Pflege digitalisiert

Fachinformation - geschrieben am 14.03.2022 - 10:59
Junge Frau am Tablet

Die Idee der Gründer*innen des 2005 in Freiburg gegründeten ambulanten anthroposophischen Pflegedienstes „Lukaspflege e.V. war es, eine individuelle Pflege auf Grundlage des anthroposophischen Menschenbildes zu verwirklichen. Kollegiale, dialogische Zusammenarbeit ist für alle am Pflegeprozess Beteiligten ein wichtiges Anliegen.

Im Mittelpunkt der anthroposophischen Pflege, Betreuung und hauswirtschaftlichen Hilfe steht die individuelle Begleitung der Patient*innen. In der Lukaspflege findet der Mensch mit seiner Biografie seinen Platz in einem würdevollen Umgang. So fließen seine Fähigkeiten ebenfalls in die tägliche Zusammenarbeit ein. In den regelmäßigen Teamsitzungen reflektieren die Pflegenden daraufhin ihr Handeln.

 

 

Junge und alte Hand miteinander

Alles Lebendige braucht Pflege.

Rolf Heine, Leitsatz der Lukaspflege e.V.

Kann eine digitale Pflegedokumentation Pflegende entlasten?

Intern wurden im Februar 2017 alle Mitarbeiter*innen aus der Pflege, Sozialbetreuung und Verwaltung zu einem Gedankenaustausch eingeladen.

Im Mittelpunkt stand die Frage: „Was unterscheidet die Lukaspflege von anderen Pflegediensten?“ und „Wie kann die Organisation, wie bei anderen Pflegediensten (Buurtzorg), durch eine Digitalisierung erleichtert und verschlankt werden?“ Kann beispielsweise die interne Kommunikation und Dokumentation digital vereinfacht werden, obwohl die sehr individuelle Pflege des einzelnen Patienten intensiven (persönlichen) Austausch erfordert? Können Mitarbeiter*innen zu erbringende Leistungen direkt vor Ort einsehen bzw. überprüfen und können umfassende Informationen von überall eingegeben und abgerufen werden? Vereinfacht und verbessert sich die Leistungsabrechnung? Führt die Digitalisierung zur Einsparung von Papier?

Eine Auswahl an verschiedenen Programmen für die ambulante Pflege wurde durch das Qualitätsmanagement gesichtet und in einem weiteren Schritt dem gesamten Team vorgestellt. Gemeinsam wurden Vor- und Nachteile sowie Ängste und Sorgen bewegt und bearbeitet. Die Äußerungen reichten von: „Ich bin neugierig auf den Einsatz von Technik in der Pflege“ bis „Mir fällt es schwer, technischen Geräten zu vertrauen und wie steht es um den Datenschutz?“ Oder: „Ich frage mich, ob ich den Umgang mit einem Tablet in meinem Alter noch lernen kann“ und: „Wird der persönliche Austausch bei der Übergabe weiterhin möglich sein?“

Einstimmig ging es in die Erprobungsphase

Das Team entschloss sich einstimmig für eine mobile Dokumentation, Zeit- und Leistungserfassung, Dienst- und Einsatzplanung sowie Erfassung der Statistik und Anpassungsmöglichkeiten nach pflegerischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Wertvolle Entscheidungshilfen bei der Auswahl des passenden Programmes konnten im Sozial-Pädagogischen Zentrum „Haus Aja Textor-Goethe“ in Frankfurt gesammelt werden. Mitte 2018 fiel dann die Entscheidung für eine gängige Software. Der Förderzuschuss der Pflegekassen nach § 8 Abs. 8 SGB XI von 12.000,- Euro wurde für die Anschaffung voll ausgeschöpft.

Anfang 2019 konnte die Hardware (Server, Tablets, größere Bildschirme) erworben und installiert werden. Die Mitarbeiter*innen wurden durch die Qualitätskoordinatorin geschult. Geduldig begleitete diese die Tourenfahrer*innen z. B. zu Beginn und in der Nachbereitung der Touren im Umgang mit dem Tablet. Über den Zeitraum von zwei Monaten liefen das alte und das neue Programm parallel. Die erste Abrechnung über die neue Software konnte im März 2019 erstellt werden. Mit jedem Monat stellte sich mehr Routine ein. Insgesamt dauerte die gesamte Umstellung ein Jahr.

Erste Auswertung nach einem Jahr

Im Mai 2019 wurde im Team eine erste Auswertung unter dem Titel: „Wie geht es uns mit dieser Software?“ vorgenommen, um den weiteren Handlungsbedarf zu ermitteln. Die Rückmeldungen reichten von: „ Ich finde die Wunddokumentation wird nur erschwert möglich“, „Mitarbeiter haben noch zu wenig Übung“, „Haben wir dadurch mehr Zeit für unsere Patienten gewonnen?“, „Abrechnung optimiert; besser ohne EDV nicht möglich“, die “Pflegedokumentation ist durch die SIS kompakt und übersichtlich“, „Erleichterung der Dokumentation auf der Tour“ bis hin zu: „mit dem Tablet habe ich nun alles immer auf der Tour dabei – das ist entlastend“.

Das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen

Wie steht es mit der Software im dritten Jahr? Sicher ist, dass das Team nicht mehr zum alten Zustand zurück möchte. Bei der Abrechnung zeigt sich, dass sie durch die mobile Zeiterfassung genauer, für den Pflegedienst wirtschaftlicher sowie für die Klienten transparenter geworden ist. Der Papierverbrauch ist zurückgegangen, allerdings sind die laufenden Kosten für Support durch externe IT-Dienstleister und der Stromverbrauch angestiegen. Der Support funktioniert gut und wird genutzt, um verschiedenste kleine oder größere Fragen zu beantworten, aber auch, um das Programm immer noch passgenauer auf die Bedürfnisse des Betriebs auszurichten. Längst werden noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Manche Arbeitsprozesse und -belastungen können nur bedingt durch die Digitalisierung vereinfacht werden.

Positiv stellt sich im Team die interne Kommunikation und Dokumentation der Pflege dar. Die Dokumentation erfolgt, so der Teambeschluss, nicht beim Patienten, sondern unmittelbar nach dem Besuch. Übergaben oder beispielsweise die Kommunikation zu den aktuellen Corona-Maßnahmen erwiesen sich als überaus problemlos. „Aber, und das ist sehr wichtig: Das persönliche Gespräch mit der Möglichkeit zu fragen und zu antworten, ist durch nichts zu ersetzen!“, betont die Agnes Ludemann, Pflegedienstleiterin der Lukaspflege e.V. Dieser Austausch wird weiter gepflegt, und dafür nimmt man sich Zeit in der Lukaspflege, damit das zwischenmenschliche Miteinander nicht verloren geht. Alles Lebendige braucht Pflege, oder nach Goethe „Was ist erquicklicher als Licht? Das Gespräch!“

Beate Kierey
stellv. Pflegedienstleitung
Lukaspflege e.V.
 
Beitrag aus ParitätInform 4/2021

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