Man muss die Bedürfnisse der Beschäftigten kennen, um sie motivieren zu können
Gutes Management ist gut für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Anke Mächler-Poppen, BGM-Beraterin und Dozentin an der BSA-Akademie und der DHfPG, sagt, wie man sich und andere mit motivationspsychologischen Erkenntnissen führen kann.
Was treibt Menschen an gemäß den Erkenntnissen der Motivationspsychologie?
Anke Mächler-Poppen Schon der Psychologe Abraham Maslow zeigte: Der Mensch hat Bedürfnisse, die warten auf Erfüllung. Seine Bedürfnispyramide ist ein Modell, um menschliche Motivation zu erklären: Motive machen den Menschen aus. Veränderung geht nicht ohne Motivation. Man tut was, wenn es Sinn hat für einen selbst oder es Spaß macht. Die Frage ist: Was will eine Person erreichen, welches Motiv steht dahinter? Ehrgeiz? Macht? Entsprechend verändert sie ihr Verhalten. Hinzu kommt: Alle haben das essenzielle Bedürfnis nach Liebe und Zuneigung.
Wie kann eine Führungskraft mit diesen Erkenntnissen Mitarbeitende motivieren?
Sie muss diese Motive der Beschäftigten erkennen. Was macht deren Arbeit sinnstiftend? Wohlfühlen? Persönliche Weiterentwicklung? Die Karriereleiter hochklettern? Weiß ich das, kann ich motivieren, dass jemand das Beste gibt. Der Schweizer Medizinsoziologe Johannes Siegrist macht in seinem Modell der Gratifikationskrise deutlich: Es muss einen Ausgleich geben zur Erwartungshaltung. Wenn sie nicht erfüllt wird, erbrachte Leistungen nur mangelhaft entschädigt werden, sind wir unzufrieden. Das kann krank machen. Wenn ich mich täglich verausgabe, erwarte ich neben Lohn auch Wertschätzung, Lob, Anerkennung, will Weiterentwicklung. Ohne Gegenwert kippt die Waagschale, ich bin frustriert. Die Motivation wird nicht bestätigt, man fühlt sich nicht gesehen, geliebt, wahrgenommen. Nun ist jede Motivation im Keim erstickt.
Wir müssen reden ...
Ja, Motive erahnen bringt nichts. Kommunizieren bedeutet Wertschätzen. Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind so wichtig. Und das nicht zwischen Tür und Angel oder per Mail, Zoom und Telefon, was Missverständnisse birgt. Sondern live auf Augenhöhe. Man muss sich Zeit dafür nehmen, sich wirklich interessieren! Zu wertschätzender Kommunikation gehört auch, Beschäftigte erst einmal reden lassen. Hinschauen, Emotionen aufnehmen, aktiv zuhören und in die Situation reingehen ohne ‚Aber’ auf den Lippen. Für mich ist ‚Aber’ positiv um ‚Alle Bedenken ernsthaft revidieren’. Und: Beschäftigte müssen sich sicher fühlen, alles sagen zu dürfen, auch Chef und Chefin ein Feedback geben können. Stichwort: Selbstbild und Fremdbild! Führungskräfte wissen oft nicht wichtig wie sie ankommen.
Wie spreche ich die Motive an?
Wenn bei der Frage, ob jemand bei einem Projekt dabei ist, als Antwort kommt, ‚muss ich dafür Überstunden machen oder mache weniger andere Arbeiten’, sagt das was aus. Genauso, wenn die Reaktion ist ‚Cool, bin gern dabei, soll ich mir schon Themen überlegen?’ Schon bei den ersten Bewerbungsgesprächen erkennt man, ob jemand sich einbringen will oder es um Leistung für Gegenleistung geht, also ‚Job machen für Geld’. Das ist keine Wertung. Es gilt herauszufinden, welche Erwartungshaltung eine Person mitbringt. Darum sind regelmäßige Feedback-Gespräche in einem realisierbaren Turnus so wichtig. Hier nicht den Eindruck entstehen lassen, alles andere ist wichtiger als die Mitarbeitenden! Dabei ehrlich und transparent sein: Man muss die Grundlage verstehen, warum Dinge sich verändern sollen. Max Planck sagte, ‚dem Handeln muss das Erkennen vorangehen’. Die größte Kunst ist es, ein Mitarbeitergespräch so auf Augenhöhe zu führen, dass es keine Verlierer gibt. Führen heißt, Vorbild sein.
