Die Armutsquote in der Region Rhein-Neckar ist mit 15,2 Prozent die Höchste in Baden-Württemberg
Stuttgart/ Rhein-Neckar Die Armut in Baden-Württemberg verharrt mit 13,5 Prozent in 2022 auf hohem Niveau. Das ergibt der kürzlich veröffentlichte Armutsbericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbands. Damit sind mehr als 1,5 Millionen Menschen in diesem reichen Bundesland von Armut betroffen, also jeder siebte. Das sind zwar 0,6 Prozent weniger als im Vorjahr (2021), aber 28 Prozent mehr als noch 2005.
„Unter die im Paritätischen Armutsbericht zusammengefasste Region Rhein-Neckar fallen die Gebietskörperschaften Mannheim, Heidelberg, der Rhein-Neckar- und der Neckar-Odenwald-Kreis. Mit einer Armutsquote von 15,2 Prozent ist diese Region damit trauriger Spitzenreiter im ganzen Land“ so Jörg Schmidt-Rohr, Sprecher des Paritätischen Regionalverbundes Nordbaden.
„In der eigentlich ökonomisch prosperierenden Region ist die Armutsquote, im Vergleich mit anderen Regionen im Land, sehr hoch. Viele wichtige sozialpolitische Weichenstellungen, wie die Höhe des Mindestlohns und des Bürgergeldes und eine ausreichende Kindergrundsicherung sind zwar Bundesangelegenheiten, aber die Position als Schlusslicht in Baden-Württemberg fordert auch mehr regionale Anstrengungen. Dazu gehören besonders mehr intensive Bemühungen, um günstigen Wohnraum zu schaffen und die Zahlen der Bezieher von Grundsicherung durch viele Aktivitäten zu senken. Ein besonders Augenmerk gilt es auf die Armut von Alleinerziehenden und Kindern zu werfen“ so Schmidt-Rohr weiter.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband und vor allem seine vielen Mitgliedsorganisationen in der Region arbeiteten aktiv daran, Armut in den verschiedenen Bereichen zu bekämpfen, in Heidelberg zum Beispiel im Heidelberger Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung. Dies zeige wie wichtig dieses Thema für den Paritätischen sei. Auch, dass der Rhein-Neckar-Kreis sich die Armutsbekämpfung jetzt als strategisches Handlungsziel gesetzt habe, verdeutliche die gesellschaftliche Relevanz des Themas in der Region. „Armut spaltet die Gesellschaft und deswegen ist es auch in der wohlhabenden Metropolregion wichtig, ihr entschieden entgegenzutreten. Hierfür setzen sich viele Paritätische Einrichtungen in ihrer alltäglichen Arbeit ein“ erklärt Schmidt-Rohr.
„Armut ist nach wie vor ein ungelöstes Problem im Land. Alleinerziehende, nicht Erwerbstätige, Menschen mit geringer Bildung und Migrationsgeschichte, aber auch ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg lebten in 2022 unterhalb der Armutsgrenze. Aber auch Erwerbstätige waren betroffen: Fast zwei Drittel der erwachsenen Armen gehen entweder einer Arbeit nach oder sind in Rente oder Pension. Insbesondere Frauen ab 65 Jahren (19,5 Prozent) sind von steigender Armut betroffen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die Einkommens- und Lebensverhältnisse armer Menschen nachhaltig zu verbessern, denn Armut ist schambesetzt, verdeckt, vererbt, macht krank, verhindert Teilhabe und nimmt Perspektiven. Armut bestimmt nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Betroffenen“, betont Sabine Wild, Leiterin Armutsprojekte beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. Langfristig gehe es im Kampf gegen Armut darum, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Und: Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Erwachsenen von morgen. Somit ist eine Investition in frühestmögliche Armutsprävention und Chancengleichheit eine „Zukunftsinvestition“, so Wild weiter. Kurzfristig müsse die Landesregierung alles Erdenkliche tun, um endlich wirkungsvoll mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zudem solle die Nutzung des ÖPNV für Menschen in der Grundsicherung kostenlos sein. Darüber hinaus sei der Zugang zu Hilfen niedrigschwellig und unbürokratisch zu gestalten“, so Wild.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg appelliert an die Landesregierung, alles dafür zu tun, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, die historisch weiterhin hohe Armutsquote und deren Folgen für die Betroffenen wirkungsvoll zu bekämpfen und sich auf Bundesebene für eine umfassende Stärkung und Unterstützung armer Menschen einzusetzen. Dazu muss systematisch mehr in die Ausbildung und Qualifizierung von jungen Menschen und die Integration von Erwerbslosen in Arbeit investiert sowie eine armutsfeste Kindergrundsicherung und Mindestrente eingeführt werden, so der Verband.
Hintergrundinformation
Der Armutsbericht des Paritätischen zählt einer EU-Konvention entsprechend Haushalte als arm, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. In Euro lag der so ermittelte Wert, den die amtliche Statistik als Armutsgefährdungsschwelle bezeichnet, 2022 für Singles bei 1.186 Euro, für Alleinerziehende mit einem kleinen Kind bei 1.542 Euro und für einen Paarhaushalt mit zwei kleinen Kindern bei 2.490 Euro.