Gemeinsam aktiv

Fachinformation - geschrieben am 12.01.2022 - 12:01

Stärkung der Repräsentanz von Migrant*innenorganisationen 

Migrant*innenorganisationen sind so vielfältig wie die Migrant*innen selbst. In den letzten Jahren haben Träger und Leistungserbringer der sozialen Arbeit erkannt, dass Migrant*innenorganisationen über viel Potenzial hinsichtlich professioneller Angebote in wichtigen Handlungsfeldern der sozialen Arbeit verfügen und einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Teilhabechancen von Menschen mit Migrationshintergrund leisten. Deswegen wird es als notwendig erachtet, Migrant*innenorganisationen abseits der integrationsbezogenen Fördertöpfe in langfristige fachbezogene Förderstrukturen in sozialer Arbeit und in die relevanten Fachgremien der sozialen Arbeit und Informationsketten einzubinden.

Vor diesem Hintergrund hat sich der PARITÄTISCHE Gesamtverband seit langem gemeinsam mit dem „Forum der Migrantinnen und Migranten“ im PARITÄTISCHEN (FdM) dafür eingesetzt, die Teilhabe von Migrant*innenorganisationen in fachbezogenen Förderstrukturen Sozialer Arbeit und eine funktionierende Kooperation von Migrant*innenorganisationen mit Trägern zu verbessern – sowohl durch zahlreiche Projekte zur Professionalisierung von Migrant*innenorganisationen, durch eine Diversitätsorientierung, aber auch durch die Förderung der interkulturellen Orientierung in der sozialen Arbeit.

Trotz der positiven Entwicklung in den letzten Jahren ist in der Praxis immer wieder zu beobachten, dass der Zugang von Migrant*innenorganisationen zu fachbezogenen Förderprogrammen eingeschränkt ist, Migrant*innenorganisationen in bestehenden fachbezogenen Förderstrukturen Sozialer Arbeit nur wenig vertreten sind und somit eine dauerhafte Kooperation mit nicht-migrantischen Trägern sowie Leistungserbringern nur selten zustande kommt. [4|6] Deswegen hat der PARITÄTISCHE Gesamtverband Ende letzten Jahres das Projekt „Gemeinsam aktiv: Kooperation zwischen (migrantischen) Akteur*innen Sozialer Arbeit stärken“ ins Leben gerufen, das als eine nachhaltige Fortsetzung von bisherigen Projekten und Aktivitäten zu diesem Thema zu betrachten ist. [1]

Ziel: Handlungsempfehlungen

Im Rahmen des Projekts werden die Potenziale und Hürden von Migrant*innenorganisationen beim Zugang zu fachbezogenen Förderprogrammen, Fachgremien, -netzwerken sowie bezüglich der Kooperation mit nicht-migrantischen Leistungsträgern und -erbringern anhand von (Gruppen-)Interviews und Online-Befragungen analysiert und schließlich Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die Handlungsempfehlungen sollen sich sowohl auf Migrant*innenorganisationen als auch auf Träger der sozialen Arbeit sowie die Politik richten. Um die Handlungsempfehlungen zur besseren Umsetzbarkeit in der Praxis konkreter darzustellen, ist außerdem geplant, anhand der Umfrage Handlungsfelder in der sozialen Arbeit auszuwählen, in denen die Migrant*innenorganisationen perspektivisch tätig sein wollen, und Einblicke in diese zu nehmen.

Interviews und Online-Befragung

Um die Erfahrungen von Migrant*innenorganisationen bezüglich der Hürden, Herausforderungen sowie Bedarfe in der sozialen Arbeit kennenzulernen, wurden in den letzten Monaten zuerst Interviews mit etwa 20 Migrant*innenorganisationen durchgeführt, die sich in vielen Merkmalen wie zum Beispiel Größe, Tätigkeitsbereiche etc. voneinander unterscheiden. Außerdem wurden zwei kommunale staatliche Leistungsträger interviewt, um andere Perspektiven bezüglich der Hürden von Migrant*innenorganisationen beim Zugang zu fachspezifischen Förderprogrammen und der Kooperation zu gewinnen. Die Interviews werden der- zeit analysiert.

