Zukunft braucht Mut
Innovationskraft erfordert einen Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit
Innovationskraft meint die Fähigkeit, neue und kreative Lösungen für Strukturen, Prozesse und Leistungen zu entwickeln in Zeiten der Veränderungen, wie wir sie derzeit erleben. Das heißt, Innovationskraft wird gebraucht, wenn alte Lösungen zur Bewältigung neuer Herausforderungen nicht mehr taugen bzw. ggf. sogar zu deren Entstehung beigetragen haben.
Eine Neuorientierung im oben beschriebenen Sinne erfordert ein Loslassen bisheriger Sicherheiten, Gewissheiten und kratzt womöglich schmerzhaft am bisherigen Selbstverständnis Sozialer Arbeit, die in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge einer gesellschaftlichen Übereinkunft zur Sozialen Marktwirtschaft unter weitgehend stabilen Bedingungen tätig sein konnte. Und sie erfordert mehr interdisziplinäre und ge- nerationenübergreifende Zusammenarbeit in Teams und organisationsübergreifend, ein neues Verständnis von Sozialer Arbeit, d.h. weg vom rein administrativen Case-Management hin zur konsequenten sozialräumlichen Netzwerkarbeit und einer Kultur, die von Mut und Begeisterung für die Sache geprägt ist.
Gewissheiten stehen in Frage
In dieser Situation befindet sich aktuell die Sozialwirtschaft. Die Gewissheit von Solidarität als Grundwert unserer Gesellschaft steht politisch in Frage, die Verlässlichkeit von Finanzierung bröckelt, der öffentliche Rechtfertigungsdruck für soziale Dienstleistungsunternehmen steigt und für die Umsetzung von guten Ideen fehlt das Fachpersonal. Damit stehen die bisherigen Pfeiler der Sozialwirtschaft – nämlich ein eindeutiger politischer Auftrag, eine verlässliche Refinanzierung im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips und eine garantierte Fachlichkeit in Frage.
Neues Verständnis von Sozialer Arbeit Innovationskraft bedeutet vor diesem Hintergrund die Bereitschaft, sich von alten Gewissheiten und damit auch Abhängigkeiten zu lösen und neue Ressourcen zu erschließen. Das könnten beispielsweise neue Partnerschaften mit Start-ups und Unternehmen der freien Wirtschaft sein, eine konsequente Orientierung raus aus manchmal zu starren Organisationskorsetten und eine konsequente Beteiligung in den Sozialräumen bedeuten und auch ein modernes Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement erfordern.
Sozialräumliche Netzwerkarbeit ist ein Schlüssel
Und für Innovationen braucht die Sozialwirtschaft ein gutes Netzwerk aus Politik, den öffentlichen Verwaltungen, den Akteur*innen des bürgerschaftlichen Engagements und den Sozialorganisationen, die über Kraft und Ideen verfügen und diese der Sozialwirtschaft zur Verfügung stellen. Das setzt die Kenntnis bzw. das Bewusst- sein voraus, dass eine gesunde und funktionierende Sozialwirtschaft die Voraussetzung für eine stabile, friedliche und damit leistungsfähige Gesellschaft ist, die wiederum eine Voraussetzung für eine gesunde und florierende Marktwirtschaft darstellt.
Nach diesem Verständnis wären Sozialunternehmen dann keine Bittsteller oder Spendenempfänger, sondern Partner, mit denen ein für beide Seiten gewinnbringender Austausch von Ideen, Geld und Dienstleistungen stattfinden würde. Regionale Bündnisse müssen sowohl ideell als auch finanziell so gefördert werden, dass sie mit Freude und Zuversicht agieren können.
Michael Auen
Erster Vorstand Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung e.V.
Hauptgeschäftsführer der Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften
Beitrag aus ParitätInform 3/2024