24.03.2020 - Fachinformation des Paritätischen Gesamtverbandes zum angekündigten Pflege-Schutzschirm

Fachinformation - geschrieben am 24.03.2020 - 18:27

24.03.2020 - Fachinformation des Paritätischen Gesamtverbandes (Thorsten Mittag)
 

Die Bundesregierung bringt im Eilverfahren Gesetzesvorhaben zur Unterstützung des Pflegewesens bei der Bewältigung der Corona-Epidemie auf den Weg.

Konkret wird nach der am 23.03.2020 erfolgten Billigung des Kabinetts ab dem 25.03.2020 ein Fraktionsentwurf für ein „Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen“ (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) in den Bundestag eingebracht, behandelt und verbschiedet werden. Die Bundesratsbefassung erfolgt am 27.03.2020.

Die Bundesregierung unterstützt mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz Krankenhäuser, Vertragsärzte und Pflege, um die Auswirkungen der Corona-Epidemie schultern zu können. Pflegeeinrichtungen sollen befristet von Bürokratie entlastet und ebenfalls finanziell unterstützt werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können anhand der vorhandenen Formulierungshilfe für die Bundestagsfraktionen folgende Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung während der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Pandemie festgehalten werden:

  • Die ambulante und stationäre Pflege wird durch das befristete Aussetzen von Qualitätsprüfungen (§§ 114b, 114c, 151 SGB XI und § 275b Absatz 4 SGB V), Änderungen bei der Durchführung von Begutachtungen (§ 147) und den Verzicht auf die Beratungsbesuche bei Pflegebedürftigen (§ 37) entlastet.

Die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 bedingten Auswirkungen bringen eine außergewöhnliche Belastung für die pflegerische Versorgung in Deutschland mit sich. In dieser Situation müssen alle vorhandenen personellen Kapazitäten der Pflegeeinrichtungen für die unmittelbare pflegerische Versorgung eingesetzt werden.

Die im Oktober 2019 begonnene Einführung des neuen vollstationären Qualitätssystems ist insbesondere in der noch laufenden Einführungsphase mit einem gewissen Mehraufwand verbunden. Zur Entlastung der vollstationären Pflegeeinrichtungen in der akuten Pandemie-Situation werden daher die mit der Erhebung und Übermittlung der indikatorenbasierten Qualitätsdaten verbunden Fristen in § 114b Absatz 1 und 2 um jeweils sechs Monate verschoben.

Die Einführungsphase endet nun am 31. Dezember 2020. Bis dahin sollen alle vollstationären Pflegeeinrichtungen eine Datenerhebung durchgeführt und an die Datenauswertungsstelle übermittelt haben. Die Veröffentlichung der Qualitätsdaten gemäß Qualitätsdarstellungsvereinbarung beginnt erst mit den ab dem 1. Januar 2021 durchzuführenden Datenerhebungen. Die in § 114c Absatz 1 Satz 1 geregelte mögliche Abweichung des Prüfrhythmus (2 Jahre) bei überdurchschnittlichen Ergebnissen gilt ab dem 1. Juli 2021. Dies ist eine notwendige Folgeänderung zu den neu geregelten Fristen in § 114b, denn die Bestimmung eines hohen Qualitätsniveaus ist erst ab Vorliegen der Ergebnisse der zweiten Datenerhebungen möglich. Die Regelprüfung durch die Prüfdienste werden bis 30. September 2020 ausgesetzt. Anlassprüfungen bleiben davon unberücksichtigt.

Um die vulnerable Personengruppe der Pflegebedürftigen vor zusätzlichen Ansteckungsgefahren durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen, werden davon abweichend bis einschließlich 30. September 2020 Gutachten aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen (Aktenlage) erstellt. Zugleich haben die Gutachterinnen und Gutachter zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit und Einstufung in einen Pflegegrad nach Möglichkeit die Versicherten, deren Bevollmächtigte und rechtliche Betreuer sowie deren Angehörige und sonstige zur Auskunft fähige Personen (wie beispielsweise Ärzte des Antragstellers, Mitarbeitende des bisherigen Pflegedienstes, Nachbarn) telefonisch oder digital zu befragen (strukturierte Interviews) und die eingeholten Auskünfte sowie für den konkreten Fall einzuholende Unterlagen zu berücksichtigen.

Die Durchführung von Wiederholungsbegutachtungen wird bis einschließlich 30. September 2020 ausgesetzt. Die gegenwärtig für alle antragstellenden Personen geltende Regelung, dass der Bescheid der Pflegekasse innerhalb von 25 Arbeitstagen erteilt werden muss, wird auf diejenigen Fälle konzentriert, bei denen ein besonders dringlicher Entscheidungsbedarf besteht. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen wird beauftragt, für die Klärung eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen bundeseinheitliche Kriterien und Anwendungshinweise festzulegen.

