Die Soziale Landwirtschaft birgt zahlreiche Potenziale. Wie können Einzelpersonen, Höfe, landwirtschaftliche Betriebe und soziale Träger gleichermaßen von diesem innovativen Ansatz profitieren? Und was ist ihr Beitrag zur sozialökologischen Transformation? Die Veranstaltung „Ackerbau der Gemeinschaft“ ist diesen Fragen mit verschiedenen Beiträgen aus Theorie und Praxis nachgegangen und hat einen umfassenden Einblick in die vielen Chancen, aber auch bestehenden Hürden der Sozialen Landwirtschaft aufgezeigt.
Perspektive der Sozialen Arbeit auf die Landwirtschaft
Daniel Peipp, seit 10 Jahren in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung tätig und Lehrbeauftragter für Soziale Landwirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, beleuchtete die Perspektive der Sozialen Arbeit auf die Soziale Landwirtschaft. Zu Beginn führte er die Definition Sozialer Landwirtschaft von Susanne Elsen (2022) an: Soziale Landwirtschaft ist die „Verbindung von Landwirtschaft mit sozialen, gesundheitlichen, edukativen, arbeitsintegrativen oder auch landschaftsökologischen Zielen, welche einen Mehrwert für die Nutzenden, die Anbietenden, die Gemeinweisen, die Landwirtschaft und die lokalen Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsdienste schaffen.“ Er betonte, dass Soziale Landwirtschaft nicht mit Solidarischer Landwirtschaft verwechselt werden sollte: Solidarische Landwirtschaft sei eine gemeinschaftsgetragene Form der Landwirtschaft und somit nicht per se auch Soziale Landwirtschaft. Stattdessen fokussierte Peipp darauf, wie die Produktion von Nahrung und Lebensmitteln Menschen nutzen kann, die im Fokus der Sozialen Arbeit stehen. Die Beschäftigung in der Sozialen Landwirtschaft schafft eine gesunde, sinnstiftende und auch ökologische Tätigkeit, bietet Kontakt zu Natur, Tieren und anderen Menschen und eröffnet Bildungs- und Erfahrungsräume. Gleichzeitig bringt Soziale Landwirtschaft auch Chancen für den Sozialraum mit sich: Durch die vielfältigen Formen ist sie sowohl im ländlichen Raum, z.B. auf alten Aussiedlerhöfen, aber auch in Form von Urban Gardening Projekten im städtischen Raum möglich. Sie kann zudem lokale Ökonomie und Kreisläufe stärken und zur regionalen Versorgung mit ökologisch erzeugten Produkten beitragen, auch für soziale Einrichtungen. Peipp wies darauf hin, dass die Soziale Arbeit historisch eng mit der Landwirtschaft verbunden war, sowohl zur Selbstversorgung als auch als Arbeitsplatz. Das wachsende Interesse an Sozialer Landwirtschaft resultiere aus ökologischem, sozialem und sozialökologischem Handeln. Es wurden verschiedene Modelle der Sozialen Landwirtschaft präsentiert: Einerseits gibt es soziale Träger, die Landwirtschaft betreiben, andererseits integrieren landwirtschaftliche Betriebe soziale Dienstleistungen, wie etwa in Form von Senior*innen-WGs. Darüber hinaus gibt es Kooperationen zwischen sozialen Trägern und landwirtschaftlichen Beitrieben, zum Beispiel in Form von Außenarbeitsplätzen von Werkstätten für Menschen mit Behinderung auf Höfen. Der Teilnehmendenkreis stimmte der These zu, dass es keine Personengruppen gibt, für die Soziale Landwirtschaft nicht geeignet wäre, wenngleich individuell geschaut werden muss, ob es dem Interesse und Fähigkeiten der*des Einzelnen entspricht.
