Wohnung steht am Anfang der Hilfekette

Fachinformation - geschrieben am 26.10.2022 - 09:50

Housing First in Stuttgart - Wohnen ohne Vorbedingungen

Wohnungslosen Menschen zuerst und ohne Vorbedingungen eine eigene Wohnung geben – diese simple Idee steckt hinter Housing First. In mehreren deutschen Städten wird das Konzept bereits erfolgreich umgesetzt, jetzt folgt Stuttgart. Beteiligt sind dabei der Caritasverband für Stuttgart als federführender Projektträger sowie die Ambulante Hilfe, die Evangelische Gesellschaft (eva) und die Sozialberatung Stuttgart. Die vier Personalstellen wurden mit dem Doppelhaushalt 2021/2022 für vier Jahre bewilligt, die Vector Stiftung beteiligt sich ebenfalls an der Finanzierung.

In der bestehenden Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe steht eine eigene Wohnung erst am Ende der Hilfekette: Zunächst muss sich der oder die Betroffene beraten lassen, Suchtprobleme oder psychische Schwierigkeiten angehen, kommt von der Notunterkunft in eine ambulante oder stationäre Unterbringung – und kann erst am Ende mit viel Glück in eine eigene Wohnung ziehen. Dadurch fallen viele Menschen leider durchs Raster. Wer keine „Lust“ auf das System hat, bleibt immer hilfsbedürftig und landet immer wieder im System.

In Stuttgart leben etwa 150 Obdachlose, also Menschen, die im Freien übernachten. Hinzu kommen rund 5.350 Wohnungslose – das sind Menschen ohne eigene Wohnung und Mietvertrag. Sie leben zum Beispiel in sogenannten Sozial­hotels oder in ambulanten oder stationären Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe. Das Projekt Housing First richtet sich an diese Personengruppen. Außerdem ist der Sozialberatung Stuttgart als Verein der freien Straffälligenhilfe wichtig, dass auch haftentlassene Menschen eine Möglichkeit haben, sofort eine eigene Wohnung zu erhalten.

Schnellstmögliche Integration

Mietverhältnis und Unterstützungsangebot werden in diesem Konzept entkoppelt. Das Projekt setzt auf eine unmittelbare bzw. schnellstmögliche Integration von Wohnungslosen mit komplexen Problemlagen in regu­lären Wohnraum. Dazu kommen dann bedarfsgerechte, aufsuchende, wohnbegleitende Hilfen, die auf die individuellen Wünsche und Ziele der ehemals Wohnungslosen abgestimmt werden und deren Annahme freiwillig ist. Kurz­ gesagt: Zuerst die Wohnung, dann die Hilfe auf freiwilliger Basis.

Über die kommenden vier Jahre sollen insgesamt 50 Wohnungen im Projekt vermittelt werden. Gesucht werden dafür vor allem Ein­ und Zweizimmerwohnungen für Alleinstehende, aber auch Wohnungen für Paare und Familien. Die finanzielle Situation der Mieter*innen ist dabei geklärt und die Vermieter*innen haben stets eine Ansprechperson im Team von Housing First Stuttgart. Eine gute Nachbarschaft ist wichtig - deshalb wird sorgfältig geprüft, dass die Mieter:innen gut ins Wohnumfeld passen. 

 

Mark Gutwinski

Fachbereichsleiter Wohnen und Betreuung

Sozialberatung Stuttgart e.V. 

 

Beitrag aus PARITÄTinform 3/2022

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