Spracherkennung in der Pflegedokumentation

Fachinformation - geschrieben am 22.03.2022 - 09:37

Arbeitserleichterung und Zeitersparnis versus alte Gewohnheiten

Die Einführung von EDV-gestützten Dokumentationssystemen in Pflegeeinrichtungen hat in vielen Fällen zu einem höheren Zeitaufwand für die Pflegedokumentation geführt. Eine der Ursachen ist die Eingabe des Pflegeberichts über die PC-Tastatur. Ein großer Teil der Pflegenden kann mit einem Kugelschreiber deutlich schneller schreiben als mit einer Tastatur. Für die Vorteile der digitalen Erfassung (z. B. bessere Lesbarkeit, Suchmöglichkeiten) wird daher ein hoher Preis bezahlt, denn sie verschwendet die wertvollste Ressource der Pflegenden: Zeit.

So kam schon vor einigen Jahren die Idee, Texte mit einer Spracherkennung zu erfassen. Allerdings waren Spracherkennungsprogramme anfänglich noch fehleranfällig und nicht ohne Weiteres mit einer Pflegesoftware kompatibel. Das hat sich inzwischen geändert, denn die Qualität der Spracherkennung ist deutlich gestiegen und eine Integration ist ohne zusätzliche Software möglich.

Neben dem Aspekt der Arbeitserleichterung und der Zeitersparnis gibt es noch eine weitere wichtige Zielsetzung, die für die Einführung der Spracherkennung in der Pflegedokumentation spricht: Die zeitnahe Dokumentation sofort nach der Leistungserbringung. Wird sofort nach der Durchführung einer pflegerischen Unterstützung dokumentiert, ergeben sich eine Reihe von Vorteilen:

  • Es wird weniger vergessen sowie besser und detailgenauer dokumentiert.

  • Es werden Flüchtigkeitsfehler vermieden, die bei einer „Masseneingabe“ am Schichtende oftmals passieren.

  • Man erspart sich die „doppelte Buchführung“ (handgeschriebene Notizen, die am Schichtende in die Software übertragen werden).

  • Zeitnahe Dokumentation führt zu einer „gedanklichen Entlastung“. Was dokumentiert ist, muss man sich nicht mehr „im Hinterkopf“ behalten.

Einführung der Spracherkennung

Wenn, wie in unserer Einrichtung, die Dokumentation bereits EDV-gestützt erfolgt, ist die Einführung des Bausteins „Spracherkennung“ denkbar einfach und mit wenig Aufwand verbunden. Bei den Übergaben wurde den Mitarbeitenden erläutert, wie die Spracherkennung funktioniert und worauf zu achten ist. Da diese Neuerung eine Arbeitserleichterung darstellte, war die Bereitschaft der Anwendung von Anfang an sehr groß.

Bei der Einführung wurde auf die Verbesserung der Dokumentationsqualität durch zeitnahe Dokumentation hingewiesen. Die Sinnfrage sollte aus unserer Sicht gerade bei der Nutzung von digitalen Möglichkeiten immer im Vordergrund stehen. Denn nicht alles, was möglich ist, bringt Vorteile. Für die Umsetzung von technischen Spielereien ist die Zeit der Pflegekräfte eine zu wertvolle Ressource.

Technische Voraussetzungen einer sprachgesteuerten Pflegedokumentation

Die Spracherkennung kann unabhängig vom Anbieter der Pflegesoftware erfolgen. Wir nutzen dazu die Spracherkennung, die heutzutage standardmäßig auf jedem Smartphone integriert ist. Voraussetzung ist daher nicht die Spracherkennungsfähigkeit der Software, sondern die Möglichkeit der mobilen Dokumentation mit der Software.
Da die Qualität der Online-Spracherkennung spürbar über dem Niveau der Offline-Spracherkennung liegt, wurde im ersten Schritt die WLAN-Ausleuchtung in unseren Gebäuden verbessert. Hierbei wurde darauf geachtet, dass in jedem Bewohnerzimmer WLAN-Empfang möglich ist.
Für den Bereich der stationären Pflege wurden Smartphones angeschafft, auf die unsere Pflegesoftware (Vivendi PD mobil) installiert wurde. Im Bereich Betreutes Wohnen, der durch den internen ambulanten Dienst versorgt wird, wird schon seit 2007 mit mobilen Geräten gearbeitet. Bis dato wurden die mobilen Geräte im ambulanten Bereich jedoch nur zur Leistungserfassung und nicht zur Erfassung des Pflegeberichts genutzt. Dieser wurde bis zur Einführung der Spracherfassung händisch erfasst.
In unserem „klassischen“ ambulanten Dienst, der im Stadtgebiet Lörrach tätig ist, wurde auf die Einführung der Spracherkennung verzichtet. Hier ist die (hand-)schriftliche Pflegedokumentation ein wichtiges Informationsmedium für die Angehörigen.

Praktische Erfahrungen

Bei der Umstellung vom alten System auf das Neue haben sich bei uns deutliche Unterschiede gezeigt. Im hausinternen ambulanten Dienst, wo seit Jahren mit mobilen Geräten gearbeitet wird, funktionierte der Übergang auf die Spracherkennung praktisch nahtlos. Der bis dahin verwendete Pflegebericht auf Papier wurde abgeschafft und die Spracheingabe angewendet. Einzelne Pflegekräfte sind so geschickt mit der Smartphone-Tastatur, dass sie diese lieber nutzen, als die Spracheingabe. Die Mehrheit nutzt jedoch die Spracheingabe.

Im stationären Bereich ergab sich ein anderes Bild. Hier waren die Mitarbeitenden seit Jahren daran gewöhnt, die komplette Dokumentation per EDV abzuwickeln. Die Dokumentation aller Berichte per PC-Tastatur am Schichtende war und ist ein tief verwurzeltes Ritual. Die Nutzung der Spracherkennung hat sich deshalb in diesem Bereich bisher kaum durchgesetzt.

In beiden Bereichen, ambulant und stationär, lässt sich feststellen, dass unser Hauptanliegen, die zeitnahe Dokumentation, zwar Fortschritte gemacht hat, aber nach wie vor deutlich hinter den Erwartungen liegt.

Auch hier spielen Gewohnheiten eine entscheidende Rolle. Auf eine Veränderung dieser Gewohnheiten hinzuwirken, erfordert eine gezielte Umsetzungsplanung mit allen Beteiligten und regelmäßige Feedbackschleifen, um „Rückfälle“ zu vermeiden. Eine Einführung wie bei der Spracherkennung, die quasi „nebenbei“ erfolgte, ist hier nicht ausreichend.

Die schwierige Corona-Situation hat uns daran gehindert, dieses Projekt intensiviert anzugehen. In der Hoffnung, dass sich im kommenden Jahr die Situation entspannt, wird das Thema „zeitnahe Dokumentation“ sicher wieder auf die Liste unserer priorisierten Projekte kommen.

Wir sind davon überzeugt, dass die Verwendung der Spracherkennung in der mobilen Dokumentation hierbei eine praktikable und einfache Unterstützung der Pflegenden bietet. 

Marcus Ehmann
Pflegedienstleitung
GEVITA Residenz Lörrach
Beitrag aus ParitätInform 4/2021

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