Die psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke und Suchtgefährdete bieten für viele Menschen (überlebens-)wichtige Hilfen der Daseinsvorsorge an. Aber diese Angebote sind nach jahrelanger, prekärer Finanzierung aktuell hoch gefährdet und von Einschränkungen betroffen.
Nach Angststörungen und Depressionserkrankungen gehören Suchterkrankungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland.¹ Für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist eine Abhängigkeitsstörung mit massivem Leid verbunden und führt oft zu schwerwiegenden Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben.
Trägerübergreifendes Aktionsbündnis: „Suchtberatung retten“
Suchtberatung gehört zu den sogenannten „Freiwilligkeitsleistungen“ der kommunalen Daseinsvorsorge. Die rund 100 Suchtberatungsstellen im Land werden aus Kommunal- bzw. Landkreismitteln, einem Landeszuschuss für die Fachkraftstellen sowie mit Eigenmitteln der Träger finanziert. In Zeiten knapper Kassen wird die bedarfsgerechte Finanzierung, die mit Tarif- und Kostensteigerungen mithält, immer ungewisser. Der Landeszuschuss für die Suchtberatungsstellen wurde seit 1999 nicht erhöht, was einer schleichenden Kürzung gleichkommt. Die Einrichtungen müssen immer mehr Eigenmittel einbringen und dürfen keine (Risiko-)Rücklagen bilden. Erste Einschränkungen der Angebote und Einsparungen haben bereits begonnen. Ein im April 2023 gebildetes, trägerübergreifendes Aktionsbündnis: „Suchtberatung retten“ macht eindringlich auf die Gefahren aufmerksam.²
Sparmaßnahmen verursachen langfristig enorme Folgekosten für die Gesellschaft
Eine wissenschaftliche Studie zum „Social Return on Investment“ (SROI) der Suchtberatungsstellen in Bayern konnte den Nachweis führen, dass jeder Euro, der in die Suchtberatung investiert wird, im Endeffekt 17 Euro an Folgekosten für die öffentliche Hand einspart.³ Folgekosten entstehen, wenn soziale und medizinische Eskalationen durch eine Abhängigkeitsstörung nicht durch frühzeitige Beratung und Behandlung vermieden werden können. Das gilt auch bei Jobverlust, Beziehungsproblemen, Folgeerkrankungen, Straffälligkeit usw.
Vorbeugen ist besser als Heilen
Präventionsangebote sind wesentlicher Bestandteil der Angebotspalette von Suchtberatungsstellen. Die Suchtberatungsstellen sind hier wichtige Kooperationspartner von Schulen, Schulsozialarbeit, mobiler Jugendarbeit u.a. Fachleute sind sich seit langem einig, dass es angesichts der geplanten, regulierten Abgabe von Cannabis (CanG)⁴ an Erwachsene einer Stärkung des Jugendschutzes und einen Ausbau der präventiven Angebote und der Vermittlung von Konsumkompetenz und Wissen zur Schadensminimierung bedarf. Darüber hinaus muss dem verstärkten Bedarf an Information und Beratung für Eltern und Multiplikatoren Rechnung getragen werden. Kontaktläden und Streetwork ergänzen und stärken die niederschwelligen Angebote.
Wohnortnahe Versorgung von Opiatabhängigen sicherstellen
Die Substitutionsbehandlung ist ein wichtiger und erfolgreicher Baustein der Suchthilfe, der Opiatabhängigen soziale Teilhabe sichert und zur Schadensminimierung beiträgt. Die wohnortnahe und verlässliche Versorgung von Opiatabhängigen ist außerhalb der Metropolen zudem durch einen Mangel an substituierenden Ärzt*innen gefährdet. Neue Modelle einer telemedizinischen Versorgung machen Hoffnung, den Auftrag zur wohnortnahen Versorgung besser gewährleisten zu können.
Der Paritätische fordert
Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstellen
- Die systematische finanzielle Absicherung der ambulanten Suchthilfe und eine verlässliche Anpassung der Förderung – mindestens entsprechend der Tarifsteigerungsraten
Prävention
- Präventionsangebote der Suchthilfe vor Ort sicher finanzieren und ausbauen
- Gesundheit in allen Politikfeldern verfolgen – Verhältnisprävention in der Kommune stärken z.B. durch die Umsetzung suchtpräventiver Festkultur
- Unterstützungsangebote für Kinder aus suchtbelasteten Familien verlässlich finanzieren
Wohnortnahe Versorgung
- Die wohnortnahe Versorgung von Opiatabhängigen muss konsequent verfolgt werden
- Dafür müssen neue Ansätze verfolgt werden, um Substitutionsärzt*innen zu gewinnen und die medizinische Substitutionsversorgung auch in ländlichen Gebieten sicherzustellen
¹ Infografik: Die häufigsten psychischen Erkrankungen | Statista
² Aktionsbündnis „Suchtberatung retten: Suchtberatung retten! suchtberatung-retten.de
³ Wertschöpfung der ambulanten Suchtberatung in Bayern – eine neue SROI-Studie - XIT-Online
⁴ https://paritaet-bw.de/system/files/abschnittdokumente/20211116posititon-des-paritatischen-bw-zur-cannabispolitikf.pdf
Beitrag aus ParitätInform 01/2024