Das Leben mit einer Erkrankung meistern

Fachinformation - geschrieben am 27.03.2024 - 15:04
Eine Person mit einem Smiley vor dem Gesicht

Psychisch kranke Menschen brauchen eine solide Grundversorgung. In Deutschland sind etwa 27,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das ist jede vierte erwachsene Person. Umgerechnet auf Baden-Württemberg sind das in absoluten Zahlen mehr als 2,5 Millionen Menschen. Nachfolgend soll das Hilfesystem für (chronisch) psychisch kranke Menschen in Baden-Württemberg skizziert und zahlenmäßig grob charakterisiert werden.

 

Medizinische und therapeutische Versorgung

Wie alle kranken Menschen sind psychisch kranke Menschen sowohl auf eine gute medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Therapeuten als auch in Krankenhäusern angewiesen. Neben Hausärzten brauchen sie Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen in erreichbarer Nähe, bei denen sie rasch einen Termin bekommen, wenn die psychischen Schmerzen groß sind. Das ist heute leider keine Selbstverständlichkeit. Betroffene berichten von langen Wartezeiten bei den Fachärzten und noch längeren Wartezeiten, wenn es um einen Psychotherapieplatz geht.

 

Beratung, Begleitung und Begegnung

Psychische Erkrankungen machen oft Angst, denn weder die Person, die erstmals erkrankt, noch Angehörige und Freunde können die Veränderungen in der Wahrnehmung und dem Verhalten auf Anhieb verstehen und einordnen. Deshalb braucht es Ansprechpersonen, die neben den Hausärzten den Betroffenen und ihren Angehörigen bei der Einordnung, dem Umgang mit der Erkrankung und im Hinblick auf die Vermittlung von Hilfen weiterhelfen.

 

Diese Aufgabe übernehmen die Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi), die darüber hinaus auch chronisch psychisch Erkrankte grundständig dauerhaft begleiten. Im Jahr 2022 haben die 70 SpDis in Baden-Württemberg insgesamt 30.125 Menschen erreicht. Wie gut oder schlecht die SpDis die Aufgaben der Grundversorgung ausführen können, hängt nicht zuletzt von der Finanzierung ab. Diese setzt sich (größtenteils) aus Anteilen des Landes und des jeweiligen Stadt- und Landkreises zusammen.

 

27,8 % der erwachsenen Bevölkerung sind von einer psychischen Erkrankung betroffen.

Das ist jede vierte erwachsene Person. Umgerechnet auf Baden- Württemberg sind das in absoluten Zahlen mehr als 2,5 Millionen Menschen.

Über 25.500 Personen erhielten Ende 2022 aufgrund ihrer seelischen Beeinträchtigung in Baden-Württemberg Eingliederungshilfe.

 

Tagesstätten als Bestand der Grundversorgung

Ein weiterer Bestandteil der Grundversorgung sind die Tagesstätten für psychisch kranke Menschen, die es in allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs gibt. Sie sind für viele chronisch psychisch kranke Menschen ein Grund, morgens aufzustehen, das Haus zu verlassen, um andere Menschen zu treffen, gemeinsam tätig zu sein, Mittag zu essen, einfach um am Leben teilzunehmen.

 

2021 besuchten pro Tag ca. 1.464 Menschen eine der 104 Tagesstätten in Baden-Württemberg. Tagesstätten werden von den Stadt- und Landkreisen im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge finanziert.

 

SpDis und Tagesstätten tragen dazu bei, dass psychisch kranke Menschen psychische Stabilität zurückgewinnen und erhalten können, weniger häufig ins Krankenhaus müssen und am Leben teilhaben können. Ohne diese Grundversorgung wäre mit einem Anstieg der Leistungsberechtigten im Bereich der Eingliederungshilfe zu rechnen.

 

Leistungen der Eingliederungshilfe

Wenn psychische Erkrankungen dazu führen, dass Menschen dauerhaft und umfassender – als über die Grundversorgung möglich – auf Hilfe angewiesen sind, um ihren Alltag bewältigen und am Leben teilhaben zu können, braucht es weitergehende Hilfe. Dies sind in der Regel Leistungen der Eingliederungshilfe. Träger der Eingliederungshilfe sind in Baden-Württemberg die jeweils zuständigen Stadt- und Landkreise.

 

In Baden-Württemberg erhielten Ende 2022 über 25.500 Personen aufgrund ihrer seelischen Beeinträchtigung Eingliederungshilfe. Dazu zählen z.B. Assistenzleistungen in der eigenen Wohnung, in Pflegefamilien oder in Wohnheimen (sogenannten „besonderen Wohnformen“). Neben den Leistungen, die sich auf das Wohnen beziehen, gibt es auch Leistungen im Hinblick auf Tagesstrukturierung, Beschäftigung und Arbeit. Denn neben den Fähigkeiten, den Alltag zu bewältigen (z.B. sich mit Lebensmitteln zu versorgen, den Haushalt in Ordnung zu halten, sich um die eigene Körperhygiene zu kümmern, an Arzttermine zu denken und diese wahrzunehmen, Briefe von Ämtern zu beantworten, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten, die Freizeit zu gestalten u.v.m) können auch die Fähigkeiten, den Tag zu strukturieren, sich zu beschäftigen oder zu arbeiten, beeinträchtigt sein.

 

Respekt, Solidarität und Anerkennung

Neben einer guten medizinisch-therapeutischen Versorgung, Beratung, Begleitung und Assistenz sind Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen auch auf unser aller Respekt, unsere Solidarität und unsere Anerkennung angewiesen, um ihr Leben mit der Erkrankung zu meistern.

 

Der Paritätische fordert

Jeder psychisch kranke Mensch in Baden-Württemberg soll Zugang zu den erforderlichen Hilfen haben. Dies schließt rasche medizinisch-therapeutische Hilfe, ausreichend niederschwellige Leistungen der Grundversorgung und die individuellen Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ein.

 

 

Beitrag aus ParitätInform 01/2024

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