Was wünschen sich die Beschäftigten?
Nichts Kompliziertes oder Teures, wie Befragungen zeigen. Faire Behandlung, Möglichkeit, Feedback zu geben, etwas Einfluss haben, gefragt und eingebunden werden, ihren Arbeitsplatz selber gestalten.
Was ist in Unternehmenskultur unabdingbar?
Neben der Feedbackkultur auch eine gute Fehlerkultur! Fehler sind menschlich. Wir sind leider oft damit beschäftigt, Fehler bei anderen zu suchen, als zu sagen, ‚sorry, da ist was schief gegangen, wie machen wir weiter’. Das ist unabhängig von der Hierarchie. Es kommt darauf an, daraus zu lernen, Lösungen zu finden und einen guten Umgang zu pflegen. Der stetig erhobene Zeigefinger bringt nichts. Als Führungskraft muss ich Mitarbeitende mitnehmen. Und als Unternehmen muss ich meine – oft unerfahrenen – Führungskräfte unterstützen, dass sie sich entwickeln können. Da geht es um Selbstwahrnehmung, sich der eigenen Rolle und des Spielraums bewusst werden, innerhalb gesetzlicher Regelungen und Grenzen von Methoden. Beim Arbeitsschutz ist klar, der Helm muss auf den Kopf. Bei Persönlichkeitsentwicklung geht es um Fragen wie, ‚geht es dir gut dabei’. Und bei Partizipation sollte man wissen, wann es sinnvoll ist, Menschen einzubinden, wann nicht. Führungsarbeit braucht emotionale Intelligenz! Doch Empathie funktioniert nur, wenn wir uns sehen und sprechen. Nur dann können wir die Gefühle der anderen Person verstehen lernen. Und wenn ich spüre und höre, dass sich jemand verändern will, versuche ich das zu ermöglichen. Wichtig dabei ist, die Ziele so zu definieren, dass sie auch erreichbar sind, man erkennen kann, dass sich was verändert. Das motiviert, weil es ein Erfolgserlebnis ist.
Es muss einen Ausgleich geben zur Erwartungshaltung. Wenn sie nicht erfüllt wird, erbrachte Leistungen nur mangelhaft entschädigt werden, sind wir unzufrieden. Das kann krank machen.
Wie sieht es mit dem Fordern aus?
Viel wurde und wird über Burnout diskutiert, aber noch kaum über Boreout. Das bedeutet, dass man an Langeweile und Unterforderung im Job leidet und so Potenzial ungenutzt bleibt. Doch wenn wir nicht gefordert werden und keine neuen Reize bekommen, entwickeln wir uns nicht weiter, verlieren unsere Motivation. Auch beim Boreout geht es um das Gefühl, nicht wertgeschätzt zu werden: Niemand sieht, welche Fähigkeiten man hat. Das kann zu einer inneren Kündigung führen. Im schlimmsten Fall hat das Folgen für die Gesundheit, löst durch dauerhafte Frustration depressive Verstimmungen und psychische Erkrankungen aus. Das kann auch beim Burnout durch Überlastung und Überforderung passieren. Hier sieht die Führungskraft meine Grenze nicht.
Wie lernt sie das?
Durch sich selbst. Wenn ich ein Bewusstsein für die eigenen Motive habe, zu mir ehrlich bin, kann ich die Motive und Grenzen anderer verstehen. Führung ist nicht, eine Rolle zu erfüllen. Es gibt dazu viel Literatur. Am besten gefällt mir: Echte Leader schauen nicht in Bücher, sondern in die Augen ihrer Mitarbeiter.
Das Interview führte für die Redaktion Petra Mostbacher-Dix
Beitrag aus ParitätInform 4/2024