bilden, sodass ehemals unauthentische Verhaltensweisen mit der Zeit sich ganz natürlich und authentisch anfühlen können. Bei psychotherapeutischen Übungen bzw. Coaching und Training im Rahmen des BGMs, ist es daher wichtig zu er- kennen, welche dysfunktionalen Gedanken und Verhaltens- weisen Mitarbeiter und Führungskräfte im Alltag behindern. Psychoneuroendokrinologie und Psychoneuroimmunologie Die spannende Disziplin der Psychoneuroendokrinolo- gie untersucht inwiefern, psychische (psycho-) neuronale (neuro-), und hormonelle Prozesse (Endokrinologie ist die Hormonlehre) zusammenhängen. Studien zeigen, dass bei chronischem Stress die Nebennierenrinde Cortisol aus- schüttet (Uno et al., 1989; Karim et al. 2020). Cortisol hat zwar einen wichtigen Vorteil, und zwar es wirkt entzün- dungshemmend. Cortisol hat jedoch auch zwei erhebliche Nachteile. Zum einen wirkt es immunsuppressiv (Kiecolt- Glaser et al., 1984), zum anderen greift es im Gehirn die Nervenzellen im Hippocampus an (Uno et al., 1989), die für das Langzeitgedächtnis verantwortlich sind. Hinzu kommt, dass negative Gedanken den Sympathikus im autonomen Nervensystem aktivieren, was dazu führt, dass der Körper in eine sogenannte „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“ versetzt wird. Wenn der Sympathikus durch negative Gedankenspi- ralen dauerhaft aktiv bleibt, können Patienten eine Reihe von psychosomatischen Beschwerden erleiden, zum Bei- spiel Spannungskopfschmerz, muskuläre Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich, kardiovaskuläre Beschwer- den, Hautprobleme, oder auch Magen-Darm-Beschwerden. Interventionsmaßnahmen für Therapie und gesundheitspsychologisches Coaching Wenn Sie eine Pause haben, fragen Sie sich, ob die Tätigkeit, die Sie in der Pause ausführen, tatsächlich den Sympathikus herunterfährt oder eher nicht. Wenn Sie in der Pause mit Kollegen oder Verwandte (telefonisch) über Probleme reden, wird der Sympathikus sicherlich nicht heruntergefahren. Auch wenn Sie essen, aber über Probleme grübeln, wird der Sympathikus nicht heruntergefahren, da negative Gedanken den Sympathikus aktivieren können. Im Rahmen von verhal- tenspräventiven Kursen sollten Arbeitnehmer*innen daher lernen, durch welches Verhalten in den Pausen und nach Feierabend der Sympathikus tatsächlich heruntergefahren wird. Besonderes effektiv sind zum Beispiel Spaziergänge in der Natur mit Achtsamkeit. Studien zeigen: Wenn Menschen die Natur mit Achtsamkeit über ihre verschiedenen Sinne wahrnehmen, können sie nicht gleichzeitig an Problemen grübeln und es kommt zu einer signifikanten Reduktion des Cortisolspiegels sowie der Aktivität des Sympathikus, darüber hinaus werden im Gehirn Glücksbotenstoffe wie Serotonin ausgeschüttet (Karim et al., 2020). Neben Achtsamkeitsübungen in der Natur haben sich auch folgende Interventionsmethoden bewährt (vgl. Bernatze- der, 2017; Mandalka et al., 2018): ■ Essen mit Achtsamkeit und Genusstraining ■ Atemmeditation und Entspannungsverfahren ■ Kommunikationstraining, soziales Kompetenztraining ■ Sinn für Humor ausbauen ■ Sportliche Tätigkeiten ■ Verbesserung des Schlafverhaltens ■ Zeit- und Konfliktmanagement ■ Gesunde Führung Führungskräfte sollten nicht nur an verhaltenspräventive, sondern auch an verhältnispräventive Maßnahmen denken, d.h. welche Faktoren und Arbeitsbedingungen am Arbeits- platz verändert werden sollten, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern (zum Beispiel Gestaltung der Büros, des Pausenraums, Gestaltung der Arbeitsbedingungen). Im Rahmen von Fortbildungen zum Thema gesundes Führen, gehört insbesondere auch Kommunikationstraining mit Rollenspielen dazu. Mehrere Studien zeigen, dass Aner- kennung am Arbeitsplatz zu den wichtigsten Faktoren für Arbeitszufriedenheit gehören. Ebenso kann die Kommuni- kation einer Unternehmensvision zu einer erheblichen Stei- gerung der Motivation und der erlebten Sinnhaftigkeit in die Arbeit führen. ■ » Kontakt Prof. Dr. Ahmed A. Karim, Psychotherapeut und Neurowissenschaftler an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen. Assozierter Professor für Gesundheitspsychologie und Neurorehabilitation an der SRH Mobile University in Riedlingen, ahmed.karim@uni-tuebingen.de Literaturhinweise ■ Bernatzeder, P. (2017). Erfolgsfaktor Wohlbefinden am Arbeitsplatz: Praxisleitfaden für das Management psychischer Gesundheit. Springer Verlag. ■ Karim AA, Khalil R, Schmitt M (2020). Wald reloaded – Die Neuentdeckung des Waldes aus gesundheits- psychologischer Sicht. Zeitschrift für Komplementär- medizin, 12 (02), 24–30. ■ Kiecolt-Glaser JK, Garner W, Speicher C et al. (1984). Psychosocial modifiers of immunocompetence in medical students. Psychosomatic Medicine, 46 (1): 7–14. ■ Mandalka GJ, Khalil R, Karim AA (2018). Fit in 5 Minuten. Demografischer Wandel, 33-48. Springer Verlag. ■ Uno, H, Tarara R, Els JG et al. (1989). Hippocampal damage associated with prolonged and fatal stress in primates. Journal of Neuroscience, 9 (5): 1706–1711. | PARITÄTinform | Juni 2021 | 15