FAIRmieten vermittelt Wohnraum an sozial Benachteiligte

Fachinformation - geschrieben am 03.11.2022 - 18:29
zwei Menschen von hinten in einer Wohnung die renoviert wird

Bei diesem Konzept gewinnen alle

Seit rund drei Jahren koordiniert der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg das Modellprojekt FAIRmieten. Dabei kooperiert der Verband mit selbständigen Immobilienmakler*innen der Postbank Immobilien GmbH. FAIRmieten ermöglicht sozial benachteiligten Menschen, sich durch eigenen Wohnraum zu fairen Konditionen wieder stärker als Teil der Gesellschaft zu fühlen.

  • Für Menschen mit niedrigem Einkommen und/oder Sozialleistungsbezug ist es oftmals aussichtslos, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Dabei sagt die Einkommenshöhe nichts über die Wohnfähigkeit eines Menschen aus. FAIRmieten setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit ein. Bei diesem Konzept gewinnen alle Seiten:
  • Im Rahmen des Gesamtprojekts konnten in der bisherigen Projektlaufzeit über 20 Wohnungen sowie zwei Häuser durch FAIRmieten an Sozialorganisationen und von diesen weiter an sozial benachteiligte Menschen vermittelt werden.
  • Sozial benachteiligte Menschen, die sonst kaum Chancen haben, auf dem freien Markt eine bezahlbare Wohnung zu finden, erhalten die Möglichkeit, selbstständiger und selbstbestimmter ihre Zukunft zu gestalten.
  • Vermieter*innen schließen den Mietvertrag mit der betreuenden Sozialorganisation ab, wodurch zum einen ein zuverlässiger Mietzahlungsfluss gewährleistet ist und zum anderen gegebenenfalls notwendige Hilfestellungen durch die Betreuungseinrichtung professionell und zielgerichtet erfolgen.
  • Schließlich ermöglicht FAIRmieten gemeinnützigen Einrichtungen wie PräventSozial, betreute Menschen aus oftmals überfüllten Wohneinrichtungen in eigenen Wohnraum zu vermitteln und dort die erste Zeit weiter zu unterstützen. Dies ist möglich, wenn sich die Situation der Menschen so stabilisiert hat, dass sie diesen nächsten Schritt zurück in ein eigenständiges Leben gehen können.

FAIRmieten wirkt!

Die Angst, auf der Straße zu landen, ist präsent und real

Damit sieht sich auch PräventSozial konfrontiert, ein freier Träger der Straffälligen- und Opferhilfe, der sich im Großraum Stuttgart im Bereich Resozialisierung, Kriminalprävention und Opferschutz durch sozialpädagogische und therapeutische Angebote für Menschen in sozialen Schwierigkeiten einsetzt. Schon Bürger*innen aus der Mittelschicht haben mitunter Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Für Menschen, die deutlich geringere Ressourcen haben, erscheint die Wohnungssuche auf dem freien Markt wie ein Glückspiel.

 

Herr K., ein Klient des Betreuten Wohnens nach § 67 ff. SGB XII, sagt hierzu:

„Ich habe mich auf unzählige Wohnungsanzeigen beworben. Wenn ich dann in seltenen Fällen mal zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen wurde, waren das immer Termine, wo alle Bewerber zur gleichen Zeit einbestellt worden sind. Da quetschen sich dann 40 bis 50 Menschen in eine Ein-Zimmer- Wohnung. Das ist doch nicht normal! Da fühlt man sich wie eine Sardine in der Sardinenbüchse. Und wie soll jemand wie ich da eine Chance haben, die Wohnung dann tatsächlich zu bekommen?“

Das Ergebnis sind Frustration, Existenzängste und Hilflosigkeit – Risikofaktoren, nicht allein für die körperliche und mentale Gesundheit von Betroffenen, sondern im Bereich der Straffälligenhilfe auch für einen erneuten Rückfall in „alte“, kriminelle Strukturen.

Gegen Wohnungsnot hilft nur Wohnraum

Seit Projektstart konnte PräventSozial als Mitgliedsorganisation des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg an vier Klient*innen eine Wohnung vermitteln. Zudem mietete der justiznahe Träger über FAIRmieten im Frühjahr 2020 ein ganzes Haus im Rems-Murr-Kreis an, welches seither als Wohngruppe mit fünf Betreuungsplätzen hilfebedürftigen Menschen ein Zimmer in Kombination mit sozialpädagogischer Unterstützung bietet.

Auch im Kleinen kann man was bewirken

Wie andere Sozialeinrichtungen der Wohnungslosenhilfe hofft auch PräventSozial, dass der soziale Wohnungsbau vorangetrieben wird und Wohnraumförderprogramme umgesetzt werden. Recht ernüchternd sind diesbezüglich Statistiken aus der Landeshauptstadt, wonach der Bestand an Sozialwohnungen in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen ist. So standen Ende 2019 bereits 4.700 Haushalte auf der Vormerkliste der Stadt Stuttgart für eine Sozialwohnung, im Jahr 2011 waren es noch 2.834. Das stellt einen Anstieg von 65,8 Prozent dar. Projekte wie FAIRmieten sind für wohnungssuchende Menschen in sozialen Schwierigkeiten ein kleiner Lichtblick. Die Herausforderungen des angespannten Wohnungsmarkts erscheinen zwar übermächtig, doch auch im Kleinen kann viel bewirkt werden, wenn sich private Eigentümer*innen dazu entschließen, ihren Wohnraum auch an sozial Schwächere zu vermieten. Für viele von Wohnungsnot Betroffene ändert sich dadurch nichts, aber für die eine Person, die diese Chance auf eine eigene Wohnung erhält, ändert sich alles!

Herr K. ist einer dieser Glücklichen: „Ich hätte das ohne die Hilfe von PräventSozial nicht geschafft. Das sage ich offen raus. Und das darf auch jeder wissen. Die haben mir die Hand gereicht. Und inzwischen bin ich froh, das auch angenommen zu haben. Das war anfangs für mich gar nicht so einfach. Man will ja alles selber schaffen. Die Wohnung über dieses Projekt ist für mich wie ein Sechser im Lotto. Manchmal wache ich morgens auf und kann immer noch nicht fassen, in meinen eigenen vier Wänden zu sein.“

 

Sabine Kubinski

Prokuristin Kommunikation & Projektentwicklung

PräventSozial Justiznahe Soziale Dienste gemeinnützige GmbH Stuttgart

 

Beitrag aus ParitätInform 3/2022

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