Vertreter*innen von sozialen Organisationen trafen sich mit Kandidierenden zur Landtagswahl
Pforzheim/Enzkreis Die Corona-Pandemie zeigt einmal mehr, dass alle, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, die sozialen Hilfenetze im Land am Laufen halten und die Solidarität in der Gesellschaft stärken. Eine soziale Landespolitik muss sich daran messen lassen, ob sie die Systemrelevanz sozialer Organisationen anerkennt und soziale Arbeit und soziales Engagement fördert. Deshalb veranstaltet der PARITÄTISCHE Kreisverband Pforzheim/Enzkreis unter dem Motto „WERTarbeit“ ein Sozialpolitisches Forum mit Kandidierenden zur Landtagswahl. Zehn Politiker*innen stellen sich den Fragen und Forderungen des Verbandes sowie elf Vertreter*innen von Mitgliedsorganisationen. Im Zentrum stehen die Situation von Langzeitarbeitslosen und jungen Menschen ohne berufliche Perspektiven, die Chancenungerechtigkeit im bestehenden Bildungssystem für sozial benachteiligte Jugendliche, die mangelnden Teilhabe und Mitbestimmungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung trotz Rechtsanspruch und der Umgang mit Asylsuchenden und Geflüchteten im Hinblick auf Integration und Abschiebung.
„Als Paritätischer Kreisverband Pforzheim/Enzkreis haben wir die nominierten Kandidat*innen eingeladen, weil es uns wichtig ist, dass die Sozialpolitik gut im Stuttgarter Landtag vertreten ist“, erklärt Harald Stickel, Mitglied im Kreisverband. „Die Region Pforzheim und Enzkreis ist mit vielen sozialen Belastungsfaktoren konfrontiert. Allein in Pforzheim leben rund 12.000 Bürger*innen im Hatz-IV Bezug und jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen.“ Daher benötige es dringend eine fundierte Kommunal- und Landespolitik, fügt Stickel hinzu und ergänzt, dass sich der Kreisverband auch als fachliche Unterstützung für gute und gerechte Sozialpolitik im Landtag verstehe.
Außerdem fordert der Kreisverband von der Landespolitik, den Rechtsanspruch von Menschen mit Behinderung auf Teilhabe und Selbstbestimmung einzulösen. Inklusion koste Geld, das das Land und die Kommunen gleichermaßen investieren müssten. Handlungsbedarf bestehe auch bei der Integration von Asylsuchenden und Geflüchteten. „Hier in der Region Pforzheim/Enzkreis ist das Leben der Migrant*innen von Umbrüchen geprägt. Auch was die Betreuung und Unterstützung der Menschen angeht, gibt es nur wenig Kontinuität“, sagt Stickel. „Wir fordern deshalb eine Verstetigung von Projekten wie zum Beispiel beim Integrationsmanagement. Erfolgreiche Integration braucht Zeit und ist ein Prozess, der kontinuierlich vorangetrieben, gelebt und verbindlich finanziert werden muss.“
„Es sind immer noch viel zu viele Menschen im Land von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Sie ist eine der Hauptursachen für Armut, Gesundheitsgefährdung und soziale Ausgrenzung“, erklärt Ralf Nuglisch, Bereichsleiter „Arbeit und Qualifizierung“ beim PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. „Wir brauchen eine wirkungsvolle Landesarbeitsmarktpolitik, die allen Menschen berufliche Teilhabe ermöglicht. Zur Sicherung von Ausbildung und Beschäftigung spielen soziale Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen eine zentrale Rolle“, so Nuglisch. Das werde leider bisher von der Politik zu wenig erkannt, da es immer noch keinerlei verlässliche und tragfähige Rahmenbedingungen dafür gebe. Im Übergang von der Schule in den Beruf blieben nach wie vor zu viele junge Menschen ohne Berufsausbildung. „Das muss sich ändern“, so Nuglisch weiter. Dazu brauche es zusätzliche Unterstützungsangebote aus der Jugendhilfe, die politisch gewollt und gefördert würden.
„Bildungserfolg ist immer noch eng mit der sozialen Herkunft verknüpft. Eine solche Ungerechtigkeit im Bildungssystem kann sich die Gesellschaft und auch eine soziale Politik in Baden-Württemberg nicht länger leisten“, betont Torsten Rothfuss, Referent für Bildung beim PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. „Die Schulen im Land brauchen einheitliche Standards im Fernunterricht und einen sicheren und verlässlichen Zugang zum Breitbandinternet. Und jede Schülerin und jeder Schüler müsse die Möglichkeit haben, sich technisch so auszustatten, dass sie beziehungsweise er problemlos am digitalen Unterricht teilnehmen könne. Auch müssten Freie Schulen bei der Finanzierung von Schulsozialarbeit staatlichen Schulen gleichgestellt werden. „Schulsozialarbeit trägt wesentlich zu mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit bei“, so Rothfuss.
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