
Die erste Arbeitsgruppe der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat ihren Abschlussbericht zur Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs an die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, den Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, und den Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, übergeben. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die §§ 218-218a StGB die Grundrechte der schwangeren Person verletzen und die Bundesrepublik gegen ihre völkerrechtlichen Pflichten unter anderem aus der CEDAW verstößt.
Hintergrundinformation: Die Frauenrechtskonvention CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) ist das „Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ . Es ist das wichtigste internationale Abkommen zum Schutz der Rechte von Mädchen und Frauen. Die Frauenrechtskonvention verbietet die Diskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung umzusetzen und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen.Ziel des internationalen Übereinkommens ist die Durchsetzung von Frauenrechten in allen Lebensbereichen und die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung. Die CEDAW beobachtet die deutsche Legislative, Judikative und Exekutive in Bund, Ländern und Kommunen kritisch bei der Umsetzung und Anwendung von CEDAW.
Der Paritätische Gesamtverband, der pro familia Bundesverband und das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, dem auch beide Verbände angeschlossen sind, setzen sich schon seit Jahren für die Entkriminalisierung und die damit verbundene Entstigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein. Sie fordern eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches sowie die Ersetzung der gesetzlichen Beratungspflicht durch einen Rechtsanpruch der schwangeren Person auf Beratung. Die Beratungspflicht könne für Schwangere ohne Beratungsbedarf eine zeitliche Verzögerung des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch mit sich bringen, die nicht im Sinne einer guten Gesundheitsversorgung sei. Die Verbände fordern ein flächendeckendes, kulturell und sprachlich sensibles Beratungsangebot.
Ein wesentlicher Grund für die notwendige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist auch die damit verbundene Entstigmatisierung des Eingriffs. Den bestehenden Zusammenhang zwischen der aktuellen Gesetzgebung und dem existierenden Stigma belegen auch die am 10.04.2024 vorgestellten Ergebnisse der "Studie zur Erfahrung und Lebenslage ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung" . Laut der ELSA Studie gaben 54,4 % der Befragten ungewollt Schwangeren an, Angst gehabt zu haben, dass schlecht über sie gedacht wird. 50 % der Befragten hatten Sorge um die Geheimhaltung des Abbruchs.
Darüber hinaus hat die Studie festgestellt, dass 80 % der Frauen mindestens eine Barriere (Verfügbarkeit, Erreichbarkeit, Bezahlbarkeit, Informiertheit) und knapp 60 % mindestens 2 Barrieren beim Zugang zum Abbruch erlebt haben. 60% der Befragten gaben Schwierigkeiten bei der Organisation des Abbruchs und höchste Schwierigkeit bei der Geheimhaltung an. Insgesamt kommt die ELSA-Studie zu dem Ergebnis, dass die Versorgungslage in Deutschland problematisch ist, insbesondere in den südlicheren Bundesländern (Bayern, Baden-Würtemberg, Rheinland-Pfalz) bestehen große Defizite.
Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty International in Deutschland positionierte sich wie folgt: "Es darf nicht sein, dass – wie von der ELSA-Studie ermittelt – 4,5 Millionen Menschen in Deutschland kein Angebot für einen Schwangerschaftsabbruch in erreichbarer Umgebung haben. Es ist erschreckend, dass jede fünfte Frau von mehr als einer Barriere in der Verfügbarkeit und/oder Erreichbarkeit berichtet. Wie vom UN-Frauenrechtsausschuss gefordert, müssen insbesondere regionale Unterschiede abgebaut werden, die Frauen aus Regionen mit einem geringeren Versorgungsgrad benachteiligen. Auch Benachteiligungen aufgrund finanzieller Möglichkeiten müssen abgeschafft werden und daher sollten – wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen – Abtreibungen durch die Krankenkassen erstattet werden."
Neben den Empfehlungen, die die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs unmittelbar betreffen, spricht sich die Kommission für einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln, auch über das 22. Lebensjahr aus.
test Feray Şahin
