09.12.2020: Der Paritätische nimmt mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege Stellung zur Corona-Impfverordnung

Fachinformation - geschrieben am 11.12.2020 - 12:12

Quelle: Jeanette Brabandt (Der Paritätische Gesamtverband)

Der Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 für alle Menschen mit einem signifikant erhöhtem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf sowie jene die solche Menschen behandeln, betreuen oder pflegen, wird seitens der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt. Es ist dabei jedoch unbedingt darauf zu achten, dass durch die Regelungen auf den Anspruch umfassend alle Risikopersonen geschützt sind, und zwar unabhängig von ihrer Lebens- und Wohnsituation. Die Verbände weisen gleichermaßen auf den Mehraufwand, der Einrichtungen bei der Begleitung von mobilen Impfteams entstehen und fordern eine bürokratie- und aufwandsarme Implementierung der Impfverordnung. Hierzu tragen Musterdokumente für Einrichtungen bzgl. Aufklärung und Einwilligung bei. Ebenso sind einheitliche Informationen über die Impfung barrierefrei, in leichter Sprache und mehrsprachig zur Verfügung zu stellen.

Durch die Anpassungen im Zuge des 3. Bevölkerungsschutz-Gesetz kann das Bundesgesundheitsministerium bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite per Rechtsverordnung bestimmten, dass sowohl Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung als auch Personen, die nicht in der GKV versichert sind, Anspruch auf bestimmte Schutzimpfungen, insbesondere gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, haben ( § 20i Abs. 3 SGB V).

Insbesondere in der ersten Zeit nach der Zulassung eines Impfstoffes wird dieser nicht flächendeckend allen impfbereiten Menschen zur Verfügung stehen. Diese anfängliche begrenzte Verfügbarkeit eines Impfstoffes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 erfordert Auswahlentscheidungen darüber, wer zuerst geimpft werden soll.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Ständige Impfkommission gebeten, gemeinsam mit Expertinnen und Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und des Deutschen Ethikrates Kriterien für eine Priorisierung von COVID-19-Impfstoffen vorzuschlagen. Diese, in einem Positionspapier niedergelegten Empfehlungen liegen dieser Verordnung zugrunde (vgl. Positionspapier der gemeinsamen Arbeitsgrupp aus Mitgliedern der ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der nationalen Akademie der wissenschaftlichen Leopoldina: Wie soll der Zugang zu einem Covid-19-Imfpstoff geregelt werden? Vom 9.11.20: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Positionspapier.html).

Noch ausstehend ist die Stellungnahme der Ständigen Impfkommission (STIKO) mit Empfehlungen zur Covid-19-Impfung und zur Priorisierung von Risikogruppen bei eingeschränkter Impfstoffverfügbarkeit. Daher sind im Verordnungstext an den entsprechenden Stellen noch Leerstellen eingefügt, die sobald die Stellungnahme vorliegt, ergänzt werden sollen.

Die Verordnung gewährt Versicherten der GKV und anderen Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, unabhängig von ihrem Krankenversicherungsstatus, einen Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2.

Ein Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 besteht insbesondere zunächst für Personen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie für Personen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen. Als nachfolgende prioritär zu impfende Personengruppe haben insbesondere diejenigen Personen einen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.

Zusammenfassende Bewertung aus der Stellungnahme:

  1. Da angesichts anfänglich noch nicht ausreichender Impfstoffkapazitäten nicht nur eine Priorisierung nach Risikogruppen, sondern eine „Priorisierung der Priorisierung“ stattfinden muss, ist der Gesetzgeber gefordert, diese vorzunehmen. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege unterstützen den Vorschlag des Deutschen Ethikrats, der STIKO und der Leopoldina zu einem Verfahren der Festlegung durch den Gesetzgeber.
  2. Begrüßt wird, dass sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte sowie Nichtversicherte Anspruch auf Impfungen nach den vorgegebenen Kriterien haben. Es ist sicherzustellen, dass neben den Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt auch die Personen mit tatsächlichem Aufenthalt sowie Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität Anspruch auf die Impfungen haben. Auch jeden Tag ein- und ausreisende Berufspendler, die in Einrichtungen, die Risikogruppen betreuen, arbeiten, müssen umfasst werden. Zudem sollte die private Krankenversicherung anteilig an den Versicherten in Deutschland mit einem Anteil von 10 Prozent und nicht nur 7 Prozent, wie jetzt vorgesehen, zur Finanzierung herangezogen werden.
  3. Ein barrierefreier Zugang sowie die Bereitstellung von Informationen in leichter Sprache und mehrsprachig ist sowohl in Bezug auf die Impfberatung als auch beim Zugang zu den Impfzentren und bei der Terminvergabe zu gewährleisten.
  4. Bezüglich der Einrichtungen und Risikogruppen sprechen sich die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege dafür aus, dass neben den in § 36 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 sowie § 23 Absatz 5 Nummern 1 bis 12 genannte Einrichtungen und den von ihnen betreuten, gepflegten oder versorgten Personengruppen auch zugehende ambulante Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, sowie Einrichtungen und Angebote für Menschen in besonderen Lebenslagen mit sozialen Schwierigkeiten, wie z.B. Frauenhäusern und Gewaltschutzeinrichtungen, Mutter/Vater Kind Einrichtungen, Schwangerschaftsberatungsstellen, niedrigschwellige Tagestreffs für Wohnungslose, existenzunterstützenden Angebote wie z.B. zur Sicherstellung der Hygiene und Versorgung von wohnungslosen Menschen, teil- und vollstationären sowie ambulanten Einrichtungen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erbringen sowie Angebote der Suchthilfe und der Selbsthilfe zu den prioritär mit Impfung zu versorgenden Einrichtungen und betreuten Personengruppen zählen. Auch die Tagesmütter und -väter sind einzubeziehen. Sicherzustellen ist auch, dass der Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung und die Familienpflegedienste, welche vulnerable Familien in prekären Situationen versorgen, in den Impfschutz mit einbezogen ist, da diese Einrichtungen nicht alle von §§ 36 und 23 IfSG erfasst sind.
  5. Von herausragender Bedeutung ist auch, dass An- und Zugehörige einschließlich Assistenzkräfte und ehrenamtlich Tätige von häuslich versorgten vulnerablen Risikogruppen durch Impfung geschützt werden.
  6. Es ist klarzustellen, dass zu den Tätigen in den Einrichtungen nicht nur die im Anstellungsverhältnis Beschäftigten, sondern auch Honorarkräfte, Leiharbeiter*innen, Auszubildende und Praktikanten sowie ehrenamtliche und im Freiwilligendienst Tätige zählen.
  7. Um den vollen Impfschutz zu gewährleisten, muss die zweite Impfung innerhalb von 21 Tagen durchgeführt werden. Erinnerungsfunktionen, auch per App und ein Impfdatum für die zweite Impfung in der Impfdokumentation sollten diesen Prozess unterstützen.
  8. Wo auch immer möglich, sollten Personen, die ohnehin für die Ausstellung des Attests die Arztpraxis aufsuchen müssen, auch gleich dort geimpft werden.
  9. Um den Zugang gerade von vulnerablen Gruppen zur Impfung sicherzustellen, muss es ein bundesweit einheitliches Einladungswesen geben, etwa vergleichbar der Mammakarzinomvorsorge.
  10. Die Impfsurveillance ist um die Erfassung von Nebenwirkungen und Komplikationen zu ergänzen.

Die Bewertung der Einzelvorschriften ist der Stellungnahme im Anhang zu entnehmen.

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