Die aktuellen gesellschaftlichen Debatten über Flucht und Migration und die Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik sind besorgniserregend und gefährden den solidarischen Zusammenhalt in unserem Land. Feindselige Rhetoriken über Migration spalten die Gesellschaft. Sie schüren Hass und Hetze und sorgen dafür, dass Zugewanderte in der Bevölkerung als Belastung wahrgenommen werden und ihre Aufnahme und Integration einer solidarischen und sozialen Politik entgegenstehen. Diese Entwicklungen hinterlassen auch Spuren im bürgerschaftlichen Engagement. Mögliche Auswirkungen sind eine zunehmende Verunsicherung, Frustrationen und ein Rückgang des Engagements ehrenamtlicher Helfer*innen.
Kommunale Flüchtlingspolitik mit Vorbildfunktion
Viele Kommunen berichteten in den letzten Monaten von ihren Belastungsgrenzen, was die Aufnahme von Geflüchteten anbelangt. Die Unterbringung, Aufnahme und auch Integration von Geflüchteten sind zweifellos mit Herausforderungen verbunden, aber auch mit Chancen. Es ist ein Unterschied, ob kommunale Herausforderungen mit der Forderung nach Abschottung und einer Obergrenze für das individuelle Recht auf Asyl begegnet werden oder der Solidaritätsgedanke und die Stärkung kommunaler Strukturen im Vordergrund stehen. Das Ersetzen einer Krisenrhetorik durch eine Kommunikation, die auf Motivation und Stärkung des Wir-Gefühls ausgerichtet ist, kann kommunalen Zusammenhalt fördern. Sie kann auch dazu beitragen, innerhalb der Kommune die Bereitschaft der Bürger*innen zu stärken, gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen zu finden. Hass und Hetze können hierdurch ebenfalls eingedämmt werden.
351.915 Asylanträge wurden 2023 gestellt.
Davon waren 329.120 Erst- und 22.795 Folgeanträge. Gegenüber dem Vorjahr (217.774 Erstanträge) bedeutet dies einen Anstieg um 51,1 Prozent. 22.603 der Erstanträge im Jahr 2023 betrafen in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr. Entschieden hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über 261.601 Asylverfahren.
Integrationsarbeit vor Ort stärken
Frühzeitige Planungen, integrationspolitische Handlungskonzepte und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sind wichtige Faktoren, um die Integrationsarbeit vor Ort zu stärken. Mit Hilfe von Angeboten zur Verbesserung von Sprachkompetenzen, der Bereitstellung von Bildungsangeboten und der Förderung des Potenzials und der Ressourcen von Geflüchteten für den Arbeitsmarkt kann gesellschaftliche Teilhabe gestärkt und Integration vorangetrieben werden. Insbesondere in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels können kreative kommunale Lösungen, Leuchtturmprojekte und Zusammenschlüsse dazu beitragen, eine Integration in den Arbeitsmarkt oder in Ausbildung zu beschleunigen und bürokratische Hürden schneller zu überwinden. Auch die Stärkung von ehrenamtlichen Strukturen und die Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen spielen für eine erfolgreiche Integrationsarbeit auf kommunaler Ebene eine wichtige Rolle.
Vielfalt als Motor für kommunale Weiterentwicklung
Die Kommunen sind schon längst ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Vielfalt. Vielfalt kann jedoch erst dann ihr Potenzial entfalten, wenn sie geachtet, wertgeschätzt und respektiert wird. Hierzu braucht es eine Politik innerhalb der Kommunen, die auf Gleichstellung, Partizipation und Antidiskriminierung ausgerichtet ist. Alle Menschen, unabhängig von individuellen Faktoren wie z.B. Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung, soziale Klasse, Religion oder Behinderungen müssen im Fokus der kommunalen Politik sein und auch in ihrer Mitwirkung gefördert werden. Eine gleichberechtigte Teilhabe ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich vielfältiges Potenzial erfolgreich entfalten kann.
Auch die Zusammenarbeit mit Migrant*innen- und mit LSBTIQ*-Organisationen sowie deren politische Beteiligung sind ein wichtiger Schritt, um Vielfalt in kommunale Strukturen zu integrieren.
Vielfalt als Mehrwert zu verankern und positiv zu besetzen, sind erfolgreiche Maßnahmen, um populistisches Gedankengut zu widerlegen und sich gegenüber menschenfeindlichen Äußerungen zu positionieren. Aber auch innerhalb der Kommune für Vielfalt gezielt zu sensibilisieren und Orte zum Austausch und für Begegnungen zu schaffen, stärkt den Zusammenhalt und fördert die moderne Kommunalentwicklung.
Eine Kommunalpolitik, die sich durch Vielfalt und eine faire und gelungene Integrationsarbeit auszeichnet, kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie in all ihren Handlungen und Maßnahmen eine klare Haltung für die Achtung unserer Grundrechte einnimmt und durch ihre Rhetorik Hass und Hetze eindämmt.
Jede*r Einzelne kann in der Kommunalwahl dazu beitragen, unsere demokratischen Strukturen zu stärken und sich gegen menschenfeindliche Äußerungen zu erheben.
Wählen Sie mit Bedacht und gestalten Sie Kommunalpolitik zur Wahrung von Menschenrechten und zum Erhalt unserer Demokratie mit. Geben Sie Ihre Stimme denjenigen Kandidat*innen, die als Garant für diese Werte stehen!
Der Paritätische fordert
- Anerkennung und Stärkung des Mehrwerts von Migration
- Förderung und Umsetzung von Integrationsprojekten (Leuchtturmprojekte)
- Förderung der Ressourcen und Potenziale von Geflüchteten für eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt
- Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen, unabhängig von individuellen Faktoren
- Intensivierung der Kooperationen und Zusammenarbeit mit Migrant*innenselbstorganisationen und LSBTIQ*-Organisationen
- Ausbau von Sensibilisierungsmaßnahmen zur Stärkung von Vielfalt und deren Akzeptanz (u.a. zum Thema sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung)
- Ausbau von Projekten zur Demokratieförderung
Beitrag aus ParitätInform 01/2024