Berufsvorbereitung ist Starthilfe

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ein junger Mann in Koch-Outfit legt eine Erdbeere auf ein Backblech, ein Anleiter steht neben ihm
Jugendlichen ohne Schulabschluss Orientierung und eine Aussicht auf eine Ausbildung zu geben, ist Ziel der berufsvorbereitenden Maßnahmen.

Zwei Beispiele:

Projekt  K.I.O.S.K.

Nicht alle jungen Menschen haben dieselben Start- und Teilhabe-Chancen. Hinter abgebrochenen Schul- und Ausbildungsbiografien verbergen sich häufig hochkomplexe Problemlagen. An dieser Stelle setzt das Projekt K.I.O.S.K. – Kontakte. Information. Orientierung. Selbständigkeit. Kooperation. der kit jugendhilfe in Tübingen an. Seit mehr als sieben Jahren ist die niederschwellige Anlaufstelle für junge Menschen bis 27 Jahren ein unverzichtbarer Akteur im Übergang von der Schule in den Beruf. 

K.I.O.S.K. bietet Unterstützung bei der beruflichen Orientierung, der Vermittlung in Praktika und Ausbildung sowie der Entwicklung weiterer beruflicher Perspektiven an. Es ist ein niederschwelliger, wertungs- und sanktionsfreier Ort des Vertrauens, an dem Jugendliche nach und nach ihre Unterstützungsbedarfe herausfinden können. Sie können Schleifen drehen, immer wieder kommen und sie dürfen scheitern. Sie werden ermutigt, nächste Schritte zu gehen, erleben Peers, die ihnen Mut machen, und werden an weitere notwendige Unterstützer*innen vermittelt. Das Angebot reicht von Einzelberatungen über Bewerbungen schreiben, Betriebsbesichtigungen, Mini-Ausbildungsmessen, Peerabende bis hin zu Empowerment-Angeboten und Antidiskriminierungsarbeit. 

Vertrauen wirkt: Mehr als ein Drittel der jungen Menschen kommt auf Empfehlung aus dem eigenen Freundeskreis zu K.I.O.S.K. 

K.I.O.S.K. ist für junge Menschen ein Türöffner, um weitere Unterstützung in Anspruch nehmen zu können. Zum Beispiel bieten die Berufsberatung der Agentur für Arbeit als auch das Team U 25 des Jobcenters in den Räumen von K.I.O.S.K. Sprechzeiten an – so kann Vertrauen in diese Institutionen aufgebaut werden. 

K.I.O.S.K. identifiziert Handlungsbedarfe wie fehlende Angebote für junge Menschen ohne Schulabschluss, fehlende Sprachkurse, fehlende tagesstrukturierende Angebote und bringt diese in lokale (fach-)politische Netzwerke ein. 

Die Förderung der Anlaufstelle wird vom Stadt- und Landkreis als sogenannte Freiwilligkeitsleistung der Kommune gesehen. Bei knappen Kassen werden solche Angebote schnell in Frage gestellt. Dem können wir nur entgegnen: Jeder junge Mensch hat das Recht auf Unterstützung! 

Die kit jugendhilfe ist eine Einrichtung der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Zu den Angeboten gehören stationäre Wohngruppen für Kinder und Jugendliche, das Betreute Jugendwohnen und die Vermittlung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen in Sozialtherapeutischen Erziehungsstellen. Mit ambulanten Gruppen- angeboten und flexiblen aufsuchenden Einzelfallhilfen unterstützen sie Kinder, Jugendliche und Familien direkt im Lebensfeld. https://www.kiosk-tuebingen.de/inhalte 

 

Reha-Maßnahmen im Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf

Das Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf Wahlwies e.V. bietet rehaspezifische berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sowie die Reha-Ausbildung in neun verschiedenen Betrieben an. Dabei unterstützt ein multiprofessionelles Team von Bildungsbegleiter*innen, Sozialpädagog*innen, Psycholog*innen, Lehrkräften, Jobcoaches und besonders geschulten Ausbilder*innen junge Menschen mit verschiedenen Förderbedarfen dabei, sich beruflich zu orientieren und eine Ausbildung zu absolvieren. 

zwei Frauen glätten ein Tischtuch in einer Wäscherei

Paul, 18 Jahre alt, beginnt eine Ausbildung in einer Gärtnerei und wird im zweiten Lehrjahr gekündigt. Aufgrund seiner Depression kam es häufig zu Fehlzeiten. Virginie, 22 Jahre alt, hat schon mehrere Klinikaufenthalte in einer Psychiatrie hinter sich. Sie hat eine Borderline-Störung und ist sich ihrer sexuellen Identität unsicher. Eine Ausbildung als Malerin hat sie abgebrochen, da sie sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlte. Julian, 17 Jahre alt, ist schulisch schwach und hat zudem eine ausgeprägte Autismus-Spektrum-Störung, die eine intensive sonderpädagogische Begleitung notwendig macht. Eine duale Ausbildung zum Gesellen würde ihn überfordern. 

Solche und viele andere Geschichten erleben die Mitarbeiter*innen im Bereich der Beruflichen Rehabilitation im Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf Wahlwies täglich. 

„Bei uns können Jugendliche und junge Erwachsene an einem sicheren Ort ihre eigene berufliche Perspektive entwickeln“, erklärt Stefanie Gasch, Bereichsleitung Berufliche Reha. „Wir gehen auf jedes Bedürfnis ein und finden passende Lösungen. Ziel ist es, die Teilnehmer*innen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“ 

zwei junge Männer in Arbeitskluft und mit Gehörschutz arbeiten an einer Schleifmaschine in einer Schreinerei

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem „sicheren Ort Kinderdorf“. Die Mitarbeitenden sind traumasensibel geschult. Die Frage nach dem „guten“ Grund des Verhaltens steht immer im Vordergrund. „Denn nur, wenn sich die Teilnehmer*innen sicher fühlen, können sie überhaupt lernen und wir sie bei ihrer Entwicklung fördern und fordern“, berichtet Maler-Ausbilderin Beate Klas. „Festzustellen ist, dass sich die Bedarfe der jungen Menschen in den letzten Jahren deutlich verändert haben. Noch vor 13 Jahren begründeten Lernbehinderungen wie Legasthenie oder Dyskalkulie den Förderbedarf. Heute sind es überwiegend seelische Beeinträchtigungen oder Persönlichkeitsstörungen wie Depression, Borderline oder Sozialphobie. Auch finden zunehmend junge Menschen mit Autismus den Weg zu uns in die Ausbildung. Wir als Fachkräfte können den veränderten Anforderungen vor allem mit noch intensiverer Zusammenarbeit im Team, verstärkter regionaler Vernetzung und kontinuierlichen Schulungen begegnen“, ist Stefanie Gasch überzeugt. 

Begleitung junger Menschen in Übergängen 

Begleitung junger Menschen in Übergängen

 

Beitrag aus ParitätInform 3/2025