Mütter brauchen gute Netzwerke

Fachinformation - geschrieben am 28.06.2023 - 12:16
Viele Mütter leiden unter Kraftlosigkeit, verschärft durch die Kita­ und Schulschließungen während der Corona­ Pandemie sowie die aktuellen Krisen. Mütter brauchen Stabilität für den Familienalltag, Vertrauen und Zukunftsperspektiven für sich und ihre Kinder. Gute Netzwerke zur Entlastung und Unterstützung, wie sie Mütterzentren und selbsthilfeorientierte Familienzen­ tren bieten, sind extrem wichtig. Auch die Wissenschaft bestätigt: Mütterzentren wirken – und es lohnt sich, sie nachhaltig zu stärken.

Die Maßnahmen während der Corona-Pandemie haben den Alltag vieler Familien verändert. Bei den Familien, mit denen Mütter- und Familienzentren in Kontakt standen, war eine Überforderung spürbar, vor allem aber eine enorme Kraftlosigkeit der Eltern.

Auch Elternbefragungen[1] kamen zu diesem Ergebnis: Die Eltern hätten keine Kraft, ihre Stimme zu erheben und ihre Bedürfnisse zu äußern. Die Leittragenden der Krise seien vor allem die Kinder und die Mütter. Und: Je länger die Krise dauere, desto schwieriger sei es, den Alltag und die Strukturierung des Tagesablaufs zu bewältigen und die Motivation aufrecht zu halten.[2]

Krisenmodus ist die neue Normalität

Das Problem: Der Krisenmodus ist jetzt der Normalmodus. Kitas verkürzen vielerorts die Betreuungszeiten, weil Personal fehlt. Insbesondere Mütter rotieren immer noch mehr zwischen Familie, Job und ihren eigenen Ansprüchen, für alle da zu sein. Selbstfürsorge? Fehlanzeige.

Mütter brauchen dringend Entlastung und Entspannung. In einer von Krisen bestimmten Zeit geht es darum, den Umgang zu Begegnung und Nähe wieder zu normalisieren und die Resilienz der Familien zu stärken und zu stabilisieren. Selbstwirksamkeit, Bindung und Netzwerke sind dafür zentrale Faktoren. Corona hat uns auch gelehrt, wie wichtig Gemeinschaft ist bzw. wie krankmachend Einsamkeit sein kann.

Netzwerke bieten mehr als Dienstleistungen

Mütter brauchen Netzwerke, die sie in der Carearbeit entlasten. Gute Netzwerke sind aber mehr als eine Dienstleistung. Sie zeigen den Müttern und den Familien, dass sie nicht alleine sind. Sie helfen bei kleinen Herausforderungen und dabei, Kraftquellen im Alltag zu finden. Sie unterstützen bei der Rückkehr in den Beruf. Sie bauen das Selbstwertgefühl auf.

Doch können Offene Treffs wie das „Babycafé mit Gästen“ oder ein „Cafétreff“ mit ihren qualifizierten Gastgeberinnen wirklich entscheidend sein, um in Beziehung zu kommen, um Mütter zu entlasten und Familien zu stärken?

Mütterzentren unterstützen Mütter auf vielfältige Weise

Uta Meier-Gräwe antwortet hierauf mit einem ganz klaren „Ja“. Die Wirtschaftswissenschaftlerin bezeichnet die Mütterzentren und die daraus entstandenen Mehrgenerationenhäuser als „Dorfbrunnen der Moderne“. Sie hat für mehrere Fallbeispiele Kosten-Nutzen-Analysen erstellt und damit klar belegt, dass sich Mütterzentren für Kommunen und die Gesellschaft rechnen.[3] Im Umkehrschluss bedeutet das: Werden Mütter- und Familienzentren von ihren Kommunen finanziell zu gering oder gar nicht unterstützt, wirkt sich das langfristig auf eine Erhöhung der staatlichen Transferleistungen an die Mütter wie auch deren Kinder aus.

„Mütter- und Familienzentren unterstützen Mütter auf vielfältige Weise, damit sie wieder Kraft schöpfen und neue Perspektiven entwickeln können. Und sie setzen sich auch für die Gleichstellung von Frauen ein“, betont Helga Hinse, Delegierte des Landesverbands der Mütter- und Familienzentren im Landesfrauenrat.

Der Fokus liegt auf den Müttern

Die Kinder sind zwar meist dabei oder werden betreut; der Fokus der Mütterzentren liegt aber auf den Müttern bzw. den Eltern. Die Perspektive ist eine andere als bei „Kinder- und Familienzentren“, die ihren Fokus auf das Kind und die Kita-Phase legen. „Ziel der Mütterzentren ist der langfristige Beziehungsaufbau und die Begleitung der Familie über Übergänge hinweg“, erklärt Hinse.

Eltern können das Angebot mitgestalten und erfahren im freiwilligen Engagement oder bei einer bezahlten Tätigkeit als Praxisexpert*innen Selbstwirksamkeit. Sie erhalten einen Raum für ihre persönliche Entwicklung. Dies ist gerade jetzt nach der Corona-Pandemie auch mit Blick auf die Entwicklung ihrer Kinder und eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung wichtig. Auch Väter übernehmen Sorgearbeit und gehören heute in einem Mütter- und Familienzentrum selbstverständlich dazu.

Verlässliche Förderung notwendig

Selbstverständlich sein sollte ein solcher Ort in jeder Kommune. Denn „Mütter- und Familienzentren helfen Familien sowohl bei akutem Unterstützungsbedarf als auch präventiv. Sie leisten zudem einen wichtigen Beitrag zur Quartiersentwicklung, Demokratieförderung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagt auch die FamilienForschung Baden- Württemberg.[4]

Dies erfordere aber eine gesicherte Finanzierung und eine Unterstützung hauptamtlicher Strukturen. „Die kommunale Förderung vieler Zentren außerhalb der Landeshauptstadt entspricht in keiner Weise dem vielfältigen Angebot und der geleisteten Arbeit“, erklärt Hinse. Das Mütterforum fordert eine verlässliche, institutionelle Förderung von den Kommunen mit Beteiligung des Landes. „Unsere Mindestforderung sind geeignete, mietfreie Räumlichkeiten für die Zentren und ein Stellenanteil für die Koordination. Mütterzentren sind kein nice to have, sondern dringend notwendig.“

Demokratiefeindlichkeit nimmt in unserer Gesellschaft zu. Mütterzentren und ihre Offenen Treffs bieten eine Form der Partizipation für alle Menschen im Quartier und leisten dadurch eine wichtige präventive Arbeit für die Gemeinschaft. Es ist höchste Zeit, dass dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. An diesen Orten kommen die sonst Stillen zu Wort und werden gehört. Hier wird Gemeinschaft gelebt und nicht doziert.

Mütterzentren lohnen sich: für die Familien, fürs Quartier, für die Kommune, für unser Land.

Jasmin Horber

Leitung

Geschäftsstelle Mütterforum Baden-Württemberg e.V. 

[1 ]„KiCo“-Studie des Forschungsverbunds „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ (Stiftung Universität Hildesheim / Goethe-Universität Frankfurt / Universität Bielefeld) im 1. Lockdown 2020 und „FamCo-Studie“ – „Familienleben während Corona“ der Goethe Universität Frankfurt am Main im Sommer 2021.
[2] Johanna Wilmes, Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Goethe Universität Frankfurt am Main, Online-Vortrag zur KiCo-Studie am 27.10.2022 im Netzwerk Familienbildung Baden-Württemberg.

 

Beitrag aus ParitätInform 1/2023

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