The New Normal braucht New Social Work!

Fachinformation - geschrieben am 19.04.2022 - 10:29

Impact first, tools second

Aus Perspektive der Sozialen Arbeit zeigt sich, dass Krisen Daseinszweck oder „purpose“ sozialer Organisationen sind. Krise ist „das Normal“ sozialer Organisationen.

Was ist „neu“?

Neu ist unsere Arbeitswelt. Diese neue Arbeitswelt hat Einfluss darauf, wie wir Soziale Arbeit gestalten. Homeoffice, remote work, Zugangsbeschränkungen, Existenzangst trotz Systemrelevanz und vieles mehr ist neu. Eine Pandemie hat niemand von uns zuvor erlebt. Von jetzt auf gleich mussten wir unseren Krisenmuskel trainieren. Die Kombination des

„Neuen“ mit dem „Normalen“ zeigt jedoch, dass sich soziale Organisationen mit der Verbindung schwertun: Wir können Krise in unseren Angeboten, aber der Umgang mit Veränderung ist nicht unsere Stärke.

 

Wir können Krise!

Aber stimmt das? Stimmt das Narrativ „tradierter sozialer Organisationen“, die „nicht innovativ“ und damit „nicht wandlungsfähig“ sind? Mussten sozial-gemeinnützige Organisationen nicht schon immer innovativ sein, um mit begrenzten finanziellen Mitteln Soziale Arbeit zu leisten? Hinzu kommt, dass Soziale Arbeit in der Regel in direkter Interaktion geschieht und damit kaum standardisierbar ist. Immer

wieder neu müssen kreative Wege für die Klientel gefunden werden. Das ist komplex. Was wäre, wenn das „neue Normal“ bereits Einzug in den Alltag sozialer Organisationen gehalten hätte? Wie wäre es, wenn wir uns selbst ernst nehmen, unsere Profession selbstsicher(er) „vermarkten“ würden? Denn: Unser Job ist es, Komplexität innovativ zu gestalten! Damit nehmen wir eine Vorreiterrolle in diesem „New Work“ ein und schauen der Zukunft der Arbeit nicht aus einer „schwachen“ Position heraus hinterher.

Wenn wir „New Work – Vorreiter“ sein wollen, müssen wir uns ernst nehmen und selbstbewusst auftreten. Das sollte uns in der Pandemie im Großen nicht schwerfallen: Unsere Branche ist nicht nur systemrelevant, sie ist (über-)lebens- relevant für die Menschen, die unsere Hilfe suchen! Die Arbeitsfelder Sozialer Arbeit sind jetzt und in Zukunft wichtiger denn je. Und das gilt es laut, entschieden, effizient und sympathisch-überzeugend immer wieder in Politik, Gesellschaft und Medien zu betonen! Hier gibt es keinen Zweifel:

Soziale Arbeit ist system- und (über-)lebensrelevant!

Wir können uns aber auch im Kleinen, an der Basis, im täglichen „Doing“ und der Gestaltung unserer Organisationen ernst nehmen. Das wird deutlich, wenn man die Grundprinzipien von New Work zugrunde legt: Sinn, Ganzheitlichkeit und Selbstbestimmung lassen sich übertragen auf die Art, wie wir unsere tägliche Arbeit gestalten (sollten). Die Verbindung der Grundprinzipien von New Work mit der Sozialen Arbeit führt zur New Social Work im besten Sinne.

New Social Work im besten Sinne

Ob Soziale Arbeit nun digital wird, ob Homeoffice möglich ist, wie unsere Büros aussehen, welche Rolle Daten und künstliche Intelligenz spielen werden …, das alles ist dabei sekundär. Prioritär im „neuen Normal“ ist die Maximierung des Impacts im Sinne der sozialen Wertschöpfung. Wie gelingt es, echten Mehrwert für unsere Klientel zu generieren? Aus dieser Perspektive bestimmen nicht die in vielen Fällen sinnvollen Werkzeuge die Arbeit, sondern umgekehrt: Der Zweck unserer Arbeit und die anstehenden Aufgaben bestimmen die Werkzeuge. Und der Zweck sollte ebenfalls definieren, wie wir unsere Organisationen strukturieren.

Wertschöpfung in diesem Sinne gelingt durch sogenannte „rekursiv-fraktale Organisationen“. Die Zukunft sozialer Organisationen sind selbst bestimmt agierende Teams. Sie können im direkten Kontakt entscheiden, was wirklich wichtig ist. Sie können schnell, fachkompetent, kraftvoll und systemisch auf komplexe Anforderungen reagieren. Daraus ergeben sich Handlungsnotwendigkeiten für soziale Organisationen mit Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die echte Chancen bieten.

Im Blick zurück den eigenen Kern finden!

Wozu existiert unsere Organisation? Es lohnt sich, in die Historie zu schauen, um den eigenen Kern freizulegen. Aus dieser Perspektive lässt sich Zukunft gestalten. 

 

Porträt Stephen Ambrose

Die Vergangenheit ist eine Quelle des Wissens, die Zukunft ist eine Quelle der Hoffnung. Die Vergangenheit zu lieben, lässt uns an die Zukunft glauben.

Foto: https://de.wikipedia.org/wiki/Stephen_E._Ambrose
Stephen Ambrose, amerikanischer Historiker

Im Jetzt gestalten!

Die Zukunft können wir nur heute gestalten. Dafür müssen wir anwesend (aber nicht zwingend analog) sein. Otto Scharmer hat dazu die Wortschöpfung „presencing“ geschaffen als Verbindung aus „sensing“ (fühlen) und „presence“ (Anwesenheit). Der Begriff meint (verkürzt): Menschen ver- folgen gemeinsame Ziele ohne Angst vor Statusverlust oder versteckter „Agenda“ und sie lassen sich auf Andere ein. Daraus entsteht kollektive Kreativität, die neue Wege für morgen im Heute ermöglicht. Voraussetzung dafür ist, dass es gelingt, „angstfreie“ Organisationen zu gestalten, die die Potenziale der Menschen zur Geltung kommen lassen.

In der Zukunft mutig Neues wagen!

Das Gehen neuer Wege erfordert eine „experimentelle Grundhaltung“. Dabei sind Experimente keine tollkühnen Harakiri-Ritte. Gemeint sind strukturierte Interaktionen, bestehend aus der Beobachtung, der Ableitung und dem Test von Hypothesen. Dazu müssen wir lernen, systematisch unsere Arbeit zu reflektieren und Anpassungen vorzunehmen.

Zusammengefasst sind die Herausforderungen vielfältig. Aber es bieten sich Chancen für Organisationen, die trotz aller Anstrengung in den letzten beiden Jahren die Kraft haben, mit Ausrichtung auf ihren Zweck und die soziale Wertschöpfung Zukunft zu wagen – ob digital oder analog ist sekundär. 

 

Hendrik Epe

IdeeQuadrat

 

Beitrag aus PARITÄTinform 1/2022

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