Ebenfalls wird zur Vermeidung von Ansteckungsgefahren und zur Erleichterung das Pflegegeld im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 30. September 2020 bezogen werden können, ohne dass ein Beratungseinsatz durch einen ambulanten Pflegedienst abgerufen werden muss.

  • Pflegeeinrichtungen wird durch eine Regelung die Sicherheit gegeben, durch die Pandemie bedingte finanzielle Mehrausgaben oder Mindereinnahmen über die Pflegeversicherung erstattet zu bekommen (§ 150 Absatz 2 und 3 SGB XI).

Von der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Pandemie betroffene Pflegeeinrichtungen erhalten einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Pflegeversicherung für ihre außerordentlichen Aufwendungen und Mindereinnahmen, die im Rahmen ihrer Leistungserbringung einschließlich Leistungen für Unterkunft und Verpflegung entstehen. Ausgenommen sind Positionen, die anderweitig (z.B. über Kurzarbeitergeld, Entschädigung über Infektionsschutzgesetz) finanziert werden. Eine Doppelfinanzierung ist hierbei auszuschließen.

Dieser Anspruch besteht unabhängig von einer Anzeige der Einrichtung, dass die Versorgung wesentlich beeinträchtigt ist. Dabei ist es für den Anspruch zudem unerheblich, ob die zugelassene Pflegeeinrichtung eine Vergütungsvereinbarung mit den Pflegekassen abgeschlossen oder darauf verzichtet hat. Ambulante Pflegedienste erbringen in der Regel Pflegesachleistungen nach dem SGB XI und Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V. Daher werden dort die Kosten der Erstattung aufgeteilt auf die Soziale Pflegeversicherung und die gesetzlichen Krankenkassen.

Zu den außerordentlichen Aufwendungen im Rahmen der Leistungserbringung gehören insbesondere solche im Zusammenhang mit den infektionshygienischen Schutzvorkehrungen der Mitarbeitenden (Einmalmaterial, Desinfektionsmittel) oder zusätzliche Personalaufwendungen für Ersatzpersonal oder Mehrarbeitsstunden, wenn Ausfälle von krankheits- oder quarantänebedingt abwesendem Personal kompensiert werden müssen.

Ebenso können Einrichtungen von pandemiebedingten Mindereinnahmen betroffen sein, wenn z.B. Tagespflege- oder Kurzzeitpflegegäste ihre geplanten Aufenthalte in Einrichtungen dauerhaft absagen oder Kunden ambulanter Pflege- und Betreuungsdienste ihre Leistungsinanspruchnahme zum Zwecke der sozialen Distanzierung reduzieren. Der GKV SV erstellt im Benehmen mit den Trägervereinigungen Regelung für das Erstattungsverfahren. Nachweise sollen möglichst einheitlich und praktikabel geregelt werden. Es wird sich zeigen, ob tatsächlich alle Mehraufwendungen, wie z.B. auch Zulagen, am Ende so geregelt werden können – hierfür haben wir uns bis zuletzt vehement eingesetzt. Klar ist aber: es sind einfache Belege für die zur Erstattung beantragten Aufwendungen und Mindereinnahmen vorzusehen.

Für das Erstattungsverfahren ist vorgesehen, dass die Pflegeeinrichtungen zum Monatsende ihren Anspruch bei einer Pflegekasse geltend machen können, die Partei des Versorgungsvertrages ist. Für die Auszahlung der Erstattung ist vorgegeben, dass diese insgesamt über eine Pflegekasse an die Einrichtung innerhalb von 14 Kalendertagen zu erfolgen hat, damit eine Vorfinanzierung der Pflegeeinrichtung zeitlich auf maximal sechs Wochen begrenzt wird. Davon unabhängig können Pflegeeinrichtungen mehrere Monate in ihrem Antrag zusammenfassen. Neuverhandlungen werden ausgeschlossen, Die vorgesehenen Erstattungsbeantragung soll zur Folge haben, dass die Pflegeversicherung die entstehenden Kosten vollständig übernimmt. Insofern werden Pflegebedürftige und die zuständigen Sozialhilfeträger mit diesen Kosten nicht belastet.

  • Zudem besteht eine Anzeigepflicht bei wesentlicher Beeinträchtigung und für die Aufrechterhaltung der Versorgung kann insbesondere von den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben und Rahmenbedingungen zur Personalausstattung abgewichen werden. Pflegekassen wird zudem ein weiterer Gestaltungsspielraum zur Vermeidung von pflegerischen Versorgungslücken in der häuslichen Versorgung eingeräumt (§ 150 Absatz 1 und 5 SGB XI).

Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen werden verpflichtet, bei einer wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Leistungserbringung infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 diese umgehend gegenüber den Pflegekassen anzuzeigen. Hierbei genügt die Anzeige gegenüber einer als Partei des Versorgungsvertrages ausgewiesenen Pflegekasse, beispielsweise der federführenden Pflegekasse bei der Zulassung.

