Investition in Innovation

Fachinformation - geschrieben am 30.05.2022 - 08:59
Menschen diskutieren an einem Holztisch in entspannter Athmosphäre

Oft sind soziale Organisationen und Verbände in ihren Strukturen und Abteilungsgrenzen gefangen. Gleichzeitig ist der Innovationsdruck hoch. Die Corona- Pandemie hat unsere sozialen Herausforderungen verstärkt und bestehende Lücken im Versorgungssystem offenbart. Dies macht neue Lösungsansätze und Herangehens- weisen umso dringlicher. Das Innovationsprogramm "Sozionauten" unterstützt die Wohlfahrtspflege dabei, Gewohntes zu hinterfragen und neue effektive Lösungsansätze (auch über die Corona-Ausnahmesituation hinaus) im Arbeitsalltag zu etablieren … und geht dabei völlig neue Wege.

Was hat sich bei euch schon jetzt durch die Arbeit im Sozionauten-Programm verändert?“, fragt Jella Riesterer zu Beginn des Workshops. Zusammen mit Hedra Youkhana und Sophie Dams leitet sie den neunmonatigen Innovationsprozess. Angeboten wird das Programm vom Freiburger Gründungs- und Kreativzentrum Grünhof in Kooperation mit der LIGA der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg. Entwickelt und vorangetrieben wird es entscheidend durch Ursel Wolfgramm, Vorständin des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg.

An diesem Tag findet der vierte von insgesamt sechs Workshopmodulen statt, pandemiebedingt als Hybridveranstaltung: Die Teilnehmer*innen zweier Organisationen sitzen vor Ort an einem großen Tisch im Workshop-Raum des Grünhofs in der Lokhalle in Freiburg. Die Mitglieder der anderen sieben Organisationen sind zu- geschaltet und werden auf einer großen Leinwand virtuell in den Raum geholt.

„Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, auch mit anderen Abteilungen zusammenzukommen, um beispielsweise an der Zielgruppe zu arbeiten“, antwortet eine Teilnehmerin auf die Eingangsfrage. Andere sprechen von neuen Blickwinkeln, neu gewonnener Kreativität und von einer Entwirrung vorhandener Komplexität. „Die Abwechslung, mit unter- schiedlichen sozialen Organisationen über deren Probleme und Fragestellungen zu sprechen, nicht nur mit den immer gleichen, das bringt unsere Arbeit gut voran“, sagt ein weiterer Teilnehmer und bringt damit die Besonderheit des Innovationsprogramm auf den Punkt: die verbandsübergreifende Zusammenarbeit.

Über den Tellerrand schauen und voneinander lernen

Das ist bisher einmalig und man fragt sich, warum? Austausch und ein Voneinanderlernen sind in vielen anderen Branchen üblich und machen das Geschäft zukunftsfähig. Ein Unternehmen, das nicht auch die Mitbewerber im Auge behält und gewillt ist, Neues dazuzulernen, geht am Markt schnell unter. Oder ein Koch, der im Laufe seiner Karriere nicht auch in anderen erfolgreichen Küchen Kreativität tankt, dem fehlt es an neuer Inspiration und das führt zu einem abwechslungsarmen „Das gab’s schon immer“-Angebot – während sich Geschmäcker von Gästen verändern. Im Falle von sozialen Organisationen sind es nicht die Geschmäcker, sondern die Bedürfnisse der Zielgruppen.

Über den Tellerrand schauen, von anderen lernen, um so das Beste aus sich und seiner Arbeit herauszuholen, kann auch für die Wohlfahrtspflege einen großen Aha-Effekt erzielen. Doch viele soziale Organisationen orientieren sich nur innerhalb der eigenen Verbandsmöglichkeiten. Zusammen mit den knappen Ressourcen, die zur Verfügung stehen, bremsen diese Zustände die wichtige Arbeit oft aus. Es fehlen Zeit, Geld und Arbeitskräfte, um im täglichen Geschäft noch nach innovativen Lösungen für bestehende Problemstellungen und Herausforderungen suchen zu können.

Bereitstellung eines großen Innovationswissens für den Sozialsektor

Das Sozionauten-Programm möchte daran etwas ändern und mit den Mitgliedsorganisationen der Spitzenverbände neue Lösungsansätze für Probleme aus den fachlichen Bereichen der Organisationen erarbeiten. „Das trägt zu unserer Vision einer lebenswerten Gesellschaft bei“, sagt Jella Riesterer. Die teilnehmenden Organisationen melden sich mit einer konkreten Herausforderung aus ihrem Arbeitsalltag an, für die sie eine innovative Lösung entwickeln möchten. Das kann das Anliegen sein, einen neuartigen Begegnungsort für Obdachlose und Menschen mit Obdach zu schaffen oder verlässliche Übergänge in Ausbildung für Menschen mit besonderen Bedarfen zu ermöglichen. Andere Organisationen bringen Herausforderungen zu organisationsinternen Themen mit wie Diversity Management in der Pflege oder wie Mitarbeiter*innen unter dem Leitsatz der Salutogenese gut geführt werden können.

Das Wirkungsversprechen der Sozionauten: die Bereitstellung eines großen Innovationswissens für den Sozialsektor, die Förderung der Zusammenarbeit mit vorhandenen und neuen Netzwerken, zum Beispiel mit der Social Startup- Szene. Das Programm finanziert sich ausschließlich über die Teilnahmegebühren. 

Sozionauten 2022

Das Programm geht im Herbst 2022 in eine neue Runde, eine Anmeldung ist ab sofort möglich. Für Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Baden-Württemberg übernimmt der Landesverband die Teilnahmegebühr von jeweils 4950 EUR für 2 Organisationen. Alles zur Bewerbung um einen der beiden Plätze: Sozionauten starten wieder! | PARITÄTischer Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg (paritaet-bw.de)

"Bewegt"

Das Projekt BeWEGt war im vergangen Jahr Teilnehmer des Sozionauten-Programm. Gabi Kazmaier und Lisa Mümmler entwickeln im Programm ein innovatives Konzept für attraktive Erlebnisreisen, das aktive Menschen mit und ohne Sehbehinderung anspricht und wie nebenbei echte Inklusion lebt. Mehr: Bewegungsreisen | Bewegungszentrum Pfulb

Ein Gewinn für die ganze Gesellschaft

Dass es sich für die Wohlfahrtsorganisationen lohnt, in den Innovationsprozess der Sozionauten zu investieren und daran teilzunehmen, zeigen bereits die Reaktionen im aktuell laufenden Programm. Am Ende der neun Monate haben die Teilnehmer*innen agile Arbeitsweisen und neue kreative Methoden kennengelernt und konkrete soziale Angebote ausgearbeitet, mit denen viele positive Effekte für die eigene Organisation erzielt werden können. So einen Gewinn nennt man in der Wirtschaftssprache „Return on Invest“ (ROI), also eine Investition, die sich auszahlt. Im Falle der Sozionauten ist der Effekt ein Gewinn für die ganze Gesellschaft. 

Anmeldung und weitere Infos:

https://social-innovation-lab.org/sozionauten/

 

Jella Riesterer

Geschäftsführende Vorständin Grünhof e.V. 

 

Beitrag aus PARITÄTInform 1/2022

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