Einfach Fachkräfte backen?

Fachinformation - geschrieben am 22.07.2022 - 10:20
Hände formen einen Teig

Backen hilft leider nicht, um dem immensen Fachkraftmangel im Kita-Bereich zu begegnen. 

Aktuell fehlen in Baden-Württemberg ca. 40.000 Fachkräfte, um allein die bereits vorhandenen Kita-Plätze betreiben zu können. Zahlreiche neue Kitas werden gebaut, zunehmend mehr Fachkräfte gehen in Rente oder verlassen aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen das Arbeitsfeld. Ab 2026 kommt weiterer Fachkraftbedarf für die Schulkindbetreuung dazu.

 

Ein Beispiel aus Tübingen zeigt, wie es funktionieren kann:

Der Dachverband der Kleinen Freien Kita-Träger Tübingen hatte schon 2018 versucht, „einfach Fachkräfte zu backen“– mit einem mobilen Backofen vor dem Rathaus in Tübingen und mehreren Eimern Lebkuchenteig für Fachkraftformen. Doch auch das hat leider nicht dazu beigetragen, dass sich die Fachkraftsituation in Tübingen und in ganz Baden-Württemberg maßgeblich verbessert hat.

In Tübingen stehen aktuell ca. 250 Kitaplätze leer, die nicht belegt werden können, da Fachkräfte fehlen. Andere Eltern stehen morgens vor verschlossenen Kita-Türen oder bekommen Nachrichten, dass die Kita heute nur die Hälfte der Kinder betreut oder nur ein Bruchteil der Regelöffnungszeit geöffnet hat. Mittlerweile trauriger Alltag …

Talsohle schon erreicht?

Mitnichten, denn alle Formen der Erzieher*innen-Ausbildung sind auf einem Praxisanteil aufgebaut. Ausbildung braucht Ausbilder*innen in der Praxis, in den Kitas. Um ausbilden zu dürfen, muss eine Erzieherin mindestens zwei Jahre Vollzeit gearbeitet haben. Die mittlerweile in vielen Kitas tätigen Personen ohne frühpädagogischen Berufsabschluss dürfen nicht ausbilden. Immer mehr gelernte Fachkräfte reduzieren ihren Stellenanteil oder verlassen das Berufsfeld. Oft nicht der Bezahlung wegen – es sind vielmehr die Rahmenbedingungen, die Fachkräfte erschöpfen lassen. Werden die Fachkräfte weniger, können auch weniger Erzieher*innen ausgebildet werden. Und irgendwann ist niemand mehr da, der ausbilden kann. Ein Teufelskreis.

Nicht meckern, klotzen …

… dachte sich ein freier Träger der Stadt Tübingen. Mit Hilfe einer vom Bund finanzierten Projekt-Stelle zur Koordination Lernortverzahnung (halbe Stelle für acht Monate) entwickelte die KoKon gGmbH ein Ausbildungskonzept. Viele neue Wege werden erprobt und immer wieder justiert:

Durch Fachberatung für Personalentwicklung geleitete Arbeitskreise und Supervisionen

  • zur Vorbereitung auf die Schulfremdenprüfung

  • für Auszubildende

  • für Anleitende.

    Tutor*innen stehen den Auszubildenden für Fragen zu organisatorischen Strukturen und Prozessen in der Kita zur Verfügung. Das unternehmenseigene Wiki (Internetplattform) stellt alle notwendigen Informationen rund um die Ausbildung zur Verfügung:

  • gesetzliche Rahmenbedingungen für Ausbildung

  • Unterlagen der kooperierenden Fachschulen

  • Persönliche Bereiche, in dem die Anleitungsgespräche, persönliche Kalender mit allen Ausbildungsterminen hinterlegt, die Praxisberichte erarbeitet werden.

  • Allen am Ausbildungsprozess Beteiligten ermöglicht das Wiki eine große Transparenz und schnelle Kommunika- tionswege.

Mit dem neuen Ausbildungskonzept konnte die Ausbildungskapazität in den fünf Kitas der KoKon gGmbH in 2021/22 um insgesamt 103 Prozent gesteigert werden konnte. Konkret heißt das, dass es in fast jeder Gruppe zwei Auszubildende gibt, Kinderpfleger*innen und Erzieher*innen im Berufspraktikum, in der PIA-Ausbildung in Voll- und in Teilzeit, in der Schulfremdenprüfung, im Anpassungslehrgang.

 

Ellen Noetzel
Geschäftsführung
KoKon gemeinnützige GmbH Tübingen Kompetenz und Konzepte
 
Beitrag aus PARITÄTinform 2/2022

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