Der wirtschaftliche Druck auf soziale Organisationen wächst

Fachinformation - geschrieben am 25.10.2024 - 13:35

Herr Hartmann, wie steht der Paritätische aktuell wirtschaftlich da?

Der Paritätische Baden-Württemberg ist gut aufgestellt. Wir verfügen über eine solide Vermögenslage. Unser Beitragsaufkommen ist stabil, dies auch dank unserer seit Jahren stetig steigenden Zahl an Mitgliedsorganisationen. Im Jahr 2022 hat der Verband erstmals mehr als 900 Mitgliedsorganisationen verzeichnen können, aktuell sind es 921. Bislang sind auch die für unsere Verbandsarbeit wichtigen Zuschüsse des Landes, der Kommunen sowie Projektfinanzierungen an uns als Landesgeschäftsstelle stabil und auskömmlich – was man allerdings für unsere Mitgliedsorganisationen nicht gesamthaft sagen kann.

Sie sagen "bisher", wie steht es um die künftige Situation?

Die Zukunft verlässlich vorauszusagen, ist nicht möglich, aber ich habe berechtigte Sorge, dass die wirtschaftliche Situation in naher Zukunft deutlich herausfordernder wird. Insbesondere, weil sich der Druck sowohl auf der Einnahmen- als auch Ausgabenseite deutlich erhöht. Zum einen stehen unsere Mitgliedsorganisationen unter wirtschaftlichem Druck. Darüber hinaus sind vor dem Hintergrund der Haushaltslage der öffentlichen Hand die öffentlichen Zuschüsse und Projektfinanzierungen nicht sicher vorhersehbar und es stehen noch stärkere Kürzungen zu befürchten.

Auf der anderen Seite sind die allgemeinen Kostensteigerungen auch bei uns angekommen. Neben den allgemeinen Preissteigerungen für Waren, Dienstleistungen und Energie steigen die Personalkosten aufgrund tariflicher Veränderungen.

Der Paritätische bietet seinen Mitgliedsorganisationen eine kostenfreie Beratung in verschiedenen Bereichen, wie der Entgeltberatung, im allgemeinen Recht, im Arbeits- und Tarifrecht und im Bereich der Fördermittel an. Hier können unsere Mitglieder, insbesondere auch die kleineren Organisationen, die nicht selbst über entsprechende Strukturen und personelle Kapazitäten verfügen, die Kompetenz unserer Expertinnen und Experten nutzen.

Diese Kostensteigerungen sind nicht durch Zuwendungen direkt refinanziert und belasten damit auch unser Ergebnis. Ohne eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung müssen soziale Angebote eingeschränkt oder gar eingestellt werden.

Können Sie diese Einschätzung auch auf die Situation Ihrer Mitglieder übertragen?

Ganz pauschal kann man das nicht für alle Mitgliedsorganisationen gleichermaßen sagen. Das liegt daran, dass diese aus allen Bereichen der Sozialen Arbeit kommen und sich komplett durch alle Bereiche des Sozialgesetzbuches (SGB) ziehen. Demnach sind auch die Refinanzierungsbedingungen unterschiedlich ausgestaltet. Übergreifend kann ich aber sagen, dass auch unsere Mitgliedorganisationen mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Die genannten Kostensteigerungen treffen unsere Mitgliedsorganisationen ebenfalls drastisch und dies bei einer zumeist nicht auskömmlichen Anpassung der Zuwendungen und Entgelte. Somit haben wir hier ebenfalls den Effekt, dass die Schere immer weiter auseinandergeht.

Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für die künftige Arbeit Ihrer Mitgliedsorganisationen und die Soziale Arbeit?

Wenn es nicht gelingt, zeitnah für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen, werden unsere sozialen Organisationen unter enormen wirtschaftlichen Druck geraten, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass soziale Angebote eingeschränkt oder gar eingestellt werden. Dieses Szenario betrifft die sogenannten zuwendungsfinanzierten Leistungsträger ebenso wie die entgeltfinanzierten Einrichtungen. In den meisten Fällen ist und war es den Sozialunternehmen aufgrund der Finanzierungsbedingungen nicht möglich, entsprechende Rücklagen zu bilden, so dass eine Unterdeckung nur sehr kurz oder gar nicht aufgefangen werden kann. Letztlich sind all unsere Mitgliedsorganisationen rechtlich selbstständige Sozialunternehmen, die nicht per se von der  Insolvenzordnung ausgenommen sind.

Was braucht es aus Ihrer Sicht?

Unsere Mitglieder bewegen sich im Rahmen des sozialwirtschaftlichen Dreiecks als Leistungserbringer gemeinsam mit den Leistungsempfängern und Kostenträgern. Hier ist es meines Erachtens wichtig, dass insbesondere aus Kostenträgersicht zeitnahe und passgenaue Refinanzierungsbedingungen geschaffen werden, die ganzheitlich alle Kostenaspekte berücksichtigen, beispielsweise bei Pflegeeinrichtungen die Investitionen in energetische Gebäudemaßnahmen, die nicht in den refinanzierten Investitionskosten berücksichtigt werden, um nur ein Beispiel zu nennen.

Was leistet der Paritätische Baden-Württemberg für seine über 920 Mitgliedsorganisationen, was können diese erwarten?

Zuallererst sind hier die sozialpolitische Interessenvertretung und Lobbyarbeit zu nennen. Dazu gehören auch eine Vielzahl von Fachinformationen und -publikationen sowie Fachveranstaltungen aus den einzelnen Fachbereichen. 

Wir bieten unseren Mitgliedsorganisationen zunächst eine kostenfreie Beratung in verschiedenen Bereichen, wie der Entgeltberatung, im allgemeinen Recht, im Arbeits- und Tarifrecht und im Bereich der Fördermittel an. Hier können unsere Mitglieder, insbesondere auch die kleineren Organisationen, die nicht selbst über die entsprechenden Strukturen und personellen Kapazitäten verfügen, die Kompetenz unserer Expert*innen nutzen. Zunehmend greifen unsere Mitglieder auch auf unser Angebot der Individualberatung, insbesondere in den Entgeltverhandlungen und in Tarifrechtsfragen zurück. Wir bieten hier hochspezialisierte Beratungsleistung zu sehr moderaten Preisen ausschließlich für Mitgliedsorganisationen an. Unser jüngstes Angebot ist die Fördermittelberatung, die wir neben den etablierten Sparten „Glücksspirale“ und „Aktion Mensch“ um die Fördermittelberatung in Bezug auf Investitionsunterstützungen erweitert haben.

Ergänzend möchte ich noch das Einkaufsportal des Paritätischen Gesamtverbandes erwähnen. Unsere Mitgliedsorganisationen können dort auf Basis bestehender Rahmenverträge eine Vielzahl an Leistungen zu vergünstigten Konditionen abrufen.

All die bestehenden sowie neue Angebote findet man im Mitgliederbereich unserer Internetseite www.paritaet-bw.de – die wir laufend kundenorientiert weiterentwickeln.

Wo steht der Verband in zehn Jahren?

Ich bin zuversichtlich, dass der Paritätische Baden-Württemberg mit seinen Mitgliedern trotz der von mir aufgezeigten Herausforderungen auch in zehn Jahren ein wirkmächtiger und moderner Verband
sein wird, der mit der strategischen Ausrichtung und seiner Anpassungsfähigkeit seiner bedeutsamen Rolle gerecht wird.

Beitrag aus ParitätInform 3/2024

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