Die Perspektive der Höfe auf Soziale Landwirtschaft
Johanna Petersen, Fachberaterin für Soziale Landwirtschaft bei Bioland e.V., lenkte den Fokus auf die Arbeitsrealitäten in der Landwirtschaft. Arbeit auf dem Bauernhof sei nicht so romantisch, wie sie oftmals dargestellt werde, der Verantwortung für Tiere und Pflanzen müsse täglich nachgekommen werden, auch bei Regen und Sturm. Sie betonte, dass die wertvolle Arbeit oft nicht ausreichend entlohnt wird und dass Landwirt*innen sich in ihrer Arbeit häufig nicht genug gesehen fühlen. Petersen hob die Wichtigkeit einer angemessenen Bezahlung der Landwirt*innen hervor und betonte, dass Soziale Angebote nicht pro bono funktionieren können. Viele Höfe sind dennoch offen für Soziale Landwirtschaftsprojekte. Es gibt viele landwirtschaftliche Gebäude, die leer stehen und neu genutzt werden können. Andere Höfe haben eine ungeklärte Nachfolge und wollen den Hof in gute Hände übergeben. Petersen wies zuletzt auf die Herausforderung der Mobilität im ländlichen Raum hin, wo sich die meisten landwirtschaftlichen Betriebe befinden. Hierfür brauche es gute Lösungen.
Landwirtschaft mit Allen
Rebecca Kleinheitz vom Netzwerk alma e. V., einer Organisation, die sich für das "Arbeitsfeld Landwirtschaft mit Allen" einsetzt, stellte das Konzept des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) für Menschen mit oder ohne Behinderung vor. Alma e. V. bietet die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst auf landwirtschaftlichen Höfen zu absolvieren und fördert dabei ein inklusives Miteinander. Es ist eine Chance für die Freiwilligen das Arbeitsfeld kennenzulernen und gleichzeitig auch eine Chance für die Höfe. Viele Höfe steigen langfristig ein, schaffen mehrere Plätze, machen jedes Jahr mit oder bieten Freiwilligen anschließend einen Ausbildungsplatz an. Es gibt aber auch Betriebe, die wieder aussteigen, was weniger menschliche Gründe hat, als vielmehr an den Rahmenbedingungen liegt. Manche Höfe haben schlicht nicht genug Platz, wenn Freiwillige mit Assistenzen kommen. Bislang ist die Tätigkeit von Alma e.V. auf Niedersachsen begrenzt. Sie hoffen jedoch, mit einer entsprechenden Förderung, zukünftig auch bundesweit zu inklusiven FÖJs beraten zu können. Kleinheitz verwies auch auf das Engagement des Paritätischen zur Schaffung und Begleitung inklusiver Freiwilligendienste.
Soziale Landwirtschaft und Arbeitsmarktpolitik
Karin Woyta, Gartenbauingenieurin und Geschäftsführerin bei Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung GmbH, berichtete von ihren langjährigen Erfahrungen auf dem Waldeckhof bei Göppingen. Der Hof integriert benachteiligte Menschen in verschiedene Projekte, von Gartenbau über einen Hofladen bis hin zu einem Hofcafé. Neben der Berufsintegration von langzeitarbeitslosen Menschen, bietet der Waldeckhof auch Schulklassen einen regelmäßigen Erfahrungsraum. Woyta zeigte neben all den Erfolgen aber auch die Hürden auf: die Finanzierung des Hofs und der verschiedenen Angebote sei häufig schwierig. Es wird mit diversen Kostenträgern, wie den JobCentern, kooperiert, vieles sei aber nur durch Projektfördermittel umsetzbar, was viel Bürokratie und Ungewissheit mit sich bringt. Dies führte durchaus auch zu Entwicklungen, die Woyta nur schweren Herzens begleitete. Beispielsweise konnte der Hof die Biolandzertifizierung mit einer aufwendigen Dokumentation und Prüfung nicht weiter aufrecht halten. Dennoch wird der Hof weiterhin mit den gleichen Standards betrieben.
Mutig miteinander ins Gespräch gehen
Insgesamt verdeutlichte die Veranstaltung die Vielfalt der Sozialen Landwirtschaft, ihre Herausforderungen und Potenziale. Sie machte deutlich, was sie zur Entwicklung des ländlichen Raums und der sozialökologischen Transformation beitragen kann. Auch wenn die Umsetzung Sozialer Landwirtschaft oftmals herausfordernd ist, zeigte die Veranstaltung, dass die Kooperation von landwirtschaftlichen Betrieben mit sozialen Trägern einen wichtigen Teil zur einer inklusiven und nachhaltigen Zukunft beitragen kann und hierfür auf beiden Seiten viel Offenheit besteht.