Aktuelles Vereinsrecht: Fehlerhafte Vorstandsbestellung - Rechtsfolgen?

Fachinformation - geschrieben am 23.11.2022 - 10:02

Fehlerhafte Vorstandsbestellung- Rechtsfolgen?

Das Kammergericht Berlin: Beschluss vom 04.07.2022 – 22 W 32/22 befasste sich mit folgendem Sachverhalt: Ein nicht vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied einer Partei, dass seiner Auffassung nach als einziges Vorstandsmitglied verblieben war, hatte beim Registergericht die Bestellung eines Notvorstands beantragt. Zuvor hatte eine Vorstandswahl stattgefunden, die aber wohl nichtig war, weil nicht alle Mitglieder beteiligt wurden. Zur Klärung dieser Frage war ein Zivilprozess anhängig.

Das KG lehnt die Bestellung des Notvorstands ab. Nach § 29 BGB – so das Gericht – kommt die Notbestellung nur dann in Frage, wenn die erforderliche Anzahl von Vorstandsmitgliedern fehlt und die zeitweise Behebung dieses Mangels dringend ist, weil ein Schaden droht oder eine anstehende Vertretungshandlung nicht möglich ist und der Verein den Mangel nicht selbst beheben kann.

Das Gericht kann aber im Rahmen einer Notvorstandbestellung nicht mit vertretbaren Aufwand klären, ob das wirklich so war. Die Unwirksamkeit der Beschlüsse über die Vorstandswahl stand seiner Auffassung nach nicht fest, sondern sollte erst im Rahmen des Prozesses geklärt werden.

Deswegen war zunächst davon auszugehen, dass die gewählten Vorstandsmitglieder vertretungsberechtigt waren. Es fehlte also nicht an einem Vorstand. Es wäre auch kein Problem, wenn später die Unwirksamkeit der Wahl festgestellt würde. Der nicht wirksam bestellte Vorstand gilt nämlich als sogenannter faktischer Vorstand. Für ihn gelten dann die Grundsätze der Duldungsvollmacht, und der Verein muss sich die Vertretungshandlungen dieser Vorstandsmitglieder zurechnen lassen. Er ist also rechtlich nicht anders gestellt, als ein ordnungsgemäß bestellter Vorstand.

Fazit:

Im Ergebnis führte das Gericht aus, dass es sich bei der Vertretungsbefugnis des neuen Vorstands um eine doppelrelevante Tatsache handelt. Doppelrelevant sind solche Tatsachen, denen sowohl für die Zulässigkeit einer Klage als auch für deren materielle Begründetheit Bedeutung zukommt. Im vorliegenden Fall konnte der möglicherweise fehlerhaft bestellte Vorstand im Zivilprozess wirksam vertreten (Frage der Zulässigkeit der Klage) und wirksam nach außen handeln (Frage der Begründetheit der Klage), da der Verein sich dass Außenhandeln  eines faktischen Vorstands nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht zurechnen lassen muss.

Hinweise:

  • Der faktische Vorstand haftet wie ein regulär gewählter Vorstand.
  • Für eine fehlerhafte Organbestellung gilt nach herrschender Meinung: Die satzungswidrige Bestellung bleibt wirksam vom Beginn der tatsächlichen Amtsausübung bis zur Geltendmachung des Mangels, zu der ein Widerruf der Bestellung oder eine Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied erforderlich ist. Die von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen wirken für und gegen den Verein (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2022, 7 W 44/22, vgl. https://www.iww.de/quellenmaterial/id/231423).

Die vollständige Entscheidung des KG Berlin finden Sie unter https://www.iww.de/vb/quellenmaterial/id/231425.

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