Wesentliche Beeinträchtigungen der Leistungserbringung können sein: z.B. nicht kompensierbare krankheits- oder quarantänebedingte Ausfälle des Personals der Pflegeeinrichtung, ein höherer Aufwand bei der Versorgung von durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 erkrankten Pflegebedürftigen, pandemiebedingte Mindereinnahmen im Rahmen ihrer Leistungserbringung oder auch erhöhte Anforderungen durch eine behördlich angeordnete Isolation bzw. Quarantäne.

Es erfolgt sodann die prüfung, ob die Versorgung sichergestellt ist. Dieses hat in Abstimmung mit den weiteren zuständigen Stellen wie den heimrechtlichen Aufsichtsbehörden und den Gesundheitsämtern zu erfolgen. Dabei kann insbesondere von den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben und Rahmenbedingungen zur Personalausstattung für die Aufrechterhaltung der weiteren Versorgung der Pflegebedürftigen abgewichen werden. Bei Unterschreitungen der in den Pflegeeinrichtungen nach § 84 Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 vereinbarten Personalausstattung soll kein Vergütungskürzungsverfahren nach § 115 Absatz 3 Satz 1 durchgeführt werden.

Zur möglichst schnellen Reaktion auf die besonderen Erfordernisse vor Ort sollen die Pflegekassen mit den Pflegeeinrichtungen alle bestehenden Instrumente des Vertragsrechts wie insbesondere Gesamtversorgungsverträge nach § 72 Absatz 2 Satz 1 nutzen. Hierbei können zulassungsrechtliche Voraussetzungen einschließlich der Vorgaben aus den Landesrahmenverträgen zur pflegerischen Versorgung nach § 75 vorübergehend zweckgerichtet eingeschränkt werden.

Dadurch wird u.a. ein flexibler Einsatz des Personals in anderen Versorgungsbereichen nach den Erfordernissen vor Ort gewährleistet. Es bedarf hier angesichts der dynamischen Lage keiner langwierigen schriftlichen Verfahren. Hiervon könnten insbesondere Tagespflegeeinrichtungen profitieren, die durch Schaffung eines weiteren Versorgungsbereiches, z.B. eines ambulanten Pflegedienstes, bei sinkender Auslastung frei werdende Personalkapazitäten für die Versorgung von Pflegebedürftigen wie den bisherigen Tagespflegegästen in ihrer Häuslichkeit einsetzen könnten.

Ebenso besteht für vom Nachfragerückgang betroffene Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, das Personal durch Kooperationen zwischen zugelassenen Pflegeeinrichtungen bedarfsgerecht einzusetzen. Darüber hinaus unterliegen trägerübergreifende Personalüberlassungen nach dem Pflegeversicherungsrecht zulassungsrechtlich keinen Beschränkungen. Zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung können auch Betreuungskräfte für die Leistungen nach § 43b in von den Richtlinien nach § 53c abweichenden Bereichen eingesetzt werden und abweichende Aufgaben wahrnehmen.

Den Pflegekassen wird ein weiter Gestaltungsspielraum zur Vermeidung von pflegerischen Versorgungslücken in der häuslichen Versorgung eingeräumt. Sie sollen diesen abgestuft nutzen können: Je größer die Versorgungsprobleme werden, desto unbürokratischer soll die Versorgung möglich sein. Vorrangig ist auf Leistungserbringer, die von Pflegefachkräften geleitet werden zurück zu greifen insbesondere Tagespflegeeinrichtungen, die wegen des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 geschlossen werden mussten.

Sodann ist auf andere Leistungserbringer, wie Betreuungsdienste, andere medizinische Leistungserbringer und zuletzt auf Nachbar*innen zurück zu greifen. Für die häusliche Versorgung durch Angehörige und vergleichbar Nahestehende sieht das Recht der Pflegeversicherung die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Pflegegeldleistung vor. Dies soll nicht geändert werden.

Die Frage, welche Vergütungssätze im Rahmen der Kostenerstattung berücksichtigungsfähig sind, steht im Ermessen der Pflegekassen und sollte auch Gegenstand der Empfehlungen des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen sein. Die Vergütungssätze sollten entsprechend der jeweils in Anspruch genommenen Leistung abgestuft sein (z.B. für eine Tagespflegeeinrichtung oder für ambulante Pflegedienste jeweils in Anlehnung an mit den Kassen vereinbarte Vergütungssätze).

Wir hatten uns vergebens dafür eingesetzt, dass die Kurzzeitpflege bis einschließlich September 2020 ohne Einschränkungen in Anspruch genommen werden kann und grundsätzlich auch der Sachleistungsbetrag der Tagespflege (wenn geschlossen) im Bedarfsfall für die ambulante Pflege zur Verfügung steht.

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