Geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* erreichen und stärken

Pressemitteilung - geschrieben am 18.11.2021 - 13:54

Stuttgart 18.11.2021    Geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* sind durch Flucht vor Krieg und Terror, traumatischen Erlebnissen, Verlust von Familienangehörigen sowie ständigem Anpassungsdruck in der neuen Heimat enormen psychischen Belastungen ausgesetzt. Deshalb brauchen sie bei ihrer biografischen Entwicklung besondere Unterstützung und Chancen, an der  Gesellschaft teilzuhaben. Das Projekt „Förderung schwer erreichbarer geflüchteter Mädchen* und junger Frauen*“ hat trotz schwieriger pandemischer Bedingungen individuelle und gruppenbezogene Angebote entwickelt, die sich sensibel, flexibel und kreativ an den Bedarfen und Lebenslagen der Mädchen* und jungen Frauen* orientieren. An den Projektstandorten Stuttgart, Reutlingen, Tübingen, Pforzheim und Freiburg konnten über 100 geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* im Alter von 12 – 22 Jahren sowie eine Gruppe Mütter im Alter von 20 – 42 Jahren mit Kindern von 0 – 2 Jahren erreicht werden (Stand Dezember 2020). Träger des Projektes ist die LAG Jugendsozialarbeit Baden-Württemberg. Die Koordination liegt beim PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. Evaluativ begleitet haben das Projekt die LAG Mädchen*politik Baden-Württemberg und die LAG Mobile Jugendarbeit/ Streetwork Baden-Württemberg. Das Projekt wird im Rahmen des „Masterplan Jugend“ vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg gefördert und ist auf zwei Jahre angelegt (01.12.2019 – 31.12.2021). Die Projektbilanz wird heute in Stuttgart im Rahmen einer Online-Fachtagung mit rund 100 Teilnehmenden vorgestellt.

„Geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Sie leben meist zurückgezogen und sind für Einrichtungen der Jugendhilfe nur schwer erreichbar. Kriegs- und Fluchttraumata, die Sorge um Angehörige in den Heimatländern sowie veränderte und unsichere Lebensverhältnisse im Ankunftsland, beschreiben nur im Ansatz die Lage dieser Zielgruppe“, berichtet Meral Sagdic, Projektkoordinatorin beim PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg von den bisherigen Erfahrungen aus dem Projekt. Genderspezifische Gruppenangebote und Individualbegleitung in sicheren und geschützten Räumen sei eine Möglichkeit gewesen, die Zielgruppe zu erreichen und auf die vielfältigen Lagen der Mädchen* und jungen Frauen* einzugehen. Dabei sei es sehr wichtig, die Angebote im Sozialraum anzubieten und mit anderen Einrichtungen wie Schulen, Gemeinschaftsunterkünften, Migrant*innenorganisationen und Jobagenturen zusammenzuarbeiten, so Sagdic weiter. „Zu all diesen Aspekten kommt hinzu, das sich geflüchtete Mädchen* - wie alle jungen Menschen - in einer besonderen entwicklungspsychologischen Phase befinden. Damit sensibel und kompetent umzugehen, waren eine der großen Herausforderungen aber auch Chancen des Projektes“, so Sagdic.

„Jugendsozialarbeit ist Beziehungsarbeit. Wie bedeutsam diese Grundhaltung in der Praxis ist, hat das Projekt an allen sechs Standorten gezeigt“, betont Bernadette Ruprecht, Vorsitzende der LAG Jugendsozialarbeit Baden-Württemberg. Speziell für junge geflüchtete Frauen*, aber auch deren Familien sei es wichtig, dass zu den Fachfrauen eine stabile, verlässliche und vertrauensvolle Beziehung bestehe. „Wir möchten den Mädchen einen sicheren Ort bieten, an dem sie sich entwickeln und entfalten können. Das braucht Zeit und kann Monate dauern. Deshalb ist es entscheidend, dass Projekte speziell für diese Zielgruppe langfristig in einen Masterplan eingebunden und dort dauerhaft verankert werden“, so Ruprecht.

„Ein typisches Prinzip der Mädchen*arbeit gilt auch in der Arbeit mit geflüchteten Mädchen*: Es geht zum einen darum, konkrete Angebote für Mädchen* und junge Frauen* nach Flucht umzusetzen. Es geht zum anderen darum, bestehende Strukturen der Jugendhilfe für die Belange von Mädchen* nach Flucht zu sensibilisieren, um Zugangsbarrieren abzubauen“, erklärt Ulrike Sammet von der LAG Mädchen*politik Baden-Württemberg. Integration werde oft durch Rassismuserfahrungen behindert, die geflüchtete Mädchen meist alltäglich machten. Sie könnten am besten bearbeitet werden, wenn Pädagoginnen involviert seien, die aufgrund ihrer persönlichen Geschichte selbst sensibel dafür seien. „Wir brauchen in der pädagogischen Arbeit deshalb dringend eine höhere Vielfalt beim Personal“, so Sammet.

„In der Mobilen Jugendarbeit machen Mädchen* und junge Frauen* insgesamt etwa ein Drittel der erreichten jungen Menschen aus. Bei den jungen Geflüchteten waren es 2019 nicht einmal ein Fünftel“, so Christiane Hillig, Geschäftsführerin der LAG Mobile Jugendarbeit/ Streetwork Baden-Württemberg. Daher sei gerade die niedrigschwellige Erreichbarkeit dieser Mädchen* und jungen Frauen* für die Mitarbeiter*innen in der Mobilen Jugendarbeit von hohem Interesse. „Geflüchtete Mädchen*sind nicht diejenigen, die im öffentlichen Raum „auffallen“. Das heißt aber nicht, dass sie die Unterstützung aus der Jugendsozialarbeit nicht bräuchten“ so Hillig weiter. Vielmehr sei hier die Schaffung anderer Zugänge notwendig, welches nur Einrichtungen leisten könnten, die strukturell auf sicheren Beinen stehen, was aktuell nicht die Regel sein.

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