Präventive Maßnahmen gegen Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz
Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens aggressiver Verhaltensweisen und angespannter Situationen ist in allen Systemen des Sozial- und Gesundheitswesens deutlich erhöht. Jede Einrichtung hat eine besondere Verantwortung, professionell mit dieser Thematik umzugehen, damit es nicht heißt: Der Übergriff war schon schlimm genug, aber was ich dann in der Institution im Umgang mit mir erlebt habe, war das eigentliche Trauma.“
„Grundvoraussetzung für präventive Maßnahmen gegen Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz ist eine betriebliche Kultur, die offen und systematisch mit diesem Thema umgeht,“ erklärt Jörg Schudmann, Hauptgeschäftsführer der BGW, anlässlich ihrer aktuellen Studie zu Gewalt und Aggression in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.
Jährlich zirka 5300 Meldungen
Die Zahl der Meldungen hat zugenommen. Zwischen 2018 und 2022 waren es jährlich durchschnittlich circa 5.300. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall, wenn er zu mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit führt. Mehr als drei Viertel davon sind Gewaltvorfälle zwischen Beschäftigten oder von betriebs-fremden Personen ausgehend. Dazu gehören auch Bedrohungen ohne körperliche Gewalt. In 88 Prozent aller Vorfälle kommt es zu einer physischen Verletzung, in 12 Prozent zu einer psychischen Verletzung. Die meisten Meldungen kommen aus den Branchen „Betreuungs- und Beratungseinrichtungen“ (35 Prozent), „Pflege“ (28 Prozent) sowie „Kliniken“ (14 Prozent). Die Folgen körperlicher oder verbaler Gewalt reichen von Ärger und Wut über Hilflosigkeit bis hin zu Angstgefühlen.
Führungskräfte müssen sich positionieren
Durch die Studie wurde einerseits deutlich, dass zu wenige über Maßnahmen zur Prävention oder Nachsorge im Unternehmen wissen. Anderseits zeigte sich: Eine hohe Resilienz und das Gefühl, durch die Einrichtung gut auf mögliche Gewaltübergriffe vorbereitet zu sein, wirken schützend vor psychischen Verletzungen. „Wesentlich ist deshalb auch, wie sich Führungskräfte und Unternehmensleitungen positionieren“, betont Jörg Schudmann. „Und zwar mit der klaren Botschaft, dass Gewalt gegenüber ihren Mitarbeitenden nicht akzeptiert wird, und mit dem Angebot entsprechender Präventionsmaßnahmen.“
Der optimale Umgang mit aggressiven Verhaltensweisen betreuter Menschen ist ein wichtiges Kriterium der Zertifizierung im Rahmen des modernen Qualitätsmanagements (QM) sowie des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) und ein unverzichtbarer Beitrag zur Unfallprävention am Arbeitsplatz.
Das Kreismodell der Deeskalationsstufen
Konzept mit sieben Deeskalationsstufen
„Professionelles Deeskalationsmanagement“ (ProDeMa®) ist ein patentiertes, umfassendes, praxisorientiertes, evaluiertes und erfolgreiches innerbetriebliches Präventions-, Handlungs- und Trainingskonzept mit zurzeit über 5.000 ausgebildeten Trainer*innen in über 2.500 Institutionen in Deutschland, Luxemburg, der Schweiz, Österreich und Italien.
Die Sicherheit der Mitarbeitenden vor psychischen oder physischen Verletzungen durch An- oder Übergriffe von betreuten Menschen und die Qualität in der Betreuung, Begleitung, Pflege bzw. Behandlung von Klient*innen mit aggressiven oder herausfordernden Verhaltensweisen sind die beiden zentralen Ziele des Konzepts mit sieben Deeskalationsstufen.
Geschulte Deeskalationskompetenzen von Mitarbeitern und gutes Deeskalationsmanagement der Institution entscheiden darüber, ob ein gezielter, geplanter und damit professioneller Umgang mit Gewalt und Aggression erreicht werden kann.
Oliver Klostermann
Nadja Masri
Paritätische Akademie Süd
Beitrag aus ParitätInform 4/2024