Keimzelle der Demokratie

Fachinformation - geschrieben am 21.03.2024 - 09:39
Eine Reihe von Wahlkabinen, in denen Menschen hinter Vorhängen stehen.

Am 9. Juni 2024 finden – neben der Wahl zum Europäischen Parlament – die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg statt. Es werden Gemeinderäte und Kreistage neu gewählt. Alle fünf Jahre heißt es: „kumulieren und panaschieren“ oder einfach die Kandidatenliste ihrer/seiner Wahl abgeben. Der Paritätische Baden-Württemberg präsentiert in dieser Ausgabe seine an die Kandidat*innen gerichteten Positionen und Forderungen zur Kommunalpolitik.

 

Wenn von Wahlen allgemein als Königsdisziplin der Demokratie gesprochen wird, dann müssen die Wahlen in Kommunen gleichermaßen als Kristallisationspunkt dieser Königsdisziplin gelten: Auf keiner anderen Verantwortungsebene sind die Bürgerinnen und Bürger der Politik so nahe, sind sie von politischen Entscheidungen so unmittelbar betroffen und auf keiner anderen Ebene sind ihre Möglichkeiten zur Mitwirkung und Einflussnahme vielfältiger. Die Kommune, die Gemeinde ist der Ort, an dem Menschen leben und arbeiten. Hier stehen wie nirgends sonst politische Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Menschen dicht und direkt beieinander.

 

Der vielzitierte gesellschaftliche Zusammenhalt, der soziale Frieden, wird daher maßgeblich davon bestimmt, wie Menschen sich hier gesehen, gehört und „mitgenommen“ fühlen. Wie sie hier unmittelbar ihre existenziellen Bedürfnisse erfüllt finden – oder eben nicht. Und noch wichtiger: Vertrauen gegenüber den politisch Handelnden und Gerechtigkeitsempfinden, zwei für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unverzichtbare Stellschrauben zwischen Bürger und Staat, sie werden hier in dieser Keimzelle der Demokratie geschmiedet. Hier ist der Ort, an dem so etwas wie Gemeinsinn oder Gemeinwohlorientierung entstehen und sich verfestigen kann.

 

Verantwortung für eine soziale Infrastruktur

Damit dieses Vertrauen wachsen kann und sich Gemeinsinn einstellt, bedarf es der Möglichkeit an Teilhabe – für alle Menschen. Aufgabe der Politik muss es daher sein, den Menschen in allen Lebensabschnitten Angebote zu unterbreiten, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln, um in unserer offenen Gesellschaft zurechtzukommen, sowie Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen und zu stärken.¹ Das Stichwort Daseinsvorsorge stellt diese Aufgabe insofern in einen konkreten Kontext: Die Kommunen sind mit der Daseinsvorsorge verantwortlich für eine soziale Infrastruktur wie zum Beispiel Beratung für Erwerbslose, Betreuungsangebote, Kinder- und Jugendhilfe, Schuldner- und Suchtberatung, und viele mehr. Das Erreichen dieser „Leistungen“ muss für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein, unabhängig von Einkommen oder eventueller Beeinträchtigung.

 

Der Paritätische – ein verlässlicher Partner

Der Paritätische mit seinen Mitgliedsorganisationen steht hier als zuverlässiger Partner an der Seite der Kommunen. Soziale Einrichtungen und Programme bieten Unterstützung für diejenigen, die sie benötigen und tragen dazu bei, Ungleichheiten zu verringern. Von Kindertagesstätten über Pflegeeinrichtungen bis hin zu Beratungsstellen und vielen mehr spielen sie eine entscheidende Rolle im sozialen Gefüge einer Gemeinde. Sie bieten im besten Sinne Hilfe zur Selbsthilfe und wirken hin in Richtung einer inklusiven Gesellschaft, in der Solidarität und Akzeptanz die treibenden Kräfte sind. Die Mitarbeitenden in unseren Einrichtungen tragen unmittelbar dazu bei, Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, in ihre Mitte zu holen. Eine intakte soziale Infrastruktur stärkt also den Zusammenhalt in Kommunen und hilft so, extremistischen Strömungen, die durch Ängste und Unsicherheiten befeuert werden, die Stirn zu bieten.

 

Sichere Finanzierung sozialer Einrichtungen und Dienste

Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist eine sichere Finanzierung sozialer Einrichtungen – auch durch die Kommunen. Notwendige Konsolidierungsbemühungen in den kommunalen Haushalten dürfen nicht zu falschen Prioritätensetzungen führen, an deren Ende Sozialabbau und das Zurückfahren öffentlicher Dienstleistungen stehen.² Nur durch eine nachhaltige finanzielle Unterstützung durch die Kommunen kann die soziale Infrastruktur ihre Funktionen für die Gesellschaft erfüllen und Teilhabe aller sichern. Nur mit einer gesicherten Finanzierung können unsere Einrichtungen die Menschen erfolgreich unterstützen und fördern, ohne dass die Brüche in unserer Gesellschaft weiterwachsen.

 

Allen Menschen Teilhabe ermöglichen

Was der Paritätische als Verband der freien Wohlfahrtspflege von der Kommunalpolitik fordert, ist nicht weniger als die Umsetzung des in § 20 GG genannten Sozialstaatsprinzips: Sich für Chancengerechtigkeit einzusetzen, sich an den Bedarfen der Menschen zu orientieren und ihnen Teilhabe zu ermöglichen. So ist die eingangs genannte Königsdisziplin, die Kommunalwahl, weit mehr als eine bloße demokratische Übung. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer inklusiven und gerechten Gesellschaft. Durch ihr Kreuz auf dem Wahlzettel stellen die Bürgerinnen und Bürger die Weichen für soziale Gerechtigkeit, Vielfalt und gegen Extremismus – und entscheiden so, in welcher Welt sie leben wollen.

 

¹ Bundesministerium des Inneren: Bedingungsfaktoren des gesellschaftlichen Zusammenhalts, November 2009

² Der Paritätische Celle: Zusammenhalt vor Ort stärken, 22.06.2021

 

 

Beitrag aus ParitätInform 01/2024

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