschiedliche Meinungen auszuhalten, Konflikte friedlich zu lösen und Toleranz und Empathie zu zeigen. Projekte, Diskussionen und politische Bildung regen dazu an, sich eine eigene Meinung zu bilden und kritisch mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Das alles stärkt das Demokratieverständnis der Jugendlichen und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb ist es auch in Zeiten äußerst knapper Haushaltskassen dringend erforderlich, die Offene Kinder- und Jugendarbeit dauerhaft, sicher und auskömmlich zu finanzieren. Denn alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land sollten unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die gleichen Chancen haben, bestmöglich aufzuwachsen und ihre Persönlichkeit zu entwickeln.“
Andreas Germann, Vorstand Kinder- und Jugendzirkus Zirkus Zambaioni e.V., Tübingen beklagt:
"Trotz großen ehrenamtlichen Engagements ist Kinder- und Jugendarbeit auf öffentliche Zuschüsse angewiesen. Inflation und Tarifanpassungen der letzten Jahre mussten wir komplett selbst finanzieren, da kommunale Zuschüsse seit vielen Jahren nicht gestiegen sind. Wenn diese jetzt auch noch gekürzt werden, können wir das nicht ausgleichen und müssen die Elternbeiträge weiter erhöhen! Damit hängt es zunehmend vom Geldbeutel ab, ob Kinder und Jugendliche an Angeboten der Jugendarbeit teilnehmen können."
Mathis Heidger, Sozialpädagoge im Bereich Offene Kinder- und Jugendarbeit bei der Stiftung Lernen Fördern Arbeiten, Rottweil bekräftigt:
„Offene Kinder- und Jugendarbeit ist der einzige Bildungs- und Begegnungsort, den junge Menschen freiwillig, ohne Leistungsdruck und unabhängig von ihrer Herkunft nutzen können. Sie schafft Raum für echte Mitbestimmung, stärkt soziale Teilhabe und begleitet auf Augenhöhe. Kinder- und Jugendarbeit erkennt Kinder und Jugendliche als Gestalter*innen ihrer Lebenswelt an – und macht Demokratie im Alltag erlebbar.“
Martina Hocke, Dipl. Sozialpädagogin bei Tritta* – Verein für feministische Jugendarbeit e.V., Freiburg lobt:
„Wir freuen uns, dass der Gemeinderat ab 2025 die Zuschüsse für unsere Einrichtungen sogar erhöhen kann. Die Arbeit mit psychisch stärker belasteten Mädchen wird komplexer: Wir arbeiten inklusiver, beziehen trans, inter und nicht-binäre Kinder- und Jugendliche ein und setzen das Schutzkonzept um. Trotz allgemeiner Kürzungen setzt die Stadt Freiburg damit ein wichtiges Zeichen für Geschlechtergerechtigkeit in der Jugendhilfe.“
Pressekontakte:
Tritta e. V. in Freiburg i.Br., Martina Hocke, Tel. 0761 – 29 27 508, E-Mail: info@tritta-freiburg.de, www.tritta-freiburg.de
Zirkus Zambaioni e.V. in Tübingen, Gaby Müller, mobil: 01578 8761636, E-Mail: gaby.mueller@zambaioni.de, www.zambaioni.de
Stiftung Lernen Fördern Arbeiten in Rottweil, Mathis Heidger, Integrationsmanagement & offene Jugendarbeit – Gemeinde Deißlingen, mobil: 01515 8219689, E-Mail: M.Heidger@lfa.org, www.lfa.de
Hintergrundinformationen:
Offene Kinder- und Jugendarbeit
Die Offene Kinder- und Jugendarbeit spielt auch bei der Demokratiebildung junger Menschen eine bedeutende Rolle. Denn sie bietet bezüglich ihres pädagogischen Grundverständnisses und von ihrer Ausgestaltung her sehr viele Möglichkeiten für junge Menschen, wichtige persönlichkeitsbildende Erfahrungen im Rahmen demokratischer Prozesse zu sammeln. Sie baut auf folgenden Prinzipien auf: Partizipation, Mitbestimmung, Respekt und Toleranz, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenzen, praxisnahes Lernen, Inklusion, Vertrauen in die Gesellschaft und demokratische Prozesse, Prävention gegen die Anfälligkeit für Verschwörungsideen und -erzählungen, Räume zum Ausprobieren und Gestalten in einem geschützten Rahmen, Demokratie an der Basis und Augenhöhe mit den pädagogischen Fachkräften.
Die Finanzierung läuft vor allem über kommunale Mittel, Landesmittel für Förderprogramme (Projekte zur Demokratiebildung, Inklusion, u.a.) sowie Bundesmittel für Bundesprogramme (Demokratie leben, Kultur macht stark, u.a.).
Angesichts zahlreicher nationaler und internationaler Krisen wie dem Krieg in der Ukraine, der Klimakrise, wirtschaftlicher Unsicherheit und gesellschaftlicher Polarisierung sind Kinder und Jugendliche zunehmend mit Zukunftsängsten konfrontiert. Umso wichtiger ist es, die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit finanziell nicht zu schwächen, sondern zu stärken.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg ist einer der sechs anerkannten Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Er ist konfessionell, weltanschaulich und parteipolitisch unabhängig. Er steht für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe und wendet sich gegen jegliche Form sozialer Ausgrenzung. Ihm sind in Baden-Württemberg über 940 selbständige Mitgliedsorganisationen mit insgesamt rund 2000 sozialen Diensten und Einrichtungen angeschlossen sowie rund 50.000 freiwillig Engagierte und 80.000 Hauptamtliche. Weitere Infos unter www.paritaet-bw.de