Am 17. September 2021 befasst sich der Bundesrat mit einer Initiative von Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen und Bremen zur Abschaffung des Werbeverbots in § 219a Strafgesetzbuch. Der Gesetzesantrag war bereits 2017 von den fünf Ländern eingebracht und mehrmals im Plenum debattiert worden. Die Fachausschüsse hatten ihre Beratungen teilweise vertagt, aber inzwischen abgeschlossen. Daher steht die Initiative nun im Plenum zur Abstimmung.
Vorschrift aus den dreißiger Jahren
Die Strafvorschrift, die ursprünglich aus dem Jahr 1933 stammt und 2019 verändert wurde, sanktioniert Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft sowie für Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die dafür geeignet sind. Sie sieht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor.
Teil der Aufklärungspflicht
Strafen für das Anbieten auch sachlicher Informationen durch Ärztinnen und Ärzte sind aus Sicht der antragstellenden Länder nicht mehr zeitgemäß. Das Verbot widerspreche den heutigen Vorstellungen von Informationsfreiheit, Selbstbestimmung und freier Arztwahl. Schwangere sollten durch Informationen in die Lage versetzt werden, selbständig zu entscheiden, wie und bei welcher Ärztin oder welchem Arzt sie eine - legale - Abtreibung vornehmen lassen wollen. Medizinerinnen und Mediziner dürften nicht dafür bestraft werden, dass sie ihrer Aufklärungspflicht gegenüber Patientinnen und Patienten nachkommen. Das Medizin-Berufsrecht und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb seien ausreichend, um unangemessene Werbung zu unterbinden. Sachliche berufsbezogene Information hingegen müssten straffrei sein, heißt es zur Begründung des Gesetzesantrags.
Zum Hintergrund
Ende 2017 sorgte ein Prozess in Gießen bundesweit für Aufsehen: Eine Ärztin wurde - seit Zurückweisung der Revision durch das Oberlandesgericht Frankfurt rechtskräftig – zu einer Geldstrafe verurteilt, da sie auf ihrer Webseite einen Link mit Informationen zu Ablauf, Möglichkeiten und Risiken von Schwangerschaftsabbrüchen angeboten hatte. Die Ärztin hat gegen die Urteile Verfassungsbeschwerde erhoben, über die das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat.
Im März 2019 billigte der Bundesrat einen Bundestagsbeschluss zur Änderung von § 219a Strafgesetzbuch, der seit 29. März 2021 in Kraft ist. Seitdem dürfen Arztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Auch der Hinweis auf weitere Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen von neutralen Stellen wie beispielsweise der Ärztekammer ist erlaubt. Nähere Informationen zu Methoden dürfen Ärzte aber nicht angeben -ansonsten machen sie sich weiterhin strafbar.