Jedes sechste Kind in Baden-Württemberg hat suchtkranke Eltern

Pressemitteilung - geschrieben am 10.02.2022 - 21:15

Stuttgart 11.02.2022   In Deutschland leben circa 3 Millionen Kinder mit mindestens einem suchtbelasteten Elternteil. Das ist jedes sechste Kind. Damit sind in Baden-Württemberg ca. 250.000 Kinder unter 15 Jahren betroffen. Das ergeben die Zahlen des Statistischen Landesamts von 2020. Der PARITÄTISCHE und Suchtverbände in Baden-Württemberg fordern zum Auftakt der landesweiten Aktionswoche eine sichere und langfristige Finanzierung der bestehenden Hilfen für Kinder. Außerdem müssten Sucht- und Jugendhilfe besser kooperieren und stärker vernetzt werden.

„Die familiären Umstände, in denen Kinder mit suchtkranken Eltern aufwachsen, sind sehr belastend mit Folgen für ihr ganzes Leben. Die Gefahr, später selbst einmal alkohol-, drogen- oder medikamentenabhängig zu werden oder psychische Störungen zu entwickeln, ist groß. Mit der richtigen Unterstützung können sie sich zu gesunden, lebenstüchtigen Erwachsenen entwickeln. Dazu müssen Hilfen früh greifen, dem besonderen Bedarf entsprechen und familienorientiert sein. Und vor allem: Sie müssen umfassend, langfristig und kontinuierlich sein“, erklärt Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. Es gebe bereits vielfältige Angebote für die betroffenen Kinder und ihre Familien. Diese seien aber in der Regel ganz oder teilweise von Projekt- oder Spendengeldern abhängig. „Woran dieses Hilfesystem krankt, ist die Finanzierung. Die Angebote müssen verlässlich und dauerhaft finanziert sein“, so die Vorstandsvorsitzende. Nur so könne verhindert werden, dass aus Kindern mit suchtkranken Eltern suchtkranke oder psychisch belastete Erwachsene werden.

"Um die Risiken für die betroffenen Kinder zu minimieren und die Erlebnisse unbeschadeter zu überstehen, sind frühzeitige, altersgerechte Hilfen und verlässliche Bezugspersonen bedeutsam – und dies oftmals über einen langen Zeitraum“, betont Oliver Kaiser, Geschäftsführer vom Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation gGmbH. „Es bedarf niedrigschwelliger Angebote und leichter Zugänge für Kinder über alle Altersgruppen hinweg, um sie und ihre Eltern auch in suchtspezifischen Notsituationen schnell unterstützen zu können. Hierzu müssen vor Ort Unterstützungsnetzwerke, vor allem im Zusammenwirken von Jugendhilfe und Suchthilfe, aufgebaut werden. Dies gelingt nicht mit kurzfristigen, projektbezogenen Finanzierungen“, so Kaiser weiter. Das neue Bundesgesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen biete jetzt die Chance für einen flächendeckenden Ausbau, die langfristige Absicherung der notwendigen Hilfen und Stärkung der Prävention vor Ort.

"Neben der Absicherung direkter Hilfen für betroffen Kinder und Familien ist gesellschaftlich eine entstigmatisierte Sicht auf Abhängigkeit notwendig. Sucht ist eine Erkrankung mit vielen Behandlungsmöglichkeiten und keine Charakterschwäche", sagt Philip Gerber, Geschäftsführer des Drogenverein Mannheim e.V. Dies würde es vielen Betroffenen erleichtern, offen über Ihre Belastungen sprechen zu können und sich ohne Zögern an bestehender Hilfsangebote zu wenden. "Viele betroffene Menschen schweigen aus Scham ein Leben lang. Eine Belastung, die sicherlich nicht die Gesundheit fördert“, so Gerber.  

Pressekontakte:

Baden-Württembergischer Landesverband für Prävention und Rehabilitation gGmbH: Oliver Kaiser, Geschäftsführer, Tel. 07843/949141, E-Mail: Oliver.Kaiser@bw-lv.de, www.bw-lv.de

Drogenverein Mannheim e.V., Philip Gerber, Geschäftsführer Inhalte und Innovation, Tel. 0621/159 00 – 21, E-Mail: gerber@drogenverein.de, www.drogenverein.de 

An der Aktionswoche beteiligen sich landesweit PARITÄTISCHE Suchberatungsstellen:

Lörrach: Online Fachtag des Arbeitskreises Rauschmittel e.V. Drogen- und Jugendberatungsstelle
Mittwoch, 16.02.2022, 9.00 – 13.00 Uhr, Thema „Scham und Schuld in der Arbeit mit abhängigkeitskranken Eltern“. Kontakt: meissner@drogenberatung-loerrach.de

Lörrach: Aktion für KiSeL-Kinder des Arbeitskreises Rauschmittel e.V. Drogen- und Jugendberatungsstelle
Freitag, 18.02.2022, 14.00 Uhr, Thema „mein Selbstbild“. Kontakt: meissner@drogenberatung-loerrach.de

 

Offenburg: Telefonsprechstunde der bwlv Fachstelle Sucht

Mittwoch, 16.02.2022, 10.00 – 12.00 Uhr, Zielgruppe: Fachkräfte, die mit Kindern suchtkranker Eltern zusammenarbeiten. Kontakt: Stephanie.Stephan@bw-lv.de

Reutlingen: Telefonsprechstunde der Jugend- und Drogenberatung Reutlingen des bwlv und die PP.rt
Dienstag, 15. Februar 2022, 13.00 – 14.00 Uhr, Thema „Sucht“, Zielgruppe: Betroffene, Angehörige sowie Interessierte. Kontakt: Nathalie.Dennenmoser@bw-lv.de

Singen: Online-Fachtag der bwlv Fachstelle Sucht
Mittwoch, 16.02.2022, 9.00 - 13.00 Uhr, Thema „Kinder aus suchtbelasteten Familien und Kinder in Familien mit psychisch erkrankten Eltern - "Wege aus der Sprachlosigkeit!". Kontakt: Lars.Kiefer@bw-lv.de

Singen: Telefonsprechstunde in der Mittagspause der Fachstelle Sucht des bwlv

Mittwoch, 16.02.2022, 12.00 – 14.00 Uhr, Thema „Sucht in der Familie“. Kontakt: Lars.Kiefer@bw-lv.de

Singen: Online-Fachinfoveranstaltung der bwlv Fachstelle Sucht
Donnerstag, 17.02.2022, 9.00 – 10.00 Uhr, Zielgruppe: Fachkräfte von stationären und ambulanten Kinder-Jugendpsychologie Praxen und weiteren Multiplikatoren. Kontakt: Lars.Kiefer@bw-lv.de

Das bundesweite Veranstaltungsprogramm in der Aktionswoche „Kinder der aus Suchtfamilien“ finden Sie unter https://coa-aktionswoche.de/mitmachen/aktivitaeten

 

Hintergrundinformationen:

Die Aktionswoche Kinder aus Suchtfamilien (Abkürzung: COA: Children of Alcoholics/ Children of Addicts) zielt jedes Jahr darauf ab, die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit und der Gesellschaft auf die Kinder aus Suchtfamilien in Deutschland zu lenken. Ziel ist es, Projekten und Initiativen die Möglichkeit zu bieten, ihre Angebote für COAs bekannt zu machen, Berufsgruppen, die mit Kindern arbeiten auf die Thematik aufmerksam zu machen und die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden aufzufordern, sich vermehrt für Unterstützungssettings für COAs einzusetzen und diese in die Regelversorgung aufzunehmen. Weiter Infos unter www.coa-aktionswoche.de

In Deutschland leben circa 3 Millionen Kinder mit mindestens einem suchtbelasteten Elternteil. Der Großteil davon, ca. 2,65 Millionen Kinder, lebt in einem Haushalt mit alkoholkranken Eltern, ca. 40.000 bis 60.000 Kinder haben Eltern, die illegale Substanzen konsumieren. Hinzu kommen Verhaltenssüchte, etwa die Glücksspielabhängigkeit (Quelle: Jahresbericht 2020 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung).

In Baden-Württemberg tragen laut der ambulanten Suchthilfestatistik 2018 des Landes Baden-Württemberg 24,3 Prozent der Klient*innen mit einer Suchtdiagnose als Eltern Verantwortung für minderjährige Kinder. Gleichzeitig leben jedoch nur 15,1 Prozent dieser Kinder bei den Eltern im Haushalt. Als Gründe sind vor allem Trennungen von den (Ehe-)Partnern zu vermuten. So leben nur 44,2 Prozent aller Klient*innen mit einer Suchtstörung und Elternverantwortung in einer Partnerschaft. Da auch in Baden-Württemberg nur ein Teil der suchtkranken Menschen Hilfe in den Beratungs- und Behandlungsangeboten sucht, ist es schwierig diese Eltern und deren Kindern mit Hilfestellungen zu erreichen. Es braucht daher eine Kultur des „Hinschauens“ in allen Bereichen des sozialen Umfelds von Familien mit Kindern: Kita, Schule, Kinderärzte usw., um auf Anzeichen einer familiären Suchtbelastung zu reagieren und nicht “darüber hinwegzusehen“.

Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation gGmbH (bwlv)

Der bwlv bietet an zahlreichen Standorten in Baden-Württemberg gezielte Unterstützung für Kinder ab 6 Jahren an, die in einem (sucht-)belasteten Lebensumfeld aufwachsen und daher selbst gefährdet sind Belastungsreaktionen wie eigenes Suchtverhalten oder psychische Belastungssymptome und Störungen zu entwickeln. Die inzwischen breite Palette an Hilfen umfasst u.a. Kindergruppen, Sucht-Familienhelfer:innen, Elterngruppen, Erlebnispädagogik und tiergestützte Therapie auch für Kinder aus Suchtfamilien mit Zusatzdiagnosen wie ADHS und FASD, die selbstverständlich in den Gruppen im Sinne einer Inklusion fest integriert sind. Weitere Infos unter www.bw-lv.de

Drogenverein Mannheim e.V. (DVM)

Der DVM übernimmt als Träger die Beratung, Begleitung und Betreuung von Konsumenten*innen illegaler Drogen und der Angehörigen in Mannheim. Seit 15 Jahren existiert dort über die Stelle Hilf.Kids (Hilfen für Kinder aus suchtbelasteten Familien) eine explizite Fachexpertise in der Thematik mit diversen Angeboten. Weitere Infos unter www.drogenverein.de 

 

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