Die Bedeutung von Schutz und Beratung auf dem Weg in ein gewaltfreies Leben

Gewalt gegen Frauen

Filderstadt, 21.11.2025 - Statistisch gesehen haben in der Filderregion in den vergangenen 12 Monaten rund 2.250 Frauen (3 Prozent) mindestens einmal Gewalt durch einen (Ex-) Partner erlebt. Dabei erlitten ca. Zweidrittel Verletzungen, jede zehnte Gewaltbetroffene erlebte regelmäßige, auch schwere Gewalt. Seit 25 Jahren bietet das Frauen- und Kinderschutzhaus und seit 30 Jahren die Beratungsstelle von Frauen helfen Frauen Filder e.V. von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Kindern Schutz, Sicherheit, Hilfe und Unterstützung. Noch immer ist es für viele Frauen und ihre Kinder die letzte Zuflucht und Rettung, um der Partnergewalt zu entkommen. Das Jubiläum wird begleitet von einer Ausstellung „rosaROT– eine Kampagne gegen häusliche Gewalt“. Auf 18 Bannern wird der „rosarote“ Blick auf das Thema der häuslichen Gewalt simuliert. Es gibt eine herausstechende Botschaft auf den ersten Blick und bei näherer Betrachtung eine ganz andere zweite Aussage.  Den Betrachter*innen sollen Hintergründe häuslicher Gewalt aufgezeigt und Handlungs- und Interventionsmöglichkeiten angeboten werden, die zur Deeskalation einer Gewaltsituation und zur Prävention von Gewalt beitragen können. Die Ausstellung ist im Foyer der Zehntscheuer Echterdingen zu den üblichen Öffnungszeiten von 21.11.2025 bis 28.11.2025 frei zugänglich.

Ayten Kyazim (Name geändert) will anderen Frauen Mut machen, sich Hilfe zu holen und daran zu glauben, dass es einen Ausweg gibt: „Wer in einer sehr gewalttätigen Beziehung lebt, wird mit jedem Jahr mehr darin verstrickt. Die ständigen Abwertungen, Erniedrigungen und Drohungen und schwerste Gewalt bewirken, dass man sich immer mehr als Gefangene fühlt und keinen Ausweg sieht. Die Bedrohung war eines Tages so groß, dass ich voller Angst mit den Kindern in eine andere Stadt geflüchtet bin. Dort bin ich auf die Beratungsstelle gestoßen, hier wurde mir geglaubt, und ich habe Unterstützung erhalten. Ich habe konkrete Informationen bekommen, und es wurde der Kontakt zur Polizei geknüpft. Die Polizistinnen haben uns so sehr geholfen. Wir haben einen Notfallplan gemacht und die Schutzstrategien erweitert, um unseren Aufenthaltsort zu schützen. Stück für Stück konnte ich mein Leben wieder selbst gestalten. Die vielen Verletzungen, vor allem auch der seelischen Art, zeigen immer noch Auswirkungen, aber ich will ihm keine Macht mehr über mein Leben geben.“

Tanja Schneider, Mitarbeiterin Frauen helfen Frauen Filder e.V., verweist auf die strukturellen Hürden im Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder, auf die sie in ihrer täglichen Arbeit stoßen: „In den letzten Jahrzehnten haben wir viele Frauen und Kinder begleitet, die den mutigen Schritt aus einer gewaltvollen Beziehung gewagt haben. Aber manchmal müssen Frauen mit ihren Kindern abgewiesen werden, weil alle Plätze im Haus belegt sind oder weil die Finanzierung ihres Aufenthalts nicht gesichert werden kann. Eine intensive und nachhaltige Begleitung schutzsuchender Frauen und ihrer Kinder ist nur dann möglich, wenn alle auf ein breit aufgestelltes Hilfenetzwerk zurückgreifen können. Unser 25-jähriges Jubiläum ist deshalb nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch ein Appell: Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wünschen uns, dass alle schutzsuchenden Frauen und Kinder diesen Schutz auch erhalten – ohne Hürden und ohne Ausnahmen.“

Dr. Katrin Lehmann, Referentin Frauen und Mädchen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg, erklärt: „Mit dem neuen Gewalthilfegesetz wird Gewaltschutz zur Pflichtaufgabe. Jede gewaltbetroffene Frau, die um Hilfe anfragt, muss ein kostenfreies, fachlich fundiertes Angebot erhalten. Im Jahr 2032 tritt ein individueller Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung in Kraft und Hilfe wird einklagbar. Für Baden-Württemberg ist das eine große Chance, die Versorgungssituation für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder entscheidend zu verbessern. Denn ein massiver Ausbau an Schutzplätzen und Beratungskapazitäten ist dringend notwendig. Deshalb sollten die Kommunen, trotz angespannter Haushalte jetzt keine Kürzungen im Bereich des Gewaltschutzes für Frauen vornehmen. Denn vor dem Hintergrund der Vorgaben des Gewalthilfegesetzes wäre ein Rückbau vor einem Ausbau fatal – für die gewaltbetroffenen Frauen als auch für die Vereine. Die Träger der Frauenhäuser und Beratungsstellen, brauchen eine verlässliche Finanzierung.“

Pressekontakt: Frauen helfen Frauen Filder e.V., Tanja Schneider, Mitarbeiterin, Tel. 0711/7949414, E-Mail: Beratung@fhf-filder.dewww.frauenhelfenfrauenfilder.de

 

Verein Frauen helfen Frauen Filder e.V., Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg

 Seit 30 Jahren Beratungsstelle für Frauen mit Gewalterfahrungen 
Im Jahr 2024 wurden 175 betroffene Frauen aus der Region Filder beraten. Zuständig ist die Beratungsstelle für Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt, Ostfildern, Neuhausen und Denkendorf. Dafür 150 Stellenprozente. Anfragen steigen in diesem Jahr weiter, die Zahl der beratenen Frauen wird Ende 2025 höher sein.

Seit 25 Jahren Frauen- und Kinderschutzhaus auf den Fildern 
Platz für 6 Frauen mit bis zu 8 Kindern. Im Jahr 2024 konnten insgesamt 11 Frauen und 14 Kinder Schutz finden. 89-mal mussten Anfragen für insgesamt 183 Personen abgelehnt werden. Die Kolleginnen arbeiten mit 300 Stellenprozenten. 

In den 30 zurückliegenden Jahren haben 3289 Frauen Beratung, Begleitung und Schutz durch unsere Arbeit erhalten. Wir feiern mit dem Jubiläum den Mut dieser Frauen, die Hartnäckigkeit der Gründungsfrauen unseres Vereins und alles, was in diesen drei Jahrzehnten gewachsen ist: vor allem ein großes Hilfenetzwerk. Nur in der Kooperation mit vielen anderen Akteur*innen ist diese Arbeit möglich. 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg ist einer der sechs anerkannten Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Er ist konfessionell, weltanschaulich und parteipolitisch unabhängig. Er steht für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe und wendet sich gegen jegliche Form sozialer Ausgrenzung. Ihm sind in Baden-Württemberg über 940 selbstständige Mitgliedsorganisationen mit insgesamt rund 2.000 sozialen Diensten und Einrichtungen angeschlossen sowie rund 50.000 freiwillig Engagierte und 80.000 Hauptamtliche. Weiter Infos unter www.paritaet-bw.de