Familienfreundlicher Strafvollzug in Baden-Württemberg

Zwei Männer undeine Frau stehen im Halbkreis

Stuttgart/Bad Boll 18.07.2023 Rund ein Drittel aller Inhaftierten haben minderjährige Kinder. Damit sind schätzungsweise deutschlandweit 100.000 Kinder und in Baden-Württemberg 10.000 Kinder von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen. Laut der COPING- Studie (2012) sind gut ein Viertel der betroffenen Kinder auffällig psychisch belastet und bei 75 Prozent zeigen sich zusätzliche negative Folgen. Es bedarf in den Justizvollzugsanstalten (JVA) im Land eines weiteren Ausbaus an kindgerechten Umgangsmöglichkeiten mit dem inhaftierten Elternteil. Zwei Tage lang diskutieren auf der Fachtagung des Netzwerkes Straffälligenhilfe Baden-Württemberg in der Evangelischen Akademie Bad Boll 100 Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Praxis darüber, wie der Strafvollzug familienfreundlicher gestaltet werden kann und die negativen Folgen für die betroffenen Familien und insbesondere die Kinder verringert werden können.

Marion Gentges, Ministerin der Justiz und für Migration in Baden-Württemberg

„Die Inhaftierung eines Familienmitglieds verändert das Leben einer Familie nachhaltig – auch für die Kinder der Inhaftierten ist dies ein Einschnitt ins Leben verbunden mit einer enormen emotionalen Belastung. Um diese Kinder in ihren Rechten zu stärken, verfügt Baden-Württemberg bereits über ein breites Angebot zur Verbesserung der Situation der Kinder von Inhaftierten und hat aktuell sechs zusätzliche Stellen im Sozialdienst geschaffen, um Kinder und Familien Inhaftierter spezielle Behandlungs- und Besuchsangebote machen zu können. Letztendlich ist ein familienfreundlicher Justizvollzug ein wesentliches Element für die Resozialisierung der Inhaftierten.“

Uta-Micaela Dürig, Vorständin Sozialpolitik des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg

„Die Inhaftierung eines Elternteils stürzt viele Familien in eine existenzielle Krise. Kinder leiden besonders unter der Inhaftierung eines Elternteils. Sie brauchen Unterstützung in Form von therapeutischen und pädagogischen Angeboten und entsprechende Besuchs- und Kommunikationsmöglichkeiten zum inhaftierten Vater oder Mutter. Wir begrüßen es deshalb außerordentlich, dass das Land den Strafvollzug durch entsprechende Maßnahmen schon familienfreundlicher und kindgerechter gestalten hat und weitere Maßnahmen plant. Damit sich betroffene Familien aber so schnell wie möglich über Beratungsstellen und vorhandene Angebote informieren können, braucht es zudem eine zentrale Fachberatungs-und Koordinierungsstelle, an die sie sich wenden können. Gleichzeitig müssen seitens der Kinder- und Jugendhilfe entsprechende Angebote und Leistungen entwickelt und auch finanziert werden, die den spezifischen Bedarfen dieser Kinder gerecht werden und sie mit ihrer Situation nicht alleine lassen.“

Achim Brauneisen, Generalstaatsanwalt und Vorstandsvorsitzender des Verbands Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e. V.

„Das beste Fundament für den Weg in ein straffreies Leben sind funktionierende familiäre Bindungen. Ist Mama oder Papa in Haft, fördert ein stetiger Kontakt zum Kind die Resozialisierung ungemein. Auch deshalb müssen wir unsere Bemühungen um kindgerechte Besuchsbedingungen und Kontaktmöglichkeiten im Strafvollzug wirksam verstärken.“  

Peter Häberle, Generalstaatsanwalt und Vorsitzender des Badischen Landesverbandes für soziale Rechtspflege K.d.ö.R

„Durch eine Inhaftierung sollte die Brücke zur Familie nicht abgerissen werden. Eine intakte Familie eröffnet Strafgefangenen eine Perspektive für die Zeit nach der Entlassung. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet auch das Eltern-Kind-Projekt, dessen Mitarbeitende seit über 10 Jahren betroffene Familien landesweit erfolgreich beraten und begleiten und eine wichtige Brücke zwischen Inhaftierten und deren Familien schlagen. Das evaluierte Projekt wird durch das Netzwerk Straffälligenhilfe Baden-Württemberg koordiniert und aus Mitteln des Ministeriums der Justiz und für Migration gefördert.“