Ein Demokratiedefizit mit Folgen für die Versorgung
Der Paragraf 218 kriminalisiert Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland seit über 150 Jahren. Bis heute steht ein medizinisch sicher durchgeführter Abbruch formal unter Strafe und bleibt nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Dass dieser Zustand nicht nur frauenfeindlich, sondern auch demokratiewidrig ist, zeigen nicht zuletzt die gescheiterten Bemühungen im Bundestag zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs.
Das Recht auf körperliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Es ist unteilbar. Und doch wird es im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs eingeschränkt. Durch Misstrauen, staatliche Kontrolle und ein Strafgesetz, das Frauen unter Generalverdacht stellt. Wer abtreiben will, muss sich belehren lassen. Wer unterstützt, muss aufpassen, nicht selbst zur Zielscheibe zu werden. Wer dazu berät, wird öffentlich angefeindet.
Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs hat mehr mit Demokratie zu tun, als viele denken.
Denn Demokratie bedeutet: Menschen entscheiden über ihr Leben selbst. Sie brauchen keine Erlaubnis, um über ihre Körper, ihre Familienplanung oder ihr Leben zu bestimmen. Wenn der Staat dieses Recht beschneidet, schwächt er nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen, sondern die Demokratie selbst. Ein Staat, der Frauen bevormundet und sie nicht für mündig genug hält, selbst über ihre Schwangerschaft zu entscheiden, steht nicht auf dem Boden gelebter Teilhabe.
Besonders für Frauen mit wenig Einkommen, mit Behinderungen, mit Fluchterfahrung oder in ländlichen Regionen ist der Zugang zu medizinischer Versorgung und Beratung oft erschwert. Die Zahl der Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist seit Jahren rückläufig - auch in Baden-Württemberg. Von wohnortnaher Versorgung kann keine Rede sein, obwohl die Länder dazu verpflichtet wären. Dieser Umstand belastet nicht nur das medizinische Fachpersonal. Er treibt auch manche Hilfesuchende in gefährliche gesundheitliche Risiken, wenn sie aufgrund unzureichender Versorgungssituation selbst einen Abbruch herbeiführen.
In keinem anderen medizinischen Handlungsfeld steht das Strafrecht dermaßen präsent im Raum wie beim Thema Schwangerschaftsabbruch.
Das zeigt: Es geht nicht um Gesundheit oder um Ethik. Es geht um Kontrolle und es geht um Macht. Es ist ein strukturelles Machtgefälle, das den weiblichen Körper politisiert und instrumentalisiert. Dabei sollte ein demokratischer Staat darauf vertrauen können, dass seine Bürgerinnen eigene, verantwortungsvolle Entscheidungen treffen können. Denn die Möglichkeit, über den eigenen Körper zu entscheiden, ist eine Grundbedingung für gleichberechtigte Teilhabe. Wenn ungewollt Schwangere aus Angst, Scham oder wegen fehlender Infrastruktur nicht handeln können, dann ist das nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein demokratisches Defizit.
Demokratie bedeutet auch, Frauen zuzutrauen, dass sie wissen, was gut für sie ist. Selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch ist kein Luxus und kein Kompromiss. Er ist die Grundlage einer freien, gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft. Solange der § 218 StGB besteht, bleibt dieses Ziel unerreicht.