Die Arbeitswelt nach der Pandemie – Chancen und Vorteile erkennen und nutzen
Megatrends wie Digitalisierung und Globalisierung verändern nicht nur Industrien, Produktions- und Arbeitsprozesse sowie den Handel. Sie beeinflussen auch, wie, wann und wo wir in Zukunft arbeiten werden. Die Coronapandemie veränderte schneller und radikaler als jedes andere Ereignis der letzten 50 Jahre unsere Arbeitswelt. Sie hat bewirkt, dass die Auswirkungen und Chancen dieser Megatrends spürbar in der Lebens- und Arbeitsrealität vieler Arbeitnehmer*innen angekommen sind.
Die Pandemie als Beschleuniger für digitales Arbeiten
Die Pandemie erforderte von Beginn an ein unmittelbares, weltweites Krisenmanagement, dessen Maßnahmen mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden. Hundertausenden Arbeitnehmer*innen wurde von einem Tag auf den anderen der Zugang in die Büros und Arbeitsstätten reglementiert. Dem Dienstleistungsgewerbe musste zu großen Teilen die Grundlage für eine selbstverdiente Existenz entzogen werden. Kunst- und Kulturschaffende haben von einen Tag auf den anderen ihr Publikum, ihr Einkommen und oftmals auch ihre Kreativität verloren. Mit großer Geschwindigkeit haben Unternehmen versucht, die Folgen dieser Maßnahmen durch ein nie da gewesenes Upgrade ihrer digitalen Infrastruktur (Hard- und Software) abzufangen.
Es geht nicht mehr zurück
Wir müssen uns mit diesen Veränderungen auseinandersetzen, denn es ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen zum Management der Coronapandemie nicht mit der gleichen Schnelligkeit und Radikalität, mit der sie umgesetzt wurden, wieder zurückgenommen werden. Die Normalität aus dem Jahr 2019 wird nicht zurückkehren. Im Gegenteil: Die durch die Coronapandemie beschleunigte Umsetzung von Megatrends wird auch zukünftig massive Veränderungen in der Arbeitswelt nach sich ziehen. New Normal ist der Begriff, der das Ergebnis dieser (beschleunigten) Transformation beschreibt. Genau jetzt ist die Zeit, dieses neue Normal aktiv zu gestalten.
Arbeit ist ein Gesundheitsfaktor – auch im Homeoffice
Psychische Krankheiten und Mehrfachbelastungen durch die Vereinigung von Berufs- und Privatleben in der digitalen Welt auf der einen und soziale Isolation und Vereinsamung auf der anderen Seite müssen für die Zukunft durch die Erarbeitung eines konsentierten Zielbildes vom Leben und Arbeiten im New Normal adressiert werden. Aus diesem Zielbild müssen Arbeitgeber*innen Maßnahmen ableiten, um diese Entwicklung in eine positive und mehrwertstiftende Richtung für alle zu lenken. Standards für die Gesundheitsvorsorge und Lebensqualität müssen in der neuen Situation konsequent ins Homeoffice übertragen werden. So können sich die positiven Effekte wie der Wegfall von Wegzeiten oder die Flexibilisierung der Arbeit und damit die bessere Integration in den eigenen Alltag auch nachhaltig auswirken. Das über- geordnete Ziel einer individuell gesundheitsfördernden und somit auch langfristig gesundheitserhaltende Arbeitsumwelt kann im New Normal gelingen, wenn das Homeoffice nicht als spontaner Ersatz, sondern als fester Arbeitsort – dort wo möglich – von Beginn an mitgedacht wird.
Neue Anforderungen an Zusammenarbeit und Führung
Wenn Arbeit zunehmend zeitlich und räumlich flexibler wird, stellt sich die Frage, wie diese neue Arbeitswelt organisiert werden soll, da bisherige Steuerungs- und Führungsstrukturen nur noch eingeschränkt funktionieren. Nicht mehr das Management steuert die Belegschaft, die Einzelnen steuern sich vielmehr zunehmend selbst – in ihrem Tagesablauf, in ihrer Erreichbarkeit, in ihrem Lernwillen und in ihrem Stressmanagement.
Die schnelle und ortsunabhängige Kollaboration eröffnet Möglichkeiten für eine funktions- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit und beschleunigt Wissenstransfer sowie Ideenfindung. Informationen sind von überall abrufbar; Zusammenarbeit kann unabhängig von Standorten und Firmenzugehörigkeiten erfolgen. Teams werden diverser und beweglicher, Hierarchien flacher, Organisation und Arbeitsweise agiler. Alle diese Entwicklungen erfordern neue Steuerungs- und Führungsmodelle in der Zusammenarbeit von Teams und in Organisationen. Dafür braucht es eine Unternehmenskultur, die der digitalisierten Welt entspricht, die den permanenten Wandel zulässt und Innovation fördert. Im Idealfall werden so Ineffizienzen klassischer Unternehmensbürokratie abgebaut. Transparentere Entscheidungen führen zu besseren Ergebnissen.
The New Normal braucht den Kulturwandel
Eine Weiterentwicklung der bestehenden Unternehmenskultur in Bezug auf die neue Arbeitswelt erscheint also alternativlos. Die nächsten Monate eröffnen die Chance, (digitale) Arbeit neu zu denken. Die Lösungen für die eigenen Anforderungen müssen sich alle Organisationen erarbeiten; das sollte partizipativ und transparent, gemeinsam mit den Mitarbeitenden sowie bedürfnisorientiert stattfinden. Im Rahmen gemeinschaftlicher Anstrengungen muss zunächst ein Konsens über die Notwendigkeit, die Möglichkeit und vor allem den Erfolg für alle bei der Etablierung neuer Arbeitsmodelle erzielt werden. Dafür ist es wichtig, Werte, Zusammenarbeitsformate, Kommunikation, Führung, Leistungsmessung etc. zu hinterfragen und neu zu definieren. Es gilt, Vorteile zu erkennen und zu nutzen sowie gleichzeitig mögliche negative Auswirkungen wie Entgrenzung von Arbeitszeit nicht aus dem Auge zu verlieren.
Wie gut sich die Unternehmen auf das New Normal einstellen, wird in der Zukunft ein entscheidender Erfolgsfaktor sein, vor allem im Wettbewerb um gute und geeignete Bewerber*innen.
Rebecca Görmann
Beitrag aus PARITÄTinform 1/2022