Anschließend wurde ein Fragebogen zu einer Online- Befragung bei Migrant*innenorganisationen auf Basis der Aspekte entwickelt, die aus den Interviews herausgearbeitet wurden. Um mehr Migrant*innenorganisationen erreichen zu können, wurde der Fragebogen in neun Sprachen übersetzt. Die Online-Umfrage hat Mitte Juli dieses Jahres begonnen und endet zum 15. September 2021. Insgesamt wurden etwa über 4.000 Migrant*innenorganisationen in ganz Deutschland zu der Online-Umfrage eingeladen.

Im Oktober 2021 wird eine weitere Online-Umfrage bei Leistungsträgern und Leistungserbringern in der sozialen Arbeit erfolgen, die in Anlehnung an die obengenannten Interviews sowie an das Projekt „Perspektivenwechsel: Interkulturelle Öffnung in der Behindertenhilfe“2 entwickelt wird.

Anhand der Interviews sowie der Umfragen wird ein Entwurf von Handlungsempfehlungen für eine bessere Etablierung der Migrant*innenorganisationen in der sozialen Arbeit sowie eine gelingende Kooperation zwischen öffentlichen Trägern der sozialen Arbeit und Migrant*innenorganisationen formuliert.

Werkstattgespräche 2022

Um den Entwurf zu ergänzen und zu konkretisieren, wird es Anfang nächsten Jahres drei Werkstattgespräche geben, an denen sowohl Migrant*innenorganisationen als auch Träger der sozialen Arbeit teilnehmen werden. Für die Werkstattgespräche werden anhand der Ergebnisse der Online-Umfrage einige Bereiche der sozialen Arbeit ausgewählt, in denen Migrant*innenorganisationen in Zukunft mehr tätig sein wollen und sich mehr Kooperationen mit Trägern wünschen, und dementsprechend Akteur*innen, insbesondere öffentliche und private Träger, Migrant*innenorganisationen und Referent*innen aus den PARITÄTISCHEN Landesverbänden eingeladen. Die Schlussfassung soll in der zweiten Hälfte nächsten Jahres veröffentlicht werden.

Dr. Min-Sung Kim
Referent
Projekt Gemeinsam Aktiv
Der PARITÄTISCHE Gesamtverband
qmo@paritaet.org
 
Beitrag aus PARITÄTinform 3/2021

Literatur

  1. Der Paritätische Gesamtverband (2008) Migrationsarbeit als Motor interkultureller Öffnungsprozesse in Regeleinrichtungen. Eine Handreichung für die Migrationserstberatung, Berlin.
  2. Der Paritätische Gesamtverband (2020) Perspektivenwechsel: Interkulturelle Öffnung in der Behindertenhilfe. Analyse und Handlungsempfehlungen, Berlin.
  3. Ersoy B., Latorre P., Zitzelsberger O. (2018) Migrant_innenselbstorganisationen im Wandel der Zeit. In: Blank B., Gögercin S., Sauer K.E., Schramkowski B. (Hrsg.) Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, S. 457–468.
  4. Halm D., Sauer M., Naqshband S., Nowicka M. (2020) Wohlfahrtspflegerische Leistungen von säkularen Migrantenorganisationen in Deutschland, unter Berücksichtigung der Leistungen für Geflüchtete, 1. Aufl. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Baden-Baden.
  5. Hoesch K., Harbig G. (2019) Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit: Neue Chancen für die kommunale Integrationspolitik? Überlegungen anhand des Projektes Samo.fa und des lokalen Verbundes VMDO. In: Blättel-Mink B., Noack T., Onnen C., Späte K., Stein- Redent R. (Hrsg.) Flüchtigkeiten. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, S. 103–131.
  6. Sachverständigenrat für Integration und Migration (2021) Migrantenorganisationen-in-Deutschland, Berlin.

Wichtige Werkzeuge

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