Stuttgart 25.05.2020 In Baden-Württemberg sind nach dem „Schuldneratlas 2019“ knapp 750.000 Menschen überschuldet. Viele davon sind Familien mit Kindern. Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg fordert zur landesweiten „Aktionswoche Schuldnerberatung“ existenzsichernde Sozialleistungen sowie eine Kindergrundsicherung zum Schutz vor Armut trotz Überschuldung. Notwendig seien ein allgemeinverbindlicher Rechtsanspruch auf kostenlose Schuldnerberatung sowie der bedarfsgerechte Ausbau und eine gesicherte Finanzierung, so der Verband.
„Die finanzielle Notlage überschuldeter Eltern beeinträchtigt die Lebenssituation von Kindern erheblich. Das Familienleben dreht sich vor allem um die Sorge, ob die nächste offene Rechnung bezahlt werden kann und das Geld ausreicht, um Miete, Lebensmittel und andere Geldforderungen zu begleichen. Da kommen die Kinder häufig zu kurz“, betont Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. Aber den Kindern fehle es nicht nur an Geld. Arm sein bedeute oft auch, ausgeschlossen zu sein. „Chancengerechtigkeit und Bildungserfolg hängen leider immer noch eng mit der finanziellen Situation von Familien zusammen. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, die an ein realistisch berechnetes kindliches Existenzminimum gekoppelt ist und Bildung und Teilhabe ermöglicht,“ ergänzt Wolfgramm. In der neuen Leistung könnten Kindergeld, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket sowie Kinderfreibetrag zusammenfließen und würden nebenbei erheblich zum Bürokratieabbau beitragen.
Die aktuelle Corona Krise verschärfe die Situation überschuldeter Menschen. So sei der Schutz vor Pfändungen und die Beantragung von Sozialleistungen oder anderen Hilfen aktuell deutlich erschwert. Aber schon vor Corona sei der Zugang zu kostenfreier Schuldnerberatung nicht für alle Menschen möglich gewesen. Wolfgramm fordert daher umfassende Reformen. „Wir brauchen einen verbindlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung für alle.“
Hintergrundinformationen
Knapp 6,9 Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet. Alleine in Baden-Württemberg ist jede zwölfte Person betroffen, darunter auch viele Familien mit Kindern. Eine der Hauptursache für die Ver- und Überschuldung ist der Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundene Einkommensrückgang.
Insgesamt sind in Baden-Württemberg rund 1,6 Millionen Menschen von Armut betroffen davon sind ca. 325.000 Kinder und Jugendliche. Als armutsgefährdet gelten Kinder, die in einem Haushalt leben, der über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens verfügen kann oder vom Staat eine Grundsicherung erhält.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit seiner Entscheidung vom 13.07.2010 klargestellt, dass Menschen, die keine (ergänzenden) Leistungen nach dem SGB II erhalten, die Kosten für die Schuldnerberatung selbst tragen müssen. In der Praxis hat dieses Urteil dazu geführt, dass in einer großen Anzahl von Kommunen erwerbstätige überschuldete Personen keinen offenen und niedrigschwelligen Zugang zu öffentlich finanzierten Beratungsangeboten mehr haben.
Die bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung zielt jedes Jahr darauf ab, die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit und die der Gesellschaft in Deutschland auf Themen der Schuldnerberatung zu lenken. Politische Verantwortungsträger in Bund, Ländern und Gemeinden sind aufzufordern, die Realität von Kinder überschuldeter Familien anzuerkennen und die Veränderungsimpulse umzusetzen. Unterstützt wird die Aktionswoche von zahlreichen Verbänden, Mitgliedsorganisationen und Akteure im Arbeitsfeld Schuldnerberatung. Weitere Infos unter www.aktionswoche-schuldnerberatung.de