Ob salonfähig oder nicht, ob in „guter“ oder „böser“ Absicht, verfolgen all diese Begriffe das Ziel
- die Gruppe der Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte erfassbar bzw. kategorisierbar zu machen
- auf die individuelle, soziale und politische Haltung einer Gruppe Einfluss zu nehmen und gleichzeitig Handlungen anzustoßen
- Modelle und Politiken aufzuzeigen, die je nach Couleur und Intension einen vermeintlich optimalen Umgang mit dieser Gruppe ermöglichen sollen
- Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte für die Mehrheitsgesellschaft greifbar und für das System „passend“ zu machen.
Allen Begrifflichkeiten ist eines gemeinsam: Sie basieren auf konstruierten Fremdzuschreibungen, stigmatisieren und implizieren Handlungsempfehlungen. Sie erfassen den Menschen meist in einer Eindimensionalität und stimmen kaum mit der Selbstidentifikation und den Bedarfe dieser Personen überein. Die verknüpfte Darstellung von Zuschreibungen und Modellen in Debatten und Berichten vervielfacht ihre beabsichtigte Wirkung. Ein Beispiel: Allein die Verbindung der Begriffe „Migrationshintergrund“ und „Integration“ impliziert, dass die Gruppe der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ohne faktischen Grund problematisiert wird. So wird einer ganzen Gruppe von Bürger*innen, mittlerweile jede fünfte Person im Land, nicht nur die Fähigkeit abgesprochen, gesellschaftlich angepasst zu sein. Sie werden auch der Option menschlicher Lern- und Entwicklungsfähigkeit beraubt, die Sinn humanen Daseins sind.
Laufend defizitäre Erfahrungen
Im Bereich Flucht und Asyl wird das Ansinnen, Menschen für das hiesige System kompatibel zu machen, auf die Spitze getrieben. Personen im Asylverfahren wird täglich vor Augen geführt, bestimmten Anforderungen entsprechen zu müssen, um akzeptiert und willkommen zu sein. Integration impliziert in dieser Perspektive jedoch seit jeher eine strukturelle Asymmetrie. Die Erwartungen an die migrierten Menschen decken sich bei Weitem nicht mit den strukturellen und sozialen Gegebenheiten in der Mehrheitsgesellschaft. So machen Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland immer wieder defizitäre Erfahrungen: aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihrer Religion und ihrer Sprache, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Selbstbestimmung und Entfaltung müssen für alle gelten
Man muss sich außerdem vor Augen führen, dass das Ankommen in einer fremden, pluralen Mehrheitsgesellschaft nicht alleine eine Frage der kulturellen, ethnischen, religiösen oder nationalen Herkunft ist. Es ist auch eine Frage von Schicht, Klasse, Gender, sexueller Orientierung und vielem mehr. Dabei darf Ankommen nicht bedeuten, dass von Menschen erwartet wird, Teile ihrer Identität aufzugeben oder gar zu leugnen. Individuelle Selbstbestimmung und Entfaltung müssen ausnahmslos für alle gelten. Personen, die migrieren, bringen immer etwas Neues mit, verändern sich und bereichern somit ihr Umfeld. So trägt Migration auch historisch gesehen zur Entwicklung einer vielfältigen und pluralen Gesellschaft bei. Hierfür ist ausschlaggebend, Migration nicht als einen einseitigen Prozess zu verstehen. Die Mehrheitsgesellschaft muss die politischen, strukturellen, aber auch die sozialen und psychologischen Grundlagen schaffen.
Gleichberechtigte Partizipation
Die Ambivalenz der migrationspolitischen Debatte und ihre negative Wirkmächtigkeit kann nicht durch die Wahl anderer Begrifflichkeiten aufgehoben werden. Vielmehr müssen die dem Diskurs und der Praxis zugrundeliegenden rassistischen Ausgrenzungsmechanismen offen gelegt und bekämpft werden. Das bedeutet in der Konsequenz: Es bedarf einer gleichberechtigten, ökonomischen, rechtlichen und politischen Partizipation aller Bürger*innen an den zentralen Gütern der Gesellschaft. Dies ist zur Herstellung von Chancengleichheit und Gerechtigkeit zwingend erforderlich.