Proaktiv gestalten statt reaktiv verwalten

Fachinformation - geschrieben am 27.03.2024 - 16:43
Schnuller auf Tastatur

Die Corona-Pandemie hat die sozialen Ungleichheitsbedingungen für Familien in unserer Gesellschaft deutlicher vor Augen geführt als alle bisher bekannten Studienergebnisse. Der Lockdown als Eindämmungsmaßnahme für das Virus stellte das Zusammenleben in den Familien auf die Zerreißprobe und brachte eine Reihe von Mehrfachbelastungen mit. Unzureichender Wohnraum ohne Rückzugsmöglichkeiten, Home-Schooling, Kinderbetreuung, Hausarbeit und Home-Office führten dazu, dass die Anspannung in den Familien stetig wuchs und sie sich in ihrer Ohnmacht von der Politik im Stich gelassen fühlten.

 

Mit dem sogenannten Social Distancing brachen für die Familien wertvolle Unterstützungsmöglichkeiten durch Großeltern, andere Familienmitglieder und Freundeskreis von heute auf morgen weg. Kinder und Jugendliche mussten auf Spiel, Spaß und Hobbies außerhalb des Elternhauses verzichten. Der fehlende Kontakt zu Freunden und Gleichaltrigen stürzte viele Familien, Kinder und Senior*innen in Einsamkeit und soziale Isolation. Es waren vor allem Mütter, die in der Pandemie in traditionelle Geschlechterrollen zurückfielen und alleinerziehende Eltern, die vor der kaum alleine zu bewältigenden Herausforderung standen, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

 

Familien haben viel gelernt aus der Corona-Pandemie

Laut einer Umfrage von Yougov im Mai 2021 gaben rund 23 Prozent der befragten Familien in Deutschland an, dass sich ihre Familie durch die Corona-Maßnahmen weiter voneinander entfernt hätte. Nur 16 Prozent gaben an, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus den Familienzusammenhalt gestärkt hätten. Ob die Familien gestärkt oder geschwächt aus der Corona-Pandemie herausgegangen sind, sei mal dahingestellt. Mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen ist es umso wichtiger, den Fokus auf die Tatsache zu konzentrieren, dass die Familien viel gelernt haben aus der Corona-Pandemie. Sie haben den Umgang der Bundes-, Landes-, und Kommunalpolitik mit den Herausforderungen der Pandemie intensiv beobachtet. Sie haben gelernt, welche Mechanismen in den Kommunen gut und weniger gut oder gar nicht funktionieren, welche Stellschrauben im System besonders fragil sind, wie weit es mit der hochgelobten Digitalisierung vor Ort aussieht und letztendlich haben sie realisiert, wie familienfreundlich ihre Kommunen tatsächlich aufgestellt sind.

 

Kinder- und familienfreundliche Kommunalpolitik als Zukunftsstrategie

Der demografische Wandel, mangelnde Arbeits- und Fachkräfte, Faktoren wie Betreuungs- und Bildungsqualität in den Regionen, familiengerechte Sozialräume und nicht zuletzt die Diskussionen rund um den gesellschaftlichen Zusammenhalt führen immer mehr dazu, dass sich die Kinder- und Familienfreundlichkeit von Kommunen zu einem ernst zu nehmenden Standortfaktor entwickelt.

 

Familien von heute suchen ihr neues Zuhause gezielt nach Kriterien der Kinder- und Familienfreundlichkeit von Kommunen aus. Städte und Gemeinden, die eine gute Verkehrsanbindung haben, die dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gerecht werden, in denen die frühkindliche Bildung mit den geringsten Elternbeiträgen angeboten wird, die Sozialräume familiengerecht gestaltet sind und in denen Organisationen mit vielfältigen Unterstützungsangeboten angesiedelt sind, sind attraktiv für Familien.

 

Städte und Regionen, die diese Kriterien erfüllen, sind auch ökonomisch für die Zukunft gewappnet. Attraktive Bedingungen für Familien und kommunale Bestrebungen nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wichtige Standortfaktoren, die mit zunehmendem Arbeits-und Fachkräftebedarf immer mehr an Bedeutung gewinnen. Kommunen, die den Familien gute Lebens- und Rahmenbedingungen bieten, können sowohl Unternehmen als auch Arbeits- und Fachkräfte anziehen wie ein Magnet.

Bausteine einer Kinder- und familienfreundlichen Kommunalpolitik

Die Bedürfnisse von Familien sind so vielfältig wie ihre Lebensformen und ändern sich je nach Familien- und Lebensphase. So ist es selbstverständlich, dass Familien mit Kleinkindern andere Bedürfnisse haben, als die mit Jugendlichen.

 

Genauso brauchen Familien in Doppelverdiener-Haushalten andere Rahmenbedingungen und Unterstützungsmöglich- keiten als Alleinverdienende bzw. Alleinerziehende. Hinzu kommen die unterschiedlichen Bedürfnisse einzelner Familienmitglieder. Letztendlich hängt die Beurteilung der Familienfreundlichkeit in Kommunen von der Haltung und Einstellung der Eltern ab. Denn ebenso vielfältig wie die Lebensformen, können auch die Einstellungen zur Familienfreundlichkeit sein. Demnach ist die Festlegung von Kriterien für die Kinder- und Familienfreundlichkeit in Kommunen und die gleichzeitige Berücksichtigung der Interessen aller Betroffenen eine große Herausforderung. Daher ist es unabdingbar, den Bedarf der Familien vor Ort zu kennen und sie an den Entscheidungen der geplanten Maßnahmen zu beteiligen.

 

Die Kommunalwahl als „Königsdisziplin“ der Demokratie

Eine familiengerechte Kommunalpolitik ist kein Luxus, sondern eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Maßnahmen der Kommunalpolitik, die die Familien stärken und unterstützen, schaffen die Grundlage für eine lebenswerte, resiliente und demokratische Gemeinschaft, die auch den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.

 

Die Kommunalpolitik ist zweifellos jene, die am nächsten an den Menschen dran ist. Bürger*innen sind von diesen politischen Entscheidungen unmittelbar betroffen. Auf keiner anderen Ebene sind ihre Möglichkeiten zur Mitwirkung und Einflussnahme vielfältiger und nirgends sonst stehen politische Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Wählerschaft so dicht und direkt beieinander, als in der Kommunalpolitik.

 

Es ist an der Zeit, dass die sich teils auch wandelnden Bedürfnisse von Familien in den Kommunen berücksichtigt werden. Alle Bürger*innen haben die Möglichkeit, diese Veränderung herbeizuführen, indem sie bei den bevorstehenden Kommunalwahlen Kandidat*innen wählen, die sich für Demokratie und eine familiengerechte Politik einsetzen und ein Zeichen für eine lebenswerte Zukunft für alle Familien in unseren Gemeinden setzen.

 

Der Paritätische fordert

  • Strukturelle Absicherung von Maßnahmen und Angeboten in der Familienbildung und Familienberatung
  • Familienfreundliche Stadtplanung und die Schaffung von familiengerechten Sozialräumen
  • Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität und der gesellschaftlichen Teilhabe, insbesondere von sozial benachteiligten Familien
  • Schaffung von smarten Lösungen wie die digitale Vernetzung von Hilfestrukturen
  • Bereitstellung von kostenlosen Hygieneartikeln für Mädchen und Frauen in öffentlichen Gebäuden

 

 

Beitrag aus ParitätInform 01/2024

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