Umsetzung des BTHG ist Menschenrechtsarbeit

Fachinformation - geschrieben am 20.04.2023 - 14:39
Ein Pfleger lacht zusammen mit einem Jungen im Rollstuhl

Personalgewinnung braucht eine neue Haltung

Die Grundlage des seit 2016 geltenden Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ist das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung aus dem bisherigen Fürsorgesystem herausführen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft personenzentriert nach ihren Bedürfnissen zu gestalten.

Dies führt nicht nur zu Mehrkosten im Bereich von Verwaltung und Organisation, sondern vor allem zu einem höheren Bedarf an Personal. Experten gehen von bis zu 25 Prozent mehr Personalaufwand aus. Doch es mangelt gerade am Fachpersonal im Sozialbereich. Aber warum hat ein Arbeitsfeld mit offensichtlichem Sinngehalt ein solches Fachkräfteproblem, obwohl gerade junge Menschen Arbeit mit Sinn suchen und Unternehmen vor allem nach ihrem „Purpose“ bewerten?

Anspruch und Wirklichkeit gehen auseinander

Ein Aspekt mag die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Abwägung gesellschaftlicher Werte sein. Beispielsweise wird die wirtschaftliche Lage regelmäßig gegen die Klimakatastrophe ins Verhältnis gesetzt. Das ist der Versuch, zu priorisieren, zu bewerten, welches Thema denn nun das Wichtigste sei und wofür wir als Gesellschaft zuerst investieren müssten. Unter den derzeitigen Anforderungen wie Klima- und Energiekrise, Ukrainekrieg und Inflation geraten die Wünsche und Rechte von Menschen mit Behinderung aus dem Blickfeld. Das Grundgesetz und in dessen Folge auch das BTHG sind jedoch Grundregeln, auf die sich die Gesellschaft verständigt hat und die weder verhandelt noch gegen andere Bereiche abgewogen werden können.

Ein weiterer Aspekt sind die Bedingungen, unter denen Fachkräfte in der Eingliederungshilfe zunehmend gefordert werden – zunehmender Arbeitsdruck aufgrund Personalmangels bei gleichzeitig gestiegenen Anforderungen.

Problem bei der Rekrutierung von Fachkräften

Dennoch ist Michael Auen, Geschäftsführer der Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften Karlsruhe gGmbH (HWK) mit ihren über 600 Angestellten davon überzeugt, dass es weniger einen Fachkräftemangel, sondern eher ein Problem bei der Rekrutierung gibt: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen wollen, den Weg zu uns finden“, so Auen.

Dazu gehörten nicht nur die klassischen „Goodies“ wie Jobtickets, Kitaplätze, Sonderzahlungen oder flexible Arbeitszeitmodelle, sondern vor allem die Kommunikation eines neuen Selbstverständnisses der Fachkräfte. „Bei unseren Mitarbeiter*innen ist die Umstellung durch das BTHG willkommen“, berichtet Matthias Hacker, Vorstand bei den Tennentaler Gemeinschaften e.V. Sie sähen die Ermöglichung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung als professionelle Unterstützung zum Empowerment. Oder wie Michael Auen es formuliert: „Arbeit im Tätigkeitsfeld des BTHGs ist Menschenrechtsarbeit.“

Dieses Selbstverständnis zeigt ein verändertes Tätigkeitsfeld für Mitarbeiter*innen im sozialen Bereich als Ermöglicher*innen, die im Dreiklang der Arbeit mit Menschen in Klientensystemen, Entwicklung der eigenen Teams/Organisationen und dem Anspruch an die eigene Profession sich selbst weiterentwickeln und dabei ihren Wunsch nach Selbstwirksamkeit und Sinn erfüllen können.

Andrea Sauermost

Leitung Team Unternehmenskommunikation

Koordination Bürgerschaftliches Engagement Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung der Lebenshilfe Karlsruhe

 

Beitrag aus PARITÄTinform 4